Die Entstehung der ersten Straßenverkehrsordnung in Sachsen

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, machte man sich in Chemnitz erstmals Gedanken über polizeiliche Regeln für den Verkehr mit Automobilen.

Adressbuch der Fabrik- und Handelsstadt Chemnitz 1900
Adressbuch der Fabrik- und Handelsstadt Chemnitz 1900

Der erste Versuch im Chemnitzer Ortsgesetz April 1899

Im Ortsgesetz der Stadt Chemnitz vom 14. April 1899 sind alle Regeln für die Stadt Chemnitz festgelegt

Im Gliederungspunkt 2 findet man die Straßenpolizei-Ordnung der Stadt Chemnitz vom 29. März 1886

Unter II. Oeffentlicher Fuhrwerksverkehr ist sozusagen die Straßenverkehrsordnung im vorautomobilen Zeitalter definiert.

Im Anhang unter 5a. Findet man die "Bekanntmachung, den Fahrradverkehr in der Stadt Chemnitz betreffend" und dann endlich unter 5b. die "Bekanntmachung den Verkehr mit Automobilwagen betreffend". Zum ersten Mal sah man sich gezwungen dieses neue Verkehrsmittel zu erwähnen, meist nur mit einem Hinweis auf den entsprechenden Paragraphen für die Fuhrwerke.

5b. Bekanntmachung, den Verkehr mit Automobilwagen betr. Da neuerdings die Benutzung sogenannter "Automobilwagen" immer häufiger geworden, auch mehrfach wahrzunehmen gewesen ist, daß solche Wagen in hiesiger Stadt übermäßig schnell gefahren und zeitweise auch ohne Aufsicht auf öffentlichen Straßen stehen gelassen worden sind, nimmt das Polizeiamt Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß der Verkehr mit diesen Wagen auf öffentlichen Straßen und Plätzen allenthalben den Bestimmungen der hiesigen Straßenpolizeiordnung (vergl. § 40) über den öffentlichen Fuhrwerksverkehr unterworfen ist.

Gleichzeitig wird in sinngemäßer Anwendung der beibemerkten Paragraphen dieser Ordnung Folgendes bestimmt:

1. Personen unter 15 Jahren und der Leitung von Automobilwagen unkundigen darf letztere nicht anvertraut werden - vergl. § 41. -

2. Wer als Leiter eines Automobilwagens nicht unausgesezt diesen selbst, der nächsten Umgebung und dem Straßenverkehr seine volle Aufmerksamkeit zuwendet ober gar schläft oder betrunken ist, ist straffällig - vergl. § 42.-

3. Als Signal zum Ausweichen ist der Anruf „Heeh!" zu gebrauchen, doch soll bis auf Weiteres auch der Gebrauch von Signalhupen nachgelassen sein - vergl. § 59. -

4. Automobilwagen müssen vom Beginn der Straßenbeleuchtung an wenigstens mit einer hellbrennenden Laterne beleuchtet sein - vergl. § 62. -

5. Als für Automobilwagen zulässige Geschwindigkeit ist diejenige eines mäßig trabenden Pferdes anzusehen. Nicht schneller, wie ein Schritt gehendes Pferd sich fortbewegt, darf gefahren werden: 

a. bei der Ausfahrt aus Grundstücken, welche an die Straße grenzen, und bei der Einfahrt in selbe;

b. während des Gottesdienstes in der Nähe der Kirchen;

c. bei ungewöhnlich starkem Verkehr;

d. an Orten und zu Zeiten, wo und wann das Fahren in schnellerer Gangart verboten ist - vergl. §§ 64, 66. -

6. Automobilwagen dürfen auf den Straßen nicht ohne Aufsicht stehen gelassen werden - vergl. § 77 .-

Zuwiderhandlungen werden auf Grund der Bestimmungen der Straßenpolizeiordnung, beziehentlich gemäß § 366 des Strafgesetzbuchs geahndet. Bek. v. 17. Oktober 1899.

Die 1. sächsische StVO wird veröffentlicht