Das Verkehrswesen und unsere Straßen

Erarbeitet und zusammengestellt von Rudolf Baumgärtel um 1988

eigene Anmerkungen sind grau hinterlegt

Kemtau wer lange Zeit, wie man heute sagen würde, "verkehrstechnisch wenig erschlossen“. Das mag verschiedene Gründe gehabt haben. Der Hauptgrund wer wohl die etwas abseitige Lage im Quellgebiet eines Nebenbaches der Zwönitz (Quellmuldensiedlung). Dazu kam die Randlage im Herrschaftsgebiet des Einsiedelschen Besitzes und der Umstand, dass der nahe Nachbarort Burkhardtsdorf dem Herrschaftsbereich Neukirchen unterstellt wer. Allerdings gehörte Kemtau jahrhundertelang zum Kirchspiel Burkhardtsdorf, so dass eine Verbindung schon frühzeitig vorhanden gewesen sein muss. Solche Wege müssen auch zum Herrenhaus nach Dittersdorf bzw. zum Rittergut Weißbach bestanden haben, denn dorthin mussten Abgaben geliefert und Frondienste geleistet werden.

Eine freie Landstraße von Stollberg nach Zschopau?

Schloß Zschopau um 1840
Schloß Zschopau um 1840

Aber große verkehrswichtige Straßen haben zunächst nicht durch unseren Ort geführt. Allerdings steht dem die Meinung des ehemaligen Meinersdorfer Pfarrers Klaus Petzold entgegen, der in der im Pfarrhaus Meinersdorf liegenden Chronik "Meinersdorf im Mittelalter" von einer solchen Straße spricht. Es soll um 1656 eine "freie Landstraße" von Stollberg nach Zschopau gegeben haben, auch "Mark"-steig genannt (Grenzsteig? oder Marktsteig?), der von der Burg Stollberg über den Bürgerwald, z. T. den Eisenweg (oder aber den Ort Thalheim) benutzend, Meinersdorf an der Kirche kreuzend dann in Burkhardtsdorf den Kirchsteig entlang und über die Zwönitzbrücke, weiterhin rechtsseitig der Zwönitz nach Kemtau (und zwar den heutigen Oberdorf) und über Weißbach-Schlößchen nach der Burg Zschopau führte. In der Nähe von Kemtau ist davon eigentlich nur noch der Weg, bzw. die Straße über den Kalkofen nach Weißbach auszumachen, es sei denn, man sieht einen ehemaligen Feldweg, der vom Zöpfelsteig nördlich am Kemtauer Felsen vorbei nach dem Lehngericht in Kemtau lief (heute von der LPG eingeackert) als einen weiteren Teil dieser Straße an. Natürlich könnte gerade dieses Stück der Verbindung Burkhardtsdorf - Kemtau auch die heutige Straße über den Dachsberg gewesen sein. Eingezeichnet ist die Straße in den frühen Kartenwerken jedenfalls nicht, weder im Ur-Öder von 1660 noch im Oder-Zimmermann-Riß von etwa 1615. Auch im Oberreitschen Atlas von 1820 ist diese Verbindung über Kemtau nicht festzustellen. Allerdings gibt es einen Hinweis, der Petzolds Annahme etwas stützt, aus dem Jahre 1813. Da berichtet die Burkhardtsdorfer Chronik (“Hofmann“), dass mehrfach österreichische Truppen von Weißbach kommend über Kemtau - Burkhardtsdorf nach Meinersdorf gezogen seien. Überhaupt keinen Hinweis gibt es in den genannten Kartenwerken darauf, dass auf dem heutigen Burgstein ehemals eine Burg zum Schutz dieser Straße bestanden haben soll, wie Petzold annimmt. Der Name taucht auch in keiner Karte als Flurname auf.

