Gasthof zur Sonne - Am Markt 2

Gasthof zur Sonne 1907
Gasthof zur Sonne 1907

Der Gasthof “Zur Sonne” wurde 1674 erbaut und ist eines der ältesten Gebäude von Burkhardtsdorf. Die nebenstehende Ansichtskarte zeigt den Gasthof zur Sonne zu seiner Blütezeit Anfang des vorigen Jahrhunderts. 

Restaurant-Anzeige von 1894 (4)
Restaurant-Anzeige von 1894 (4)

Um 1894 gehörte die Sonne Hermann Scheibner.

Diese Anzeige von 1897 ist aus der Burkhardtsdorfer Zeitung.

Das 1. Ulanen-Regiment Nr. 17 war in Oschatz stationiert. Wer auf die Oschatzer Ansichtskarte klickt, kann sich anhören, wie das damals klang.

Foto: Bildarchiv Gemeinde Burkhardtsdorf
Foto: Bildarchiv Gemeinde Burkhardtsdorf

Das Foto zeigt die "Sonne" um 1905 und Bruno Lorenz war der Eigentümer.

Im Winter 1909

An dieser Stelle sollen die Monate Januar und Februar 1909 stellvertretend demonstrieren, mit wie viel Aufwand in den damaligen Gasthöfen die Gäste umworben wurden. Die Werbeanzeigen sind aus zwei Ausgaben der Burkhardtsdorfer Zeitung vom Januar und Februar 1909.

Die Wirtsleute Delling ließen sich für ihre Gäste etwas einfallen. Schlachtfeste und Bockbierfeste waren damals im Winter, wegen des deftigen Essens sehr beliebt. Der heute wieder zelebrierte Kappenball hieß damals Kappenpolonaise und lockte sicher viele Karnevalisten zu ausgelassenen Abenden in die Gaststube.

Wer nicht nur die Polonaise tanzen wollte und noch eine Auffrischung seiner Tanzkünste benötigte, konnte sich Tanzlehrer Ludwig Schlegel anvertrauen. Er brachte der Dorfjugend, musikalisch von seiner Frau Milda auf dem Leierkasten begleitet, die neuesten Tänze bei. Die Schlegels waren über Jahrzehnte eine feste Institution in Burkhardtsdorf.

Nach all diesen Ausschweifungen, wurde es am 31. Januar wieder ernst. Schließlich war Seine Majestät, der Kaiser eben erst 50 geworden, daran musste auch gedacht werden.

Am Sonntag darauf, den 7. Februar, sorgte der Erzgebirgsverein schon für einen weiteren kulturellen Höhepunkt (die Burkhardtsdorfer Zeitung berichtete):

"Vielfachen Wünschen nachkommend, wird der hiesige Erzgebirgsverein das mit so großem Beifall aufgenommene Heimat-Festspiel "Heimkehr"  Sonntag den 7. Februar nochmals zur Aufführung bringen, und zwar nachmittags 4 Uhr im Gasthof Sonne. Diese Familienvorstellung wird sich hoffentlich eines gleich guten Besuchs erfreuen wie die früheren, was in Anbetracht des guten Zweckes auch sehr zu wünschen wäre."

Aber noch war der Februar nicht vorüber, eine besondere Attraktion stand noch aus:

Kaiserpanorama

(Photographische Momentaufnahmen von Landschafts- und Städtereisen)

>>> im Gasthof Sonne <<<

in den hinteren Räumlichkeiten 

des Ladens von Lohs und Mauersberger,

Eingang gegenüber des Herrn Tischlermeisters Pilz.

Diese Woche bis incl. Sonnabend den

27. Februar eine Reise in die Schweiz,

nach Luzern, den herrlichen Vierwaldstättersee

mit der Besteigung vom Rigi und Pilatus. Großartig!

Vollständiger Reise-Ersatz! Eintritt für Erwachsene 20 Pfg., Kinder 10 Pfg.

Geöffnet täglich von 3-10 Uhr abends.

Kleines Kaiserpanorama Quelle: Wikipedia
Kleines Kaiserpanorama Quelle: Wikipedia

Bei dem Begriff Kaiserpanorama könnte man vermuten, dass es um die Glorifizierung des amtierenden Kaisers ging - dem war aber nicht so.  Solche Kaiserpanoramen entstanden um das Jahr 1900 und man könnte es ein populäres Massenmedium nennen. Dabei konnten bis zu 25 Personen gleichzeitig stereoskopische Bilderserien durch ein Guckloch ansehen. Gezeigt wurde ein Blick in die weite Welt mit exotischen und für den Normalbürger unerschwinglichen Reisezielen und Landschaften. In der abgebildeten zylindrischen Holzvertäfelung wurden Bildserien in 3D präsentiert. Die Vorführung dauerte etwa eine halbe Stunde und jeder zahlende Gast erhielt eine feste Platznummer. 

Für den Gastwirt lohnte sich die Bereitstellung von Räumlichkeiten für diese Darbietungen, kehrte doch sicher so mancher Familienvater mit Gattin und Kindern noch in der Gaststube ein.

