Die Brüder Max und Franz Pfau kamen 1906 nach Burkhardtsdorf und mieteten die untere Etage einer vorhandenen Fabrik. Sie gründeten in dem Gebäude, das schon eine Strumpf- und eine Nadelfabrik beherbergte, eine eigene Strumpffabrik. Franz Pfau wechselte jedoch Ende 1907 in gutem Einvernehmen nach Kemtau.
Anfang 1909 wurde Max Pfau von seinem Vermieter aufgefordert, das Gebäude zu kaufen oder zu räumen. Er entschied sich zum Kauf eines 1,5 ha großen Gutshofes, der ehemaligen Güntherschen Wirtschaft, in der Eibenberger Straße 25. Dort errichtete er eine neue Strumpffabrik, die er schon Ende 1909 mit 50 Arbeitern in Betrieb nahm.
Links oben im Bild sieht man das Wohnhaus von Kurt Pfau, einem Sohn von Max und Minna. Ganz rechts die Villa Pfau. Links davon das Garagengebäude. Diese drei Häuser sind heute noch vorhanden.
Durch erfolgreiche Arbeit konnte die Strumpffabrik bis zum Ersten Weltkrieg weiter expandieren. Bis 1914 erhöhte sich die Belegschaft auf 150 Arbeiter. Während des 1. Weltkrieges musste die Fabrik allerdings wegen Materialmangels schließen. Die Erfolgsgeschichte setzte sich anschließend fort.
Der endgültige Durchbruch gelang dann mit dem Einsatz der 24-fonturigen Keilfersen-Cottonmaschine der Wirkmaschinenfabrik Gottfried Hilscher aus Chemnitz, die ab 1917 gebaut wurde. So eine Hochleistungsmaschine konnte 24 Strümpfe gleichzeitig herstellen.
1921 gab es für die Strumpffabrik eine völlig neuartige Einrichtung: eine Werksküche, in der auch Obst und Gemüse aus eigener Produktion verarbeitet wurden.
Durch den Ankauf des Geländes der ehemaligen Jahn-Mühle im Jahre 1922 erfolgte der erste Ausbau der Strumpffabrik. Im Gebäude der ehemaligen Mühle befand sich schon eine Anlage zum Merzerisieren der Baumwollgarne, die vom Vorbesitzer 1914 installiert wurde. Dieses kostspielige Verfahren verbesserte die Qualität der verwendeten Garne deutlich und wurde für hochwertige Produkte eingesetzt. Das neue Haus wurde Werk II genannt. Später wurde noch eine Färberei und Bleicherei auf dem gleichen Gelände neu errichtet, das Werk III ging an den Start.
Die nebenstehende Abbildung zeigt die Färberei und die ehemalige Jahn-Mühle im Jahre 1940.
Im Oktober 1925 begab sich Max Pfau auf eine große Reise in die Vereinigten Staaten. Mit dem abgebildeten Dampfschiff, der "George Washington" fuhr er, in einer 1. Klasse Kabine, von Bremen nach New York. Er reiste ohne seine Gattin, was auf eine Geschäftsreise hinwies. Als Ziel der Reise war Burkhardtsdorf angegeben - er würde also nach einen kürzeren Aufenthalt wieder den Rückweg antreten. Der Grund seines Besuches im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ergab sich am 1. Januar 1926, als in der kleinen Stadt Reading im Bundesstaat Pennsylvania, die Firma "Max Pfau Hosiery Mill Inc." offiziell gegründet wurde.
Diese Firmengründung war kein spontaner Entschluss, ihr gingen zwei Jahre Vorbereitungen voraus, wie mehrere Besuche in Reading durch die Pfau's nahelegen:
Oktober 1923 Max Pfau mit Ehefrau und Schwiegersohn Hans Illing und Ehefrau
Juni 1924 Max Pfau und Ehefrau
November 1924 Max Pfau mit Sohn Kurt
Auch der Zeitpunkt war bedacht gewählt, Reading erlebte bis in die 20er Jahre einen enormen Aufschwung. Die Bevölkerung wuchs auf 111.000 Einwohner, danach ging es wieder abwärts (heute 88.000).
Dem Namen nach, handelte es sich nicht um eine Handelsniederlassung, sondern um eine Produktionsstätte für Strümpfe. Darauf deutet auch die Erteilung von mehreren Patenten beim U.S. Patentamt hin. Die Firma befand sich in der 14. Straße im Stadtteil "Mühlenberg". Der deutsche Name deutet auf ein Auswandererviertel hin.
Am 27. August 1927 bestiegen wieder Mitglieder der Familie Pfau ein Schiff in Bremen zur Überfahrt nach New York. Das Schiff hieß "Bremen" und an Bord befand sich Hans Illing, der Schwiegersohn von Max Pfau, mit seiner Frau Elisabeth und ihr 7-jähriges Töchterchen Lore. Sie hatten eine Kajüte II. Klasse gebucht und ihr Reiseziel war Reading, Pennsylvania. Alles deutete auf einen längeren Aufenthalt hin. Um die neue Firma stand es offenbar nicht gut und die Illings sollten sich wohl darum kümmern.