So oder so ähnlich könnte diese alte Straßenverbindung verlaufen sein:

Legenden und Realitäten über die Fuhrmannsfamilie Uhlich

Obwohl also Kemtau nicht durch größere Fernverkehrsstraßen begünstigt wer, gab es hier doch eine Fuhrmannsfamilie, die auf den großen Straßen zu Hause wer, die alteingesessene Familie Uhlig. Seit 1552 soll sie dieses Gewerbe betrieben haben, denn immer wieder werden im Burkhardtsdorfer Kirchenbuch Verstorbene aus der Familie Uhlig als “Salzfuhrmann" oder "Landfuhrmann" bezeichnet. 1683 soll ein Michael Uhlig aus dem Türkenlager vor Wien den ersten Bohnenkaffee nach Kemtau und Burkhardtsdorf gebracht haben. Dessen 1749 verstorbenen Sohn Michael (Richter, Bauer und Salzfuhrmann) setzte der Urenkel Carl Friedrich Uhlig (1799-1871) einen Grab-Gedenkstein auf dem Friedhof in Burkhardtsdorf, der heute dort unter Denkmalschutz steht, sein Text lautet:

  • "Bei uns des Lebens Sonne untergeht. An jenen Ort viel heller steht. Ihr Leichentext: Es kann vor Nachts leicht anders werden, als es am frühen Morgen war. - Dieser Denkstein wurde zum liebevollen Andenken des am 25. September 1749 christlich Verstorbenen Michael Uhlig, Gutsbesitzer und Landfuhrmann in Kemtau gesetzt und von seinem Urenkel, dem jetzigen gewesenen Gutsbesitzer und Landfuhrmann Carl Friedrich Uhlig in Kemtau zum Andenken an seine verstorbene Gattin einer geb. Wieland gewidmet. Hier ruhen auch seine sämtlichen Voreltern von 1552. Nur der Glaube an treuliebenden Herzen mildert der Trennung bittere Schmerzen. Hodie mihi, oras tibi! (Heute mir, morgen dir) - Von Wien nach Lüneburg."
Die Jahreszahl 1552 im Zusammenhang mit der Kemtauer Fuhrmannsfamilie Uhlich (die Schreibweise Uhlig gab es erst ab 1815) taucht immer wieder in historischen Betrachtungen auf. Auch die Vorfahren, die auf dem Burkhardtsdorfer Friedhof seit damals ihre Ruhestätte fanden, gehören in das Reich der Legenden. Nachzulesen im Beitrag "Das rätselhafte Denkmal". 

Wie sahen die Straßen damals aus?

Wie damals die Straßen lange Zeit ausgesehen haben mögen, auf denen die Fuhrleute Uhlig ihre Fahrten unternahmen, des zeigt eine im "Codex Diplometicus Saxoniae regiae" wiedergegebene Anordnung. Dort heißt es 1449: "Die 4 Landstraßen von Chemnitz aus sollen beiderseitig vermalet (gekennzeichnet) werden mit Bäumen, Sträuchern, aufgeworfenen Gräben. Sie sollen so breit sein, dass dazwischen 3 geladene Rüstwagen nebeneinander fahren oder einander ausweichen können“. Auch Vorfahrtsregeln gab es damals schon. Sie besagten: "Wagen vor Reiter, Reiter vor Fußgänger; der bergabwärts fahrende Wagen hält oder weicht aus vor dem aufwärts fahrenden."

Ihrem Zustand nach würden wir diese Straßen heute wohl als Feldwege bezeichnen, zum Teil tief ausgefahren, so dass regelrechte Hohlwege entstanden waren, wie z. B. die "Huhle“ - ein Teil der alten Annaberger Straße auf dem südlichen Zwönitzhang hinter Burkhardtsdorf - , die durch starke Regenfälle noch weitergespült wurden. Gefürchtet waren auch die Moraststellen in den Fluss- oder Bachniederungen. Deshalb wurden die Straßen, wenn möglich, auf den Höhen zwischen den Tälern entlang geführt wie der "Eisenweg", der schon 1584 in einer Urkunde erwähnt wird, nördlich und die "Eisenstraße" südlich von Kemtau. Es waren die Transportwege für die schweren Fahrzeuge mit Eisenerz aus den Bergbaugebieten zu den Eisenhütten. Die Täler wurden nur überquert, bei  den Bächen und schmalen Flüsschen auf aufgeschütteten Furten, erst später, so auch in Burkhardtsdorf über die Zwönitz, auf Brücken.

