Das rätselhafte Denkmal für Michael Uhlich

Foto des Gedenksteins in den 1930er Jahren
Foto des Gedenksteins in den 1930er Jahren

Der abgebildete Gedenkstein für die Kemtauer Fuhrmannsfamilie Uhlich stand bis Mitte des 20. Jh. auf dem Burkhardtsdorfer Friedhof gegenüber dem Pfarrhaus. Sowohl das Denkmal als auch das Leben des legendären Land- bzw. Salzfuhrmanns Michael Uhlich gibt so manches Rätsel auf. Er wurde 1682 in Kemtau geboren und starb 1749.

Der Grabstein enthielt wie üblich einige Aphorismen und Sinnsprüche.

Ganz oben:

Bei uns die Lebens Sonne untergeht, an jenem Ort viel heller steht

Darunter zwei Zeilen aus einem Liedtext:

Es kann vor Nacht leicht anders werden, als es am frühen Morgen war

Die eigentliche Inschrift zum Grund des Gedenkens folgt im Hauptteil des Stein's:

Dieser Denkstein wurde zum liebevollen Andenken des am 25ten Septbr. 1749 christlich verstorbenen Michael Uhlig Gutsbesitzer u. Landfuhrmann in Kemtau gesetzt und von seinem Urenkel dem jetzigen gewesenen Gutsbesitzer u. Landfuhrmann Carl Friedrich Uhlig in Kemtau zum Andenken an seine verstorbene Gattin einer geb. Wieland gewidmet. Hier ruhen auch seine sämtlichen Voreltern v. 1552

Ein weiterer Sinnspruch schließt den mittleren Teil ab.

Nur der Glaube an treuliebenden Herzen, mildert der Trennung bittere Schmerzen

Der lateinische Spruch über dem Sockel "Hodie mihi eras tibi" (Heut an mir, morgen an dir), stand damals auf vielen Grab- und Gedenksteinen.

Auf dem Sockel ist ein Fuhrwerk zu sehen und darüber steht in einem kleinen Oval "Von Wien nach Lüneburg". Diese vier Worte geben Anlass zu Legenden. Aber zunächst zum Stein selbst. Im Buch " Kemtau mit der Ortsteilen Eibenberg, Neu-Eibenberg in historischen Bildern" steht folgende Beschreibung:

Grab-Denkstein der seit ca. 300 Jahren in Kemtau ansässigen Fuhrmanns- und Gutsbesitzerfamilie Uhlig auf dem Burkhardtsdorfer Friedhof um 1920. Der Denkstein wurde bereits 1749 gesetzt; im Sockel sieht man das Original-Fuhrgespann für Salztransporte, deren Wege durch halb Europa führten (1).

Wann wurde der Gedenkstein wirklich gesetzt? Wenn schon nach Michaels Beisetzung 1749 ein Gedenkstein gesetzt wurde, dann war das ein anderer Stein, denn die Inschrift auf dem Stein besagt ja, dass er der Gattin von Carl Friedrich Uhlig gewidmet wurde. Sie hieß Emilie Ernestine Wieland und verstarb 1879. Dieser Carl Friedrich Uhlig (*1818,†1889) ist jedoch nicht der Urenkel des Salzfuhrmannes, sondern dessen Ururenkel. Auf jeden Fall wurde der Grabstein nach 1879 gesetzt. Das erklärt auch die Schreibweise des Nachnamens Uhlig mit "g", diese tauchte erst nach 1815 in den Burkhardtsdorfer Kirchenbüchern auf (2). 

Michael Uhlich's Ahnen

Eine weitere Merkwürdigkeit ist die Aussage "Hier ruhen auch seine sämtlichen Voreltern v. 1552" auf dem Stein. Der erste Michael Uhlich, der in Kemtau siedelte, war der Vater des Fuhrmannes und kam 1669 nach Kemtau.  Er verstarb 1713 auch in Kemtau. Er wurde als erster in Burkhardtsdorf begraben. Seine Vorfahren lassen sich zwar bis 1552 zurückverfolgen, stammten aber alle aus Weißbach. Warum sollen die Weißbacher Vorfahren in Burkhardtsdorf begraben worden sein, wo doch Weißbach seinen eigenen Friedhof hat? (8)

Über seinen Vater schrieb Herr Otto Ende, Pfarrer von Burkhardtsdorf "Im hiesigen Geburtsregister kommt er nicht vor"(2). Daraus geht hervor, dass nur sein Vater im Jahre 1713 in Burkhardtsdorf seine letzte Ruhe fand. 

