Mit den vier Ringen von Audi verbindet man zunächst die Audi AG mit Sitz in Ingolstadt. Wer sich jedoch etwas mit der Geschichte der Automobilwerke beschäftigt, weiß dass der Sitz der Auto Union bis zum Kriegsende in Chemnitz war. Das Firmenzeichen mit den verschlungenen Ringen symbolisierte den Zusammenschluss der vier Marken Audi, DKW, Horch und Wanderer. Die Gründung erfolgte im Juni 1932 mit dem Eintrag in das Handelsregister Chemnitz. 


Die Mitteldeutschen Motorenwerke

Das Verwaltungsgebäude der MMW heute Quelle: LVZ
Das Verwaltungsgebäude der MMW heute Quelle: LVZ

Während des 2. Weltkrieges wurden bekanntlich alle Firmen zur Rüstungsproduktion herangezogen. Im Rahmen der Aufrüstung der Wehrmacht gründete dazu die Auto Union im Jahre 1935 die „Mitteldeutschen Motorenwerke“ (MMW, oder auch MiMo). Die MMW, mit Sitz in Leipzig (ab 1939 Taucha), stellten Junkers-Flugmotoren in Lizenz her und waren das drittgrößte Werk der Auto Union nach Horch in Zwickau und dem Werk Siegmar (früher Wanderer) bei Chemnitz.

Die Fabrikanlagen befanden sich nordwestlich von Taucha in einem Waldgebiet, das teils zu Leipzig-Portitz gehörte. Zum Fertigungsprogramm gehörten im Wesentlichen die Typen Junkers Jumo 205, Jumo 211, Jumo 213 und Teile für die Strahlturbine Jumo 004. Damals waren 10.000 Mitarbeiter (einschl. Zwangsarbeiter) beschäftigt. 1940 konnte die Auto Union das Werk komplett übernehmen. Zwischen 1938 und 1943 war der Junkers Jumo 211 einer der wichtigsten Motoren in der Produktion. Die Tochtergesellschaft baute 4675 Motoren im Jahr 1942 bei rund 161 Millionen Reichsmark Umsatz, was zirka 36 % des gesamten Konzernumsatzes ausmachte. Die Werksanlagen sind als Rüstungsbetrieb nach Kriegsende 1947 teilweise demontiert worden, die Reste wurden gesprengt. Die Löschung der Firma im Handelsregister des Amtsgerichts Leipzig erfolgte am 27. August 1948.

 

Auto Union und Junkers

Im Jahre 2003 erschien folgendes Buch:

Auto Union und Junkers

Geschichte der Mitteldeutschen Motorenwerke GmbH Taucha 1935 - 1948

von Peter Kohl, Peter Bessel

Verlag Franz Steiner Verlag, 2003

ISBN 3515080708, 9783515080705

Länge 325 Seiten

Im Vorwort heißt es:

Auch nach Jahrzehnten sind Auto Union und Junkers Begriffe, die mit Autos und Flugzeugen verbunden werden. Dass die Auto Union am Stadtrand von Leipzig auch einmal Junkers-Flugmotoren produziert hat, ist dagegen weitgehend in Vergessenheit geraten. Im Zuge der NS-Aufrüstung waren 1935 die Mitteldeutschen Motorenwerke gegründet worden, die während