Über die geschäftliche Entwicklung ist zunächst nichts bekannt. Erst im Jahre 1928 taucht der Firmenname wieder in den regionale Zeitungen auf.
Da war Herr Illing immer noch in Reading und die "Max Pfau Hosiery Mill Inc." musste Insolvenz beantragen. In "The Kutztown Patriot" vom 28. Juni 1928 wurde bekanntgegeben, dass Herr Hans Illing und ein John A. Eberling aus Reading zum Insolvenzverwalter eingesetzt sind.
Am 2. Oktober 1928 wird berichtet, dass das Vermögen des Unternehmens von den Konkursverwaltern John A. Eberly und Hans Illing auf 89.812 USD festgelegt wird. Die Verbindlichkeiten belaufen sich auf 112.842 USD. Als Inhaber der Firma wird Max Pfau in Deutschland genannt. Dieser erklärt sich bereit, die Büroausstattung, Werkzeuge und Maschinen des Unternehmens für 20.000 USD zu kaufen und in zwei monatlichen Raten zu zahlen. Der Wert dieser Bestände wird für Büromöbel und Einrichtungsgegenstände auf 350 USD festgesetzt. Die Rohstoffe und Garne auf 2.123,07 USD und die Maschinen und Geräte mit 17.500,44 USD bewertet.
Damit ist wohl das Ende der Firma in Reading, Pennsylvania besiegelt. Ob die Familie Illing nach Burkhardtsdorf zurückkehrte oder für immer in den USA blieben, ist ungewiss.
Das Gebäude gibt es heute noch. Mit einem Klick auf das Bild kann man das Gebäude von allen Seiten besichtigen und einen virtuellen Rundgang durch Reading im Jahre 2019 antreten.
1932/33 erweiterte Max Pfau das Angebot durch die Herstellung von Herrensocken und 1936 begann die Produktion von feinmaschigen Damenstrümpfen.
Ein Jahr vor Beginn des II. Weltkrieges gab es noch ein erfreuliches Ereignis bei den Pfau's. Am 15. August 1938 unternahm Kurt Pfau, der älteste Sohn Max Pfaus, mit seiner Frau Margot eine "Mittelmeerkreuzfahrt", wie man heute sagen würde. Seine Frau war damals gerade 21 Jahre alt und 15 Jahre jünger als Kurt. Vermutlich war das ihre Hochzeitsreise auf der "General Steuben".
Kurt Pfau arbeitete 1938 als Stellvertreter des Betriebsführers, kaufmännischer und technischer Leiter. In dem Jahrzehnt vor dem Zweiten Weltkrieg erreichte das Unternehmen seinen wirtschaftlichen Höhepunkt. Die Zahl der Beschäftigten Arbeitskräfte betrug zeitweilig bis zu 800. Die Produktion war voll ausgelastet und die Produkte mit dem Warenzeichen "Pfauenmarke" weltweit anerkannt.
Mit Beginn des Krieges 1939 wurde die Situation schlechter. Die Materialbeschaffung wurde schwieriger und die männlichen Arbeitskräfte wurden zum Militärdienst eingezogen. Im weiteren Verlauf verschlimmerte sich die Situation und es kam zu Betriebsstilllegungen. Auch im Großraum Chemnitz-Zwickau hatten nach einem Erlass im Januar 1943 schon 280 Betriebe, darunter auch viele Strumpffabriken, Stilllegungsbescheide erhalten. Dadurch sollten Arbeitskräfte für die Rüstungsindustrie freigestellt und Energie gespart werden. Um wenigstens teilweise weiterarbeiten zu können, wurden immer wieder offizielle Anträge auf die Genehmigung von Auskämmungen gestellt. Dabei wurde nicht die gesamte Belegschaft zur Arbeit in einem kriegswichtigen Betrieb versetzt, sondern nur die geeigneten Arbeiter ausgewählt. Die Anderen durften weiter arbeiten.