Die Ahnen des Landfuhrmannes Michael Uhlich beginnend mit seinem Vater Quelle (5)
Die Ahnen des Landfuhrmannes Michael Uhlich beginnend mit seinem Vater Quelle (5)

Nun zu Michael Uhlich's legendären Reisen "Von Wien nach Lüneburg"

Der Sockel des Denkmals orientiert sich wahrscheinlich an diesem Gemälde von 1850, auf dem der Salzfuhrmann Michael Uhlich mit seinem Fuhrwerk abgebildet ist. Das Gemälde ist Eigentum der Nachkommen.
Der Sockel des Denkmals orientiert sich wahrscheinlich an diesem Gemälde von 1850, auf dem der Salzfuhrmann Michael Uhlich mit seinem Fuhrwerk abgebildet ist. Das Gemälde ist Eigentum der Nachkommen.

Eine dieser Legenden bezieht sich auf Wien:

"1683 soll ein Michael Uhlig aus dem Türkenlager vor Wien den ersten Bohnenkaffee nach Kemtau gebracht haben."(3)

Das kann so nicht stimmen, denn der Fuhrmann Michael Uhlich war 1683 gerade geboren. Sein gleichnamiger Vater war kein Fuhrmann und kann es auch nicht gewesen sein. Des Rätsels Lösung ist schon in einem anderen Beitrag von Martina Hünlein, Ortschronistin von Burkhardtsdorf, eingehend beschrieben. Das heißt jedoch nicht, dass der Fuhrmann, dem das Denkmal gesetzt wurde, nicht in Wien war. Allerdings dürfte so ein Transport nicht alltäglich gewesen sein.

Dem Thema Salztransport aus Lüneburg hat sich Frank Müller aus Klaffenbach in einer historischen Geschichte gewidmet. Er benennt darin die Dauer einer Fahrt mit dem Pferdefuhrwerk von Lüneburg nach Kemtau mit mindestens 10 Tagen und die 390 km der Route führte über Magdeburg, Leipzig und Chemnitz. Nun stellt sich die Frage, warum hat Michael das Salz nicht aus Halle geholt, denn wie der Name schon sagt ist Halle an der Saale ebenfalls eine Stadt mit einer bedeutenden Saline. 

Zweifellos war damals auch Lüneburg Ausgangspunkt des Salzhandels, allerdings führten die Handelswege vorwiegend in Richtung Norden, zu den Küstenstädten um per Schiff weiter transportiert zu werden. Von Halle ging dagegen die bedeutende Salzstraße nach Prag aus. Sie führte über Leipzig, Wurzen, Waldheim an Chemnitz vorbei durch das Erzgebirge über Oederan nach Böhmen. Aber auch die Poststraße von Leipzig nach Chemnitz und Annaberg existierte seit 1696 schon. Sie wurde zu Michaels Lebzeiten weiter ausgebaut und bot sich als Fernhandelsweg geradezu an. 

Zschopau mit der Augustusburg Quelle (6)
Zschopau mit der Augustusburg Quelle (6)

Warum holte ein Salzfuhrmann aus Kemtau sein Salz also nicht aus Halle, das nur etwa 150 km entfernt war und in ca. 4 Tagen erreicht wurde?

Ein Grund war, dass es eine weitere direkte Straßenverbindung von Lüneburg über Prag nach Wien gab. Diese Heer- und Landstraße führte auch über Zschopau. 