Die Poststraße

Eine Straße, die als häufig befahrener Verkehrsweg durch unser Gebiet führte, entstand erst 1723 mit der Poststraße von Chemnitz nach Annaberg. Einen Teil ihres Verlaufs in Burkhardtsdorf erkennen wir noch in der "Alten Poststraße“. In Burkhardtsdorf stand auch eine Postmeilensäule mit Entfernungsangaben, die heute renoviert in der Nähe der alten Straße aufgerichtet worden ist, und dort, wo die Straße die Besenschänke erreichte, ist ein Viertelmeilenstein zu sehen, der auf die Wiederherstellung wartet. Die Annaberger Straße in ihrem jetzigen Verlauf entstand erst 1839, und in ihrem Burkhardtsdorfer Teil wurde sie ostwärts der alten Straße angelegt, um die steilen Auf- bzw. Abfahrten an den Zwönitzhängen etwas auszugleichen.

Berg- und Talstraßen

Einen "Straßen"zugang zur Annaberger Straße bekamen die Kemtauer erst durch den Ausbau des schon lange bestehenden Weges über den Dachsberg. Dieser Bau im Jahre 1848 diente gleichzeitig der Arbeitsbeschaffung in den damaligen Notjahren (der Tagelohn betrug da für einen Arbeiter 5 Groschen). Wie lange man die Straßenführung im Tal umging, zeigt die Tatsache, dass erst 1853 eine Straße von Zschopau nach Stollberg als Halb-Chaussee angelegt wurde, die teils durch des Zwönitztal führte, also unsere heutige Zwönitztalstraße zwischen Dittersdorf und Burkhardtsdorf.

Diese späten Anlagen bedeuten natürlich nicht, dass es keine Wegeverbindungen zwischen den Orten gegeben hätte. Allerdings sind sie in den alten Rißkarten bis etwa 1700 nicht angegeben. Oft mag es sich dabei um Wege gehandelt haben, die wir heute als "Trampelpfade" bezeichnen würden. Aber wenn z. B. auf den Öder-Zimmermann-Rissen um 1600 vom Ortszentrum so abgelegene Gebäude wie die "Hellmül" (heute Stiefelmühle) und die "Kem(n)etermühl" (heute "Kamerun") angegeben sind, so ist sicher, dass dorthin Wege geführt haben müssen, die sogar befahrbar waren (Mühlen!). Eine Bestätigung geben die Gemeinderechnungen von 1735 und später, in denen von der Reparatur eines "Steges an der Auenmühle" (Stiefelmühle) und vom Dittersdorfer Mühlsteg die Rede ist, wobei letzterer sogar im Zwönitztal entlang geführt haben könnte.

Natürlich hat es auch im Ort selbst Wege gegeben. Anfangs, als nur 7 bis 9 Güter den Ort bildeten, einen Hauptweg, von dem aus die Pfade zu den einzelnen Gütern abzweigten, dann den "Viehweg" (auch 1735 in der Gemeinderechnung belegt), der zum Allgemeinland des Ortes führte, das meist als Viehweide diente und das dann selbst auch oft als "Viehweg“ bezeichnet wurde. Als dann zu Anfang des 18. Jahrhunderts Häusler im Ort siedelten, geschah des außerhalb des ursprünglichen Siedlungsgebietes, der Quellmulde des Dorfbachs, die von den Hüfnern voll in Besitz genommen war, also am mittleren Lauf des Dorfbachs und zwar auf dessen rechten Hang ("Am Hang"). In dieser Zeit oder etwas früher, das ist aus dem vorhandenen Kartenmaterial nicht genau festzustellen, mag auch eine feste Straßenverbindung nach dem Dittersdorfer Herrensitz entstanden sein (Lärchenstraße), die von der weiter oben schon erwähnten Straße nach Weißbach (Liebengasse) abzweigte. 

Die Eisenbahn

Die Wirtschaftsentwicklung wurde begünstigt durch den Bau der Eisenbahnlinie von Chemnitz nach Aue durch das Zwönitztal. Sie wurde am 15. 11. 1875 eröffnet. Ausgangspunkt in Chemnitz wer der heutige Südbahnhof. Der Bau der Strecke dauerte reichlich 2 Jahre, der des Südbahnhofes 11 Monate (mit 600 Arbeitern). 

