Das Vogelstellen im Herbste

Achtung, die Vogeljagd ist seit dem Jahr 1908 in Deutschland verboten - also nicht nachmachen!. Die folgenden Beschreibungen stammen von einem frühen "Tourist" aus dem Jahre 1809 als der Tierschutz noch in den Kinderschuhen steckte.


Es ist nicht zu berechnen, welch eine Menge Vögel, und meistens Krametsvögel (alter Name für Wacholderdrossel), alljährlich nur im oberen Erzgebirge auf allerlei Art und Weise gefangen wird, und der Vogelsang selbst macht ein vorzügliches Vergnügen des Erzgebirgers aus. Um Michaelis (29. September) geht gewöhnlich das Vogelstellen an und ich werde hier alle die verschiedenen Arten des Fanges aufzählen und beschreiben.


Das Blaukehlchen (www.lexikus.de)
Das Blaukehlchen (www.lexikus.de)

Um kleine Vögel, meistenteils Rot- oder Blaukehlchen, zu fangen, bedient man sich der Tränke. Zur Zeit, wenn kleine Bäche früh schon ein wenig zu gefrieren, sucht man in einem nahen Waldtale einen solchen kleinen Bach, deren es viele gibt. Diesen bedeckt man nun eine große Strecke weit mit dichtem Fichten- und Tannenreisig, läßt aber hier und da kleine Lücken, daß das Wasser hervor blinkt, und bringt darin viereckige Rahmen von dünnen Brettchen an, worin man Leimruten fest steckt. Dieses Alles bereitet man gegen Abend vor und geht dann wieder fort.

Früh Morgens fliegen nun die kleinen Vögel umher und wollen trinken, aber die Bäche sind gefroren; so kommen sie endlich durstig an unseren Graben, welcher durch das dicht überdeckte Reisig für Frost gesichert ist. Lange hüpfen sie herum, bis sie endlich an die Lücken kommen, wo die Leimruten stecken, worauf sie sich setzen und trinken, für diese Bequemlichkeit aber ihre Freiheit und gewöhnlich ihr Leben hingeben müssen. Den Nachmittags geht man hin und nimmt die schreienden und flatternden Gefangenen ab, wobei man manches Vergnügen hat. 


Der Stieglitz (www.lexikus.de)
Der Stieglitz (www.lexikus.de)

Um Stieglitze und Hänflinge zu fangen, hat man eigene, kleine Heerde (Fangplatz, an dem verschiedene Vögel gefangen wurden) , wo der sogenannte Strauch (Ausdruck aus der kleinen Jagd) aus dürren Disteln besteht, dessen Samen jene Vögel gern fressen; sie gehen häufig darauf, wo denn plötzlich über sie ein Netz springt und sie fängt. Die Erzgebirger halten, so wie die Harzbewohner, sehr viel auf Sing- und Stubenvögel, wenden oft den letzten Groschen dafür an und sind meistens ganz leidenschaftlich für manche Arten Vögel eingenommen. So findet man in der Stube des ärmsten Bergmanns doch immer gewöhnlich ein halbes Dutzend lebendiger Vögel, worunter die beliebtesten und allgemeinsten folgende sind: 1) der Reitzufink (Fink mit speziellen regional typischen Gesang - Finkenschlag), 2) der Stieglitz, 3) der Hänfling, 4) die Lerche, 5) der Zeisig, 6) der Quäcker (Bergfink), 7) die Zippe (Zippdrossel, Singdrossel), 8) der Grünschling (Goldammer), 9) der Gimpel und andere mehr. In Schönhaide ist das Vogelstellen, vorzüglich auf Feld- und Heidelerchen, einheimisch. 