Das auch in der "Sonne" viele Besucher kamen zeigt dieser Artikel:

"Burkhardtsdorf, den 27.Februar 1909. Im Kaiserpanorama (Gasthof zur Sonne im Anbau) geht heute Sonnabend die schöne Alpenreise nach der Schweiz zu Ende. Von morgen Sonntag ab erscheint eine Reise nach der durch Schönheit weltberühmten Riviera, worauf wir unseren geschätzten Leserkreis ergebenst aufmerksam machen. Bemerken wollen wir noch, daß der Besitzer dieses Unternehmens mit allen Großstädten Deutschlands in Verbindung steht und stets nur das Beste und Schönste zur Darstellung bringt. Möge der kein Opfer scheuende Besitzer dieses Unternehmens durch fleißigen Besuch unterstützt werden."

Die "Sonne" ca. 1920
Die "Sonne" ca. 1920

Im Jahre 1912, kurz vor den Pfingstfeiertagen, verkaufte Oskar Delling den Gasthof zur Sonne an seinen langjährigen Angestellten Walter Müller.

Die DDR-Zeit

Wie es in den 1950er Jahren im Tanzsaal der "Sonne" zuging beschreibt uns Herr Jürgen Claußner aus Eibenberg: "Unser Stamm-Tanzsaal war die „Sonne“ in Burkhardtsdorf. Dort war immer Sonntags Tanz und wir hatten stets den selben für uns vom Kellner Arthur reservierten Tisch. Sonnabends sind wir immer wo anders gewesen zum Beispiel hier. Es kam auch darauf an, welche Kapelle wo spielte". Zwischen den Eibenbergern und den Kemtauern gab es damals einigen Zwist, wobei die Kemtauer Jugendlichen wohl ziemlich rabiat  waren, wie das Lied der Kemtauer Kerle beweist. Dazu noch einmal Herr Claußner: "Von uns Eibenbergern wurde es nie gesungen. Die Gräben zwischen Eibenberg und Kemtau waren immer tief. Die Zwangs-Eingemeindung nach Kemtau 1935 hatte politische Gründe. Eibenberg hatte im Gemeinderat stets eine rote Mehrheit, während Kemtau schwarz-braun regiert wurde. Eibenberg hatte auch viel mehr Einwohner. Beide Orte hatten eine völlig abweichende Geschichte. Es gab, außer des gemeinsamen Haltepunktes, kaum Beziehungen. Kemtau orientierte sich nach Burkhardtsdorf und Eibenberg nach Einsiedel. Die Kluft zwischen den Ortsteilen ist auch heute noch deutlich spürbar. Uns gefiel auch der Text mit der Keilerei nicht. Wir haben stets mit einer lauten Zeremonie des „Stiefel-Trinkens“ in der „Sonne“ Aufmerksamkeit gehabt"


HO Gasthof zur Sonne ca. 1960
HO Gasthof zur Sonne ca. 1960

Das Gastaus zu Sonne in Burkhardtsdorf habe ich aus meinen Kindertagen in den 1960er Jahren in guter Erinnerung. Damals war die "Sonne" das erste Haus am Platz. Wir waren dort oft mit allen Verwandten und Bekannten zum Mittagessen, was zu DDR-Zeiten nicht so einfach war. Die "Sonne" war jedoch recht groß und man fand auch am Wochenende einen freien Tisch. Das Lokal war ein typischer Dorfgasthof mit einem Tanzsaal im oberen Stock. Über den Eingang an der Straßenseite gelangte man in einen Vorraum. Von dort ging eine Treppe in den oberen Saal und unten waren die Toiletten. Nach rechts ging es in die Gaststätte. Im ersten Raum befand sich links der Tresen und ein paar 4er Tische. Geradeaus folgte der angebaute Speiseraum. 

Von dort hatte man einen schönen Blick auf den zentralen Verkehrsknotenpunkt von Burkhardtsdorf. Der Gasthof zur Sonne war eine HO-Gaststätte (HO - Handelsorganisation) und deshalb etwas besser versorgt, als eine staatliche Gaststätte. Private Lokale waren selten. Ich kann mich erinnern, dass es in der "Sonne" mein damaliges Lieblingsgericht, ungarischer Gulasch, gab. Das war in den 60er Jahren schon fast exotisch. Dennoch war das Essen nicht mit heutigen Verhältnissen zu vergleichen. Bestand die Mahlzeit aus Schweinefleisch, war die Hälfte ungenießbar und ging wieder zurück. Rindfleisch war dagegen zäh wie eine Schuhsohle. Was immer ging, war Beefsteak (auf sächsisch Beffschteck). Ansonsten blieben noch die Eier in Senfsoße.

Später, in den frühen 1970er Jahren, durfte ich dann auch mal mit dem Nachbarsjungen Samstag abends in den Tanzsaal. Es wurde damals noch Livemusik geboten, Disko gab es erst später. Es wurde im Saal viel geraucht und Bier aus kleinen Henkelgläsern getrunken. Am Tresen gab es auch Schnaps, Braunen oder Korn in einfacher (2 cl) oder doppelter (4 cl) Ausführung. Die Beschreibung der Toiletten spare ich mir. Das Vergnügen endete um Mitternacht und spätestens 0.30 Uhr ging es dann auf den Heimweg.

Wann die "Sonne" endgültig geschlossen wurde, weiß ich nicht. 


Juli 2017
Juli 2017

Heute findet man in der "Sonne" Malik's Bistro.