Es gab aber damals noch keine Station Kemtau (so dass die Benutzung nur von Burkhardtsdorf aus möglich war. Deshalb gingen in dieser Zeit noch viele Kemtauer, die in Chemnitz arbeiteten, zu Fuß zu ihren Arbeitsstellen. Erst am 1. 5. 1908 wurde dann auf Drängen der Unternehmer der Haltepunkt Eibenberg - Kemtau eingerichtet (seit dem 8.10.1939 ist es der Haltepunkt Kemtau), und nun kamen viele Arbeiter, vor allem Frauen, in umgekehrter Richtung aus Chemnitz in unsere Strumpffabriken und Appreturen.

Heute verkehren in beiden Richtungen je 13 Züge, die die Arbeiter zu ihren Betrieben meist aus dem Ort befördern. Ab der Mitte des vorigen Jahrhunderts nahm auch der Postverkehr von und nach Kemtau geregelte Formen an. So gab es seit 1849 eine tägliche Briefzustellung von Chemnitz nach Kemtau und umgekehrt über Burkhardtsdorf, und noch bis Mitte der 1930er Jahre war Kemtau postalisch an Burkhardtsdorf angeschlossen, hatte also kein eigenes Postamt. 

Den ersten Fernsprechanschluss im Ort gab es 1894. Zwar sind seit dieser Zeit noch einige Telefonanschlüsse dazu gekommen, aber keinesfalls so viel, wie es der allgemeinen Entwicklung entspricht. 

Industrialisierung und Autoverkehr

Der Waldweg in den 1950ern
Der Waldweg in den 1950ern

Die heutige Dorfhauptstraße (Gelenauer Straße) ist sicher als letzte große Straße entstanden und besiedelt worden. In früheren Jahren wären die Häuser an ihr durch Hochwasser sehr gefährdet gewesen. Die weiteren heute existierenden Straßen (Südweg, Grüner Weg, Waldweg) bildeten sich im Zuge der kapitalistischen Wirtschaftsentwicklung in der 2.Hälfte des 19. und zu Anfang des 20. Jhdts. heraus, als die Strumpfwirkerei mit ihren Nebenarbeiten fabrikmäßig betrieben wurde. Sie entstanden im Zusammenhang mit dem Bau von Fabrikantenvillen und Häusern von Siedlungsgenossenschaften, zu denen sich besser gestellte Strumpfwirker zusammenschlossen.

Wie es damals um den beginnenden motorisierten Verkehr bestellt war, sollen ein paar Ausschnitte aus alten Bestimmungen zeigen. Heute lächeln wir über diese "Verkehrsordnung".

  • "Es kommt vor, dass gegenüber solchen (Motor-)Fahrzeugen Ausschreitungen geschehen. Dadurch kann Fahrer wie Fahrzeug großen Schaden erleiden. Möge unseren Landbewohnern zur Warnung dienen, dass nach dem Kammergericht zu Berlin diese Fahrzeuge mit anderen Fuhrwerken gleichberechtigt sind."
  • "Die Geschwindigkeit darf bei Dunkelheit des Zeitmaß eines in gestreckten Trabe befindlichen Pferdes nicht überschreiten."
  • “Der Fahrer hat entgegenkommende, zu überholende, in der Fahrtrichtung kreuzende Menschen, auch die Fahrer von Fuhrwerken, Reiter, Radfahrer, Treiber von Vieh durch deutlich hörbares Signal auf des Nahen des Kraftwagens aufmerksam zu machen. Mit dem Signalgeben ist sofort aufzuhören, wenn Pferde oder Tiere dadurch unruhig oder scheu werden. Merkt der Fahrer, dass ein Tier vor dem Kraftwagen scheut, so hat er langsam zu fahren oder anzuhalten." 
  • "Das Auspuffen des Dampfes hat zu unterbleiben!"
  • "Kraftfahrräder dürfen kein Signalhorn führen, sie müssen mit einer helltönenden Warnungsglocke versehen sein."

Wie denn überhaupt die Verkehrsentwicklung den allgemeinen Aufschwung kaum entspricht. Das zeigt einmal die schon lange fehlende Autobusverbindung vom oder zum Ort, dann aber euch der miserable Zustand der Straßen im Ort und durch den Ort, an dem vor allem eine solche Busverbindung scheitert.

Bei diesen Abschlussbemerkungen ist zu bedenken, dass dieser Text zum Ende der DDR entstanden ist.