Die Adventszeit

Historische Pyramiden auf DDR-Briefmarken
Historische Pyramiden auf DDR-Briefmarken

So wie in allen christlichen Ländern und Provinzen das Weihnachtsfest mit allerlei verschiedenen Feierlichkeiten und Gebräuchen begangen wird; so machen auch hier die Bewohner des oberen Erzgebirges keine Ausnahme, vielmehr feiern sie es sehr solenn (feierlich, festlich) und verfahren dabei noch mit besonderen Eigenheiten. Doch diese Feierlichkeit, muß ich erinnern, hat bloß Bezug auf den heiligen Abend und höchstens auf den ersten Feiertag.

Während der ganzen Adventszeit arbeitet und schnitzt der fleißige Bergmann an allerlei mechanischen Spielereien, welche meistenteils allerlei Modelle des Bergbaus sind und ihm manchen Schweißtropfen kosten. Diese verkauft er nun entweder, damit er Feiertagsgeld habe, oder er illuminiert sie zur Freude seiner Familie am heiligen Abend. So findet man hölzerne Steiger, in deren Bauche man ein ganzes, wohllöbliches Bergamt mit den Köpfen nickend Session (Zusammenkunft) halten sieht;  überbaute 4-5 Stock hohe Pyramiden, wo man das ganze Bergbauwesen, auch die Eisenhammer, Wasserkünste (Pumpwerke) in völligen Gange sieht.

Der heilige Abend

Semmelmilch
Semmelmilch

Aber der heilige Abend selbst, wie illuminiert wird er gefeiert. Zu dieser Zeit hat es mir vorzüglich in Schneeberg gefallen, wo man abends auf dem sogenannten Gebirge hinter Neustädtel und auf dem Mühlberge fast alle Häuser an den Fenstern sehr hell erleuchtet sieht, welches in dem Dunkel der Nacht sehr schön in die Augen fällt. Dazwischen tönt immer ein beständiges Lärmen und Singen, auch die Bergsänger gehen abends mit Stangen, Laternen und Zithern herum und singen allerlei Bergmannslieder. Bei dem geschickten Schlosser-Meister Muth sah man sonst auch verschiedene Bergmanns-Vorstellungen, welche ein einfacher Mechanismus lebendig machte, wobei noch allerhand Spaßerei vorkam.

Die gewöhnlichen Speisen am heiligen Abende sind Semmelmilch, Hering mit Milchbrei oder mit Apfelsalat, oder Sauerkraut und Wurst, wobei das Gläschen Schnaps nicht fehlen darf. Zu dieser Mahlzeit brennt ein großes, bunt gemaltes Licht, auf welchem oft Name und Jahreszahl zu sehen ist oder ein Spruch. Diese Lichte machen und malen sich die Bergleute selbst und schenken zu dieser Zeit einige ihren Vorgesetzten. Die Andächtigen singen zu Hause fromme Lieder, während die Frohen umher ziehen und die Weihnachtsgeschenke bewundern. Da geht denn der Wirt oder Wirtin des Hauses, wo es bescheert hat (nach gebirgischer Mundart: wu ass Bornkinnel (geborenes Kind) baschärt hod), herum und teilt Küchen und Äpfel unter sie, zum Teil deshalb anwesenden, Zuschauer aus.


Rezept: Semmelmilch

1 Liter Milch

Weißbrot bzw. je 1 Brötchen pro Person

Nüsse und Rosinen

Zimt, Zucker und Butter nach Belieben


Die Milch im Topf erwärmen, Weißbrot oder Semmeln würfeln und Zucker darüber geben. Jetzt die Nüsse und Rosinen in Butter anrösten, alles zu der Semmelmilch dazugeben. Ein wenig Zimt dazugeben, dann schmeckt es herrlich weihnachtlich.

Knecht Ruprecht unterwegs mit einem Engel
Knecht Ruprecht unterwegs mit einem Engel

Sonst war auch das sogenannte Christspiel gebräuchlich, wo Bergleute und andere gemeine Leute in schön gereimten, burlesken (zotigen) Versen die Geburt Jesu als ein Lustspiel aufführten und so von Haus zu Haus zogen. Dabei war immer eine lustige Person, welche allerhand Possen trieb, z.B. dem König Herodes, welcher frisiert mit goldenem Zepter und Reichsapfel auf einem hölzernen Stuhle saß, Schnupftabak unter die Nase rieb, daß er niesen mußte. Joseph wurde als hektisch vorgestellt und hatte eine Säge in der Hand; Maria sprach oft in schönsten Kontrabass, denn Frauenzimmer waren bei dieser Truppe nicht. Die Engel gingen in langen Hemden, mit vielen Bändern geschmückt und gepudert, und hielten mit einem seidenen Tuche große Husarensäbel in der Hand; die Hirten hatten hohe spitzige Hüte von Zuckerpapier auf und knallten entsetzlich mit den Peitschen, auch bliesen sie auf Nachtwächter-Hörnern; der Stern war von Pappe und ölgetränktem Papier an einer Stange aufgesteckt und konnte gedreht werden; manchmal brannte er, denn inwendig stak ein brennendes Licht, auch an. Das Christkindlein endlich war nicht himmlischer Abkunft, es sah erbärmlich aus und wurde oft sehr übel behandelt. Übrigens war immer ein Knecht Ruprecht dabei, welche man im Erzgebirge Rupperich nennt; wie gewöhnlich war er in einem Schafspelz vermummt, mit einer Klingel und einer Ofengabel versehen und mußte die nachlaufenden Jungen zurückschrecken.

Am ersten Feiertag

Auf dem Weg zur Christmette
Auf dem Weg zur Christmette

Am Christtage früh um 5 Uhr (an anderen Orten zu einer anderen Stunde) wird dann Metten gehalten; daß dieses von den katholischen Messen herstamme, brauche ich nicht erst zu erklären.  Hier tut sich nun der Bergmann wiederum auf sein Grubenlicht etwas zu Gute, mit welchem er, eines Arms dicke Flamme aufschürt, in die Kirche zieht, daß man glaubt, der Ort brenne. Und erst in der Kirche, wenn man auf den Emporen viele hundert dieser hochlodernden Grubenlichter in mehreren schönen Reihen erblickt, hat man dann die prächtigste Illumination.

Bei den folgenden heiligen Abenden geht es eben wieder so, wie am Weihnachtsabende, zu. Doch was ich erzählte, gilt nicht etwa von Schneeberg ganz allein, man trifft es fast in allen obergebirgischen Städten an.


Heilige drei Könige

Die drei Majestäten
Die drei Majestäten

Am sogenannten heiligen drei Königsfeste erschienen dabei gar diese drei Majestäten, wobei eine schwarze war. Doch seit mehreren Jahren hat dieser Unfug aufgehört, welcher eigentlich noch ein Überbleibsel des in Sachsen ehedem herrschenden Aberglaubens war. So wurde vor wenigen Jahren in einer dort benachbarten böhmischen Stadt das Leiden und der Tod Jesu auf diese Weise aufgeführt, wo den Heiland ein starker Fleischer repräsentierte, welcher einmal, als er am Kreuze hing und von dem Landsknecht in die Seite gestochen wurde, mit starker Stimme vom Kreuze hernieder rief:  "Johannes, stich nicht so derb, sonst stichst du mir ja die Leber ganz und gar durch!" - Doch auch diese Gräuel sind nicht mehr, auch dort geht ein helleres Licht auf und wirkt Wunder!