Der Gräfinsteig 

Wandert man vom Ortsteil Kamerun auf dem Zwönitztalwanderweg nach Dittersdorf findet man auf einem Wegweiser den Namen "Gräfinsteig" als alternative Bezeichnung für diesen Weg. Natürlich fragt man sich woher dieser Name kommt, da es weit und breit keine Burg oder Schloss gibt, auf dem man eine echte Gräfin vermuten könnte. Dennoch lebte einst in Dittersdorf eine Gräfin, nach der dieser Weg benannt wurde, und zwar im Rittergut Dittersdorf.

Das Rittergut von Dittersdorf

Das ehemalige Rittergut um 1856
Das ehemalige Rittergut um 1856

Dittersdorf gehörte von 1455 an bis 1809 der Familie von Einsiedel, einem alten Adelsgeschlecht aus Meißen. Nach 1680 ließ Heinrich von Einsiedel das abgebildete Rittergut mit einem Herrenhaus errichten.

Im Jahre 1809 erbte dann Henriette Gräfin von Düben das Rittergut. Im Jahre 1856 wurde das Rittergut wie folgt beschrieben:

Das Rittergut Dittersdorf, insgemein "der Hof" genannt, verdankt seinen Namen wahrscheinlich einem einstigen Besitzer, der Dietrich hiess, und war früher nur ein Vorwerk von Weissbach, ist aber jetzt das Hauptgut. Es liegt auf einen Hügel und besteht aus einem hübschen Schlosse mit drei Flügeln, (dessen ältesten ein Türmchen mit einer Schlaguhr ziert) und sehr ansehnlichen Wirtschaftsgebäuden. Das Ganze ist teilweise von hübschen Gartenanlagen umgeben. Die Feldwirtschaft des Rittergutes ist verhältnismäßig nicht eben stark; bemerkenswert aber sind die bedeutende Brauerei, die zu Weißbach befindliche Schäferei, mehrere Mühlen, Fischerei und hauptsächlich die herrlich bestandenen grossen Buchen- und Nadelholzwaldungen, welche das Gut zu einem der bedeutendsten im Lande erheben. Das Rittergut liegt etwa 1150 Pariser Fuss über der Nordsee.1

1889 brannte das Rittergut ab und wurde nicht mehr in der ursprünglichen Art aufgebaut.

Die Gräfin

Renate Auguste Louise Henriette von Schönburg-Forderglauchau wurde am 7. März 1783 geboren. Sie war die einzige Tochter von Carl Heinrich III, Graf von Schönburg, Forderglauchau und Wechselburg. Dieses Adelsgeschlecht gehörte zu einer Nebenlinie der Herrschaft von Einsiedel.

Henriette von Schönburg heiratete am 7. April 1806 den Grafen Gustav von Düben, seines Zeichens königlich-schwedischer Geschäftsträger am K.K. Hofe zu Wien und Capitän in der schwedischen Armee. Henriette war nun Gräfin von Düben.

Gustav von Düben fiel jedoch am 14. Oktober 1806 in der Schlacht bei Jena gegen die Truppen Napoleons. Ein Verwandter von ihm, Heinrich Curt von Einsiedel, kämpfte in der gleichen Schlacht und wurde schwer verwundet.  Er starb 1808 in einem Wiener Lazarett. Da er nicht verheiratet war, gingen auf Grund seines Testament die Rittergüter Dittersdorf und Weißbach in den Besitz der Henriette von Düben über.

Sie schloss 1826 eine zweite Ehe mit dem schwedischen Geschäftsmann Carl Axel Graf von Löwenhielm. Für die nunmehr meist abwesende Gräfin besorgte der Amtshauptmann von Biedermann aus Niederforchheim die Verwaltung der Rittergüter.

Henriette Gräfin von Löwenhielm starb am 20. Mai 1859 in Schweden.

Die Teuerungseiche in Einsiedel
Die Teuerungseiche in Einsiedel

Die Gräfin, zu deren Einflussbereich auch Einsiedel und Kemtau gehörte, wird als wohltätige Frau beschrieben. Als Beleg dafür gilt die Teuerungseiche in Einsiedel. In den Jahren 1846/47 gab es eine Hungersnot im Erzgebirge. Die Gräfin ließ die Dorfstraße ausbauen, dadurch hatten die Einsiedler Einwohner Arbeit und Brot. Als Erinnerung daran wurde 1847 die Teuerungseiche gepflanzt.

Auch in Kemtau gibt es eine Geschichte zur Gräfin: In Kemtau gab es ein Gemeindehaus, ein Armenhaus, in dem die Bedürftigsten Unterkunft erhielten. Es waren 4 Stuben vorhanden. Auch von der „Herrschaft“ wurden die Armen unterstützt. Fast jährlich bekamen sie von der Gräfin „Reißholz“.

Der Vater der Gräfin

Von Carl Heinrich III. Graf von Schönburg, von Beruf kursächsischer Geheimer Rat, gibt es eine interessante Geschichte:

Mit seinem Hofmeister Christian Gottfried Körner, dem Vater des Freiheitsdichters Theodor Körner, unternahm der Graf von 1779 bis 1781 eine ausgedehnte Kavaliersreise auch Grand Tour genannt. Diese große Tour war die Bezeichnung für eine seit der Renaissance obligatorische Reise der Söhne des europäischen Adels.

Sie führte zunächst nach Frankfurt, von dort aus reiste man per Schiff den Rhein hinauf nach Köln und Düsseldorf. Über Holland ging die Reise weiter nach England, von dort in die Schweiz und schließlich nach Lyon und Paris.

Im Körnerschen Haus machte der Graf die Bekanntschaft Friedrich von Schillers, der ihm 1787 in „Körners Vormittag“ ein literarisches Denkmal setzte. In Schillers einziger Komödie wird Körner, der gerade frisiert wird, ständig von Besuchern gestört. Einer dieser ungebetenen Gäste ist der Graf von Schönburg, der ihm ein Pferd verkaufen will und als sein Angebot nicht angenommen wird, mit der Reitpeitsche knallend wieder verschwindet.

Das Rittergut in heutiger Zeit

Infotafel am ehemaligen Rittergut Dittersdorf
Infotafel am ehemaligen Rittergut Dittersdorf

Auf dem Gelände des Rittergutes, Hofstraße 6, befindet sich heute noch das verlassene Herrenhaus, Wirtschaftsgebäude und eine Gärtnerei.

Das Gelände ist zwar zugänglich, aber das Herrenhaus kann nicht besichtigt werden.



Die Wirtschaftsgebäude heute
Die Wirtschaftsgebäude heute

Das Gelände des ehemaligen Rittergutes erinnert an die DDR als das Gut eine LPG war. Im Jahre 1969 wurde die Dittersdorfer und Kemtauer LPG zusammen geführt und hieß fortan LPG "20. Jahrestag der DDR".

Das verlassene Herrenhaus November 2014
Das verlassene Herrenhaus November 2014

Quellen

Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen, Erzgebirgischer Kreis, F. Heise, Leipzig , 1856