Der Teufel mit einem Kloben auf einer alten Radierung
Der Teufel mit einem Kloben auf einer alten Radierung

Der Vogelfang mit Leimruten ist bekannt. Aber weniger und fast gar nicht werden die Kloben (gespaltener Stock, der als Fußfessel dient) bekannt sein. Welche Art, die Vögel zu fangen, der übrigens verdienstvolle Oberförster Mirus in Jahnsgrün erfunden hat, wovon auch eine Abbildung und Beschreibung im Jagdkalender für das Jahr (wenn ich nicht irre) 1798 zu sehen und zu lesen ist. - Früh vor Tages geht man auf den Klobenheerd; hier steht eine mit grünem Reisig überdeckte Hütte, um welche nicht weit davon in einem halben Kreise eine Anzahl hoher, oben mit einigen wenigen Ästen versehener, Stangen steht, worauf die Kloben, welche wie hervorragende Äste aussehen, angebracht sind. Unten gehen von jeder Stange Schnüre herein in die Hütte; so wie nun auf irgend dem Kloben einer solchen Stange man Vögel sitzen sieht, sucht man, die wie vielte Nummer die Stange sei und faßt die dahin gehende Schnur; ruckt ein wenig und plötzlich schreit oben auf dem Kloben der mit den Beinen gefangene Vogel. Man läßt die Stange nieder, nimmt die Vögel aus und stellt wieder auf. Ich würde gerne einen solchen Kloben hier näher beschreiben; aber teils gehört dieses nicht hier her, teils kann man sich aus der schweren Beschreibung desselben keine deutliche Vorstellung machen, besser ists, wenn man Alles selbst sehen kann.


Vogelheerd Quelle: www.art-wallpaper.com
Vogelheerd Quelle: www.art-wallpaper.com

So künstlich und sicher auch dieser Vogelfang ist, so gefallen mir doch die großen Heerde (Fangplätze) mit Schlagnetzen weit besser und schöner. Früh um drei, vier Uhr zieht man fort, mit einer Laterne und mit Lebensmitteln versehen. Man kommt in der Hütte an; hier wird mit Kohlen der kleine Ofen geheizt und Wasser nebst Milch zum Kaffee zugesetzt, während der Vogensteller die Lockvögel füttert und aushängt und die Netze aufspannt. Während dessen kommt die Morgenröte schon ein wenig und, da solche Vogelheerde meistenteils auf Bergen zwischen dem Walde liegen, so ist es dann ein herrlicher Anblick, wenn die Sonne aufgeht und nun Alles lebendig im Walde wird, so wie auch die vielen Lockvögel nun an zu singen fangen. Jetzt muss man ruhig sein, der Kaffe ist auch fertig geworden und man trinkt, raucht ein Pfeifchen und gibt acht, wo es Vögel gibt. Man kann durch Spalten und kleine Fensterchen zu allen Seiten der Hütte hinaus sehen. So wie dann ein Schwarm Vögel heran und in den mit Beeren geschmückten Strauch gefahren ist, wird mit einem Ruck plötzlich das große Netz zugezogen und wer da ist, muß nun eine dabei liegende Rute ergreifen und die gefangenen Vögel in die Zipfel des Netzes treiben, wo man sie leichter heraus nehmen kann.

In anderen Gegenden sticht man, um den Vogel zu töten, ihm eine Feder durch den Kopf; welch ein grausamer Tod! Der obererzgebirgische Vogelsteller hat einen besseren Vorteil; er weiß nämlich auf dem Rücken des Vogels einen kleinen Knochen, welchen er geschickt schnell zerdrückt, daß der Vogel kein Glied mehr zuckt. Dies geht sehr schnell und ein Schock (5 Dutzend = 60 Stück) Vögel drückt er so in wenig Minuten tot.

Übrigens hat es mir recht sehr auf diesen Vogelheerden gefallen, es ist so heimlich und traulich daselbst, daß man sich Mittags ungern trennt. Freilich es kommt viel auf die Gesellschaft an, in welcher man sich befindet; ich war in sehr lustiger Gesellschaft und erinnere mich noch mancher lächerlicher Szenen und Geschichten, welche auf solchen Vogelheerden vorfielen. Es gibt der Vogelheerde sehr viele im oberen Erzgebirge, besonders an der Grenze.