Anfang 1944 kam es auf Grund der Bombardierungen der Industriestandorte eine Umkehrung der Bewegung. Waren es ein Jahr zuvor die Arbeiter, die in die Rüstungsbetriebe geschickt wurden, kam es nun zur Verlagerung der Produktion samt Menschen und Maschinen von den Städten in die stillgelegten Fabriken. Auch die in Chemnitz ansässige Auto Union AG nutzte diese Möglichkeit. "In der Endphase des Zweiten Weltkriegs mußten zahlreiche Fertigungszweige zum Schutz vor Fliegerangriffen in stillgelegte Textilfabriken im Zschopauer Umland ausgelagert werden, insbesondere nach Marienberg, Waldkirchen, Gornau und Burkhardtsdorf." (2)
Am 1. Februar 1944 wurde ein Mietvertrag abgeschlossen mit dem Ziel der Teilverlagerung der ZVA zur Strumpffabrik Max Pfau (Burkhardtsdorf). Die ZVA war die Zentrale Versuchsanstalt der Auto Union AG für alle 4 Chemnitzer Werke. Auch die Strumpffabriken Gustav Frische und Rudolf Drechsel wurden in die Verlagerung einbezogen. Auch die Wanderer Werke AG in Siegmar-Schönau verlagerte Teile der Produktion in das Erdgeschoß der Strumpffabrik Pfau wie aus einer Archivalie des Sächsischen Staatsarchiv's mit dem Titel "Verlagerung von Teilen der Wehrmachtsfertigung zur Firma Max Pfau, Burkhardtsdorf, Abrechnungen und Abwicklung des Verlagerungsbetriebes" hervorgeht. (3)
Am 14. Februar 1945 wurde Burkhardtsdorf bombardiert und viele Gebäude zerstört. Dazu gehörte auch das Gebäude der ehemaligen Jahn-Mühle, das zur Strumpffabrik gehörte. Die Abbildung zeigt die Ruine des ehemaligen Werk II, das abgerissen werden musste. Die Strumpffabrik selbst wurde nicht getroffen. Auch die Färberei und Bleicherei (Werk III) blieb erhalten.
Der Angriff durch britische Bomberbesatzungen galt nicht Burkhardtsdorf sondern Chemnitz. Die Stadt sollte ein ähnliches Inferno erleben wie tags zuvor Dresden. Durch das schlechte Wetter an diesem Tag wurde das Stadtzentrum jedoch verfehlt und dafür die Vororte im Süden von Chemnitz getroffen.
Nach Kriegsende begannen ab August 1945 im Rahmen von Reparationszahlungen im großen Stil Demontagen von Produktionsbetrieben. Auf Grund der hohen Kriegsschäden in der Sowjetunion war die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) am stärksten betroffen. Auch die Chemnitzer Werke der Auto Union AG wurden Demontiert und die Maschinen in die Sowjetunion transportiert. Im SBZ Archiv Band 11 wird nach den Auto Union Hauptwerken auch "Auto-Union AG., Zweigwerk Burkhardtsdorf (Fa. Max Pfau und Gustav Frische) Demontage zu 100 %" (4) auf.
Fünf Monate nach Kriegsende wurde in der Sowjetischen Besatzungszone eine Bodenreform durchgeführt. Dabei wurden alle Großgrundbesitzer mit mehr als 100 ha Grundbesitz enteignet. Max Pfau besaß zwar in Burkhardtsdorf am Mühlweg 1 nur 16 ha Land, hatte aber noch 100 ha bei Leipzig. Somit erhielt auch er am 10. November 1945 eine Mitteilung von seiner Enteignung. Alle seine Versuche dagegen vorzugehen scheiterten. Ihm blieb nur das zerbombte Werk II und die Färberei mit Bleicherei.
Im Gegensatz zu den großen Industriebetrieben wurde die Strumpffabrik Pfau nicht sofort verstaatlicht. Die Pfau's konnten wieder Strümpfe produzieren.
Ende der 40er Jahre stellte Max Pfau einen Bauantrag zum Wiederaufbau der ehemaligen Jahnmühle, der ihm am 24. Januar 1949 genehmigt wurde. Dazu kam es jedoch nicht mehr. Im April des Jahres ereilte ihn ein neuer Schicksalsschlag, sein Frau Minna verstarb. Auch Max selbst war nun am Ende, am 22. Juni erlag er einem Herzinfarkt. Die Strumpffabrik wurde nun von seinem Sohn Kurt weiterbetrieben.
1952 wurde Kurt Pfau enteignet und die Fabrik wird Treuhandbetrieb unter Leitung von Hans Lasch. Unter dem Namen Max Pfau KG werden in der DDR weiter Strümpfe produziert. 1972 erfolgte die Überführung der restlichen privaten und halbstaatlichen Betriebe in Staatseigentum. Mit diesem Schritt sollten auch die ehemaligen Firmennamen verschwinden. Die Strumpffabrik hieß nun VEB Kinderstrumpffabrik Burkhardtsdorf.
Irgendwann wurde der Betrieb eingestellt und in den 1990er Jahren die Fabrik abgerissen.
Ein noch erhaltenes Gebäude der einstigen Färberei gehört heute zu einem Gewerbepark in der Mühlstraße 1.
In der Eibenberger Straße erinnert nur noch ein leerer Platz an den Standort der Strumpffabrik von Max Pfau. Das Garagengebäude und die Villa der Familie Pfau stehen noch.
(1) Kooperation und Effizienz im Dienste des Eroberungskrieges, Silke Schuhmann, Vandenhoeck & Ruprecht, 2016
(2) Findbuch Auto Union AG, Martin Kukowski, Mitteldeutscher Verlag, 2000
(3) Sächsisches Staatsarchiv, 31030 Wanderer-Werke AG, Siegmar-Schönau, Nr. 950
(4) SBZ-Archiv Band 11, Verlag Kiepenheuer und Witsch, 1960
(5) Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung: aus Reden und Aufsätzen, Band 3, Walter Ulbricht, Dietz, 1956