"Die große Heer- und Landstraße von Lüneburg nach Prag und Wien gibt der Stadt eine ziemliche Nahrung, denn alle Frachtfuhrwagen müssen daselbst Vorspannung nehmen, um über den hohen Zschopauer Berg zu kommen, weshalb der dasige Stadt-Magistrat schon seit mehreren Jahren eine vortreffliche Einrichtung getroffen hat, daß in der Zeit von wenig Minuten eine ziemliche Anzahl Pferde zur Vorspannung in Bereitschaft stehen, und die Innhaber alle in einer Ordnung daran Theil haben." (6)

Zschopau war eine wichtige Station im damaligen Fernhandel, vielleicht auch wegen der Nähe zur Augustusburg. Auf jeden Fall konnte hier ein Kemtauer Fuhrmann Anschluss finden zu fernen Städten. Für die Angabe "Von Wien nach Lüneburg" auf dem Denkmal gab es also Gründe, vielleicht sogar Belege in Form von Rechnungen oder mündliche Überlieferungen. Auf jeden Fall spielte sich schon vor 300 Jahren das dörfliche Leben in Kemtau nicht nur im Zwönitztal ab. 

Was ist aus dem Grabstein geworden?

Quelle: Bildarchiv Gemeinde Burkhardtsdorf
Quelle: Bildarchiv Gemeinde Burkhardtsdorf

Diese Abbildung zeigt den Burkhardtsdorfer Friedhof nach der Bombardierung am 14. Februar 1945. In der Mitte des Bildes ist der unversehrte Grabstein zu sehen. Er hat mehrere Kriege überstanden und selbst nach dem Bombardement  ragte er standhaft zwischen den Trümmern der Kirchruine hindurch. 

Etwa 1968 wurde der Grabstein von den damaligen Nachkommen der Burkhardtsdorfer Kirchgemeinde geschenkt. Da der Stein schon damals erhebliche Schäden aufwies, transportierte man ihn zwischen Kirche und Sakristei, später in den Glockenturm. Da auch der Denkmalschutz mehrfach Interesse zeigte, wurde er schließlich als Leihgabe ins Chemnitzer Schloßbergmuseum gebracht. (8)

Der Leihvertrag vom April 2001 zwischen der Ev.-Luth. Kirchgemeinde Burkhardtsdorf und der Stadt Chemnitz Schlossbergmuseum wurde über 10 Jahre zum Zwecke der Ausstellung des Grabsteines beschlossen. Er enthielt auch folgenden Passus:

§3 Absatz (1) Abschnitt (b) eventuell vorgesehene Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen, welche vorher mit dem Verleiher abzustimmen sind, fachgerecht auf eigene Kosten durchführen zu lassen und vor Rückgabe abzuschließen. (7)

Der Grabstein war offenbar in einem schlechten Zustand und restaurierungsbedürftig, aber eben nicht vorgesehen. Ein Grund für den schlechten Zustand war vermutlich ein Anstrich des Denkmals mit weißer Ölfarbe vor dem II. Weltkrieg, der den Sandstein nicht gut bekommen ist. Diese Farbe ist auf den beiden Foto's zu sehen.

Auf Grund des schlechten Zustandes, wurde der Grabstein nach der Ausstellung zur  Steinmetzfirma Scheunert in Stollberg verbracht, wo er heute noch auf die Finanzierung der notwendigen Arbeiten wartet.

Quellen

(1) Kemtau mit der Ortsteilen Eibenberg, Neu-Eibenberg in historischen Bildern

(2) Geschlechtsregister der seit dem Jahre 1669 erbangesessenen Familie Uhlich in Kemtau, auf Grund der Kirchenregister von Burkhardtsdorf und Kemtau von Herrn Otto Ende, Pfarrer

(4) 550 Jahre dörfliches Leben Kemtau / Eibenberg

(5) Stammbaum der Kemtauer Uhlig's, zusammengestellt von Martina Hünlein

(6) Historisch-geographisch-topographische Nachrichten von der Bergstadt Zschopau, Ernst Friedrich Wilhelm Simon, 1821

(7) Leihvertrag zum Fuhrmannsgrabstein, Schlossbergmuseum Chemnitz, 2001

(8) Informationen der AG Ortschronik Burkhardtsdorf