Eine Wacholderdrossel früher Kametsvogel
Eine Wacholderdrossel früher Kametsvogel

Endlich durch den Dohnenstrich (aneinandergereihte Krammetsvogelfallen) fängt man auch Vögel in Menge und im Herbste kann man immer und wohlfeile gebratene Krametsvögel (Wacholderdrosseln) essen und niederländische (aus dem Flachland) Leckerbissen im Gebirge ganz gewöhnlich antreffen.

Rezept: 

„Die Krammetsvögel werden gerupft, die Haut vom Kopf gezogen, gesengt, der Darm durch die Afteröffnung entfernt. Dann wäscht man die Vögel, sticht die Augen aus, schlägt die Krallen von den Füßen, biegt den Kopf über die Brust und steckt die Füße über Kreuz durch die Augenhöhlen. Die Vögel werden mit Salz und einigen gestoßenen Wacholderbeeren eingerieben. Hierauf macht man Butter in einer Pfanne hellbraun, etwa ½ Eßlöffel für eine Drossel, und bratet die Vögel unter öffteren Umwenden etwa in einer halben Stunde gar. Zur Sauce gießt man etwas Wasser hinzu. Die Vögel werden nicht ausgenommen. Man kann die Krammetsvögel auf gerösteten Semmelnscheiben anrichten und Sauerkohl dazu geben.“

aus: Kochbuch der ostpreußischen Haushaltschule Königsberg 1911

Dohnen
Dohnen

Dohnen sind Schlingen aus Pferdehaaren, die zum Fang von Vögeln in gebogenen Bügeln befestigt sind.



Von der Vogelliebhaberei im Erzgebirge

Des Erzgebirgers tief inniges Gemüt und seine Neigung für Gesang und Musik lässt die weit ausgebreitete Liebhaberei für die gefiederten Sänger erklärlich erscheinen. Man mag dieses bescheidene Fleckchen deutscher Erde nach jeder Richtung hin durchwandern, so wird man selten ein Häuschen antreffen, in dem nicht wenigstens ein Singvogel zu finden wäre. Hier findet man ein inniges, liebevolles Verhältnis zwischen Mensch und Vogel. Wenn bei der Anspruchslosigkeit der ärmeren Bewohner des Erzgebirges oft zwei, nicht selten drei Familien im engen Stübchen friedlich bei einander wohnen, so hat man doch immer noch Raum genug, um einen  Käfig anzubringen; selbst unten an dem Ofen und an der Ofenbank hat man solchen mittels eines einfachen Gitters hergestellt. Man kann aber auch Finken, Meisen oder Ammern frei im Zimmer umherhüpfen sehen. Der Erzgebirger hat seine Lieblinge, hauptsächlich Hänfling, Zeisig, Stieglitz, Edelfink, Kreuzschnabel (oder Krünitz, Grinitz) und Gimpel.

Im oberen Gebirge, von der voigtländischen Grenze an bis zum Sandsteingebirge, wurde in früheren Zeiten das Vogelstellen mit Leidenschaft betrieben; auf kleinen und großen Heerden, auf dem Leim und im Meisenkasten, sowie im Winter und Frühjahr auf dem Naschheerde. Köhler, Holzhauer und Stockröder umstellten ihre Werkplätze fast immer mit Lockvögeln, und wenn der Winter kommt, so richten sie Gimpel und Finken ab und verkaufen sie in den Niederlanden (Flachland).

Auf der Vogeljagd
Auf der Vogeljagd

Man ist ungemein im Erzgebirge für den Vogelfang eingenommen, kleine Jungen sogar sieht man häufig mit einer Klette, worauf Leimruten stecken, nebst zwei oder drei Lockvögel aufstellen. Das Forstdepartement eifert zwar sehr darüber, aber die geplagten Forstbedienten können nicht überall sehen und sein. das Geschlecht der Vögel stirbt darum nicht aus, sonst müßte es jetzt weniger derselben geben, als sonst und dieses kann wohl Niemand beweisen. Übrigens kommt die viele Waldung und die Menge der Wacholder- und Eibischbeeren dem obererzgebirgischen Vogelfange sehr zu statten.