Fasnacht (Fasching) in Eibenberg Anfang der 1950er Jahre

 

Nachdem Weihnachten und Neujahr der Vergangenheit angehörten, begannen wir im Januar mit unseren Vorbereitungen auf Fasnacht.

 

Das wichtigste war dabei, als was wir uns verkleiden wollten. Als wir einmal einen Schulfreund fragten „H., was willst du zu Fasnacht machen?“, kam prompt die Antwort: „Kaubold!“ Das gab natürlich ein großes Gelächter.

 

Wir versuchten auch, Doppelungen zu vermeiden. Stets dabei waren:

 

               (Jungs): Indianer, Trapper, Cowboys, Piraten, Toreros, Räuber, Matrosen, Jäger,              

               (Mädels): Königinnen, Hexen, Prinzessinnen, Rotkäppchen, Engel,

 

Da man kaum Kostümteile kaufen konnte, mussten die Stücke gesucht und ggf. selbst angefertigt oder angepasst werden. Es gab vielleicht Kopfbedeckungen aus Pappe und Papplarven. Meine Großmutter hatte auf dem Dachboden eine große „Kitteltruhe“. Das war eine gute Hilfe.

 

Als der ersehnte Tag dann gekommen war, verkleideten wir uns und gingen (ohne Schulranzen) normal zur Schule. Der Direktor hatte vorgesorgt und beim Kreis einen Vorführapparat für Schmalfilme sowie entsprechende Filme ausgeliehen. Voller Spannung waren im Zimmer 1 alle Klassen versammelt. Es war brechend voll. Wir wurden dadurch vom Anstellen irgendeines Blödsinns abgelenkt. Es machte uns auch nichts aus, dass die Filme schon arg verschlissen waren. An folgende Stummfilme kann ich erinnern:

 

               „Der Wolf und die sieben Geißlein“, „Stadtmaus und Feldmaus“,

 

               „Von Einem, der auszog, das Gruseln zu lernen“, „Rotkäppchen und der Wolf“

 

Es gab auch einige Veranstaltungen im Kemtauer Gasthof. Der Saal war für die Erwachsenen schon schön dekoriert. Dafür waren unter der Regie des Roscher-Zahnarztes eine Reihe Kemtauer Einwohner aktiv. Zu den Festen für uns Kinder wurden auch die schönsten Kostümierungen prämiert. Die Preise waren kleine Naschereien und gut zu gebrauchende Schulsachen (Farbstifte, Hefte, Federkästchen, Farbkästen etc.).

 

Nach dem Mittag haben wir Eibenberger uns stets alle bei der Milchbank im Niederdorf am Langer-Gut getroffen. Es ging darum, das sich anschließende Hausieren vorzubereiten. Dabei wurde auch ausgemacht, welchen Spruch jeder aufsagen sollte. Folgende sind mir in Erinnerung:

 

Heit is Fosend, heit is Ball. Heit is iwerall Krawall. Heit is Lust on heit ist Labn. Drim müsst’r mir a e Krabbel (Krapfen, Pfannkuchen) gabn.

 

Ich bi dr klenne König. Gabbt mr ne ze wenig. Losst mich ne ze lange stieh, will noch paar Heiser wedder gieh.

 

Ich bi dr klenne Klun on wess ne, wu ich wuhn. Drim müsst’r mir wos gabn. Sist namm ich mir es Labn.

 

Ich bi dr klenne Humplpumpl on hannl mit Zigarrenstumpl. Ich laaf de Stroß schu auf un ab, awer kenner kaaft mr’n Stumpel ab.

 

Ich bi dr klenne Zwerg on wuhn uum off’n Berg. 

 

Sobald die Besprechung beendet war, schwärmte die Meute aus. Jeder hatte auch einen kleinen Beutel zur Aufbewahrung der „Spenden“ dabei.

 

Zuerst stürmten wir in das kleine Lebensmittelgeschäft von Ella Mehner. Ella hatte uns schon erwartet, da sie ja durch ihr Schaufenster die Milchbank im Blick hatte. Der kleine Laden war brechend voller Narren. Sie legte großen Wert darauf, dass jeder seinen Spruch hersagte. Dann holte sie mit einer Schaufel für alle einige Bonbons aus den über einander stehenden Bonbongläsern.

 

Unsere Route führte uns den Wiesenweg entlang. Zuerst machten wir beim Kinder Annel halt. Sie hielt meistens ein paar Kekse für uns bereit. Im letzten Bauerngütchen rechts wartete aber schon die Hertel Alma auf uns. Sie freute sich über unseren Besuch, denn bis hier an den Ortsrand verirrte sich kaum mal jemand. Auf dem Tisch stand schon ein Korb Äpfel aus dem Bauerngarten bereit. Die Sprüche mussten jedoch aufgesagt werden. Danach verteilte Alma das Obst. Es waren stets die „Renetten“ dabei, weil diese jetzt erst reif waren.

 

Nun ging es den Wiesenweg wieder zurück und unsere nächste Station war eine Einkehr bei Reuters Restaurant. Wir nahmen in der Gaststube Platz. Auf das Hersagen der Sprüche legten die Uhligs keinen Wert. Genüsslich tranken wir die uns kredenzte Fassbrause. Manchmal bekamen wir jeder auch noch einen Apfel aus eigener Ernte.

 

Weiter ging es zum schräg gegenüber liegenden Graube-Bäck. Der kleine Verkaufsraum war wieder von uns total überfüllt. Nachdem die Sprüche aufgesagt waren, erhielt jeder ein Krabbl (Krapfen).Das wanderte erst einmal in den Beutel.

 

Ein Stückchen dorfaufwärts statteten wir dem Hirsch-Fleischer einen Besuch ab. Die Hirsch-Fleischer‘n verzichtete nicht auf das Aufsagen unserer Verse. Zum Dank bekam jeder Narr ein Stückchen Wurst. Frau Hirsch verteilte auch noch Semmeln dazu. Die meisten von uns stärkten sich auf der Stelle mit dem Wurst-Brötchen.

 

Der Beutezug führte uns in das gegenüber liegende Lebensmittel-Geschäft von Elsbeth Fritsche. Wir wussten, dass diese uns recht schnell wieder verabschieden wollte. Deshalb hatte sie eine Anzahl Rollen „Pfeffi“ für uns bereit liegen. Wir steckten sie ein und machten, dass wir weiterkamen.

 

Vor der Verkaufsstelle des KONSUM machten wir auch nicht Halt. Der Richter, Max hatte als Leiter stets ein Herz für uns Kinder. Wahrscheinlich bezahlte er die an uns verschenkten Rollen Drops aus eigener Tasche.

 

In der Regel endete hier der Beutezug. Wir besetzten die am Konsum stehende Milchbank und begutachteten die erhaltenen Gaben.

 

Wenn die Dämmerung eingetreten war, zogen wir durch das Dorf, um bestimmte Leute etwas zu ärgern. Da wurden einige Klingelknöpfe mit Heftpflaster zugeklebt und (wenn wir welche aufgetrieben hatten) Knallerbsen in die Flure geworfen.

 

Auf unserer Liste stand immer der alte Franz-Schmied. Wir hatten das Gefühl, dass er nicht gerade kinderfreundlich war. Fast nur für ihn haben wir stets aus alten Rollfilmen und Zeitungspapier ordentlich wirkende Stinkbomben gebastelt. Sie wurden angezündet und als sie schön qualmten wanderten sie durch den Schlitz des Briefkastens in den Hausflur beim Schmied. Dann hieß es: Abhauen!!!

 

Man wird heute über diese Begebenheiten lächeln. Für uns Kinder war es damals ein großes Vergnügen und wir warteten schon auf den Tag der Fasnacht des nächsten Jahres.

              

                                                                                                                      Jürgen Claußner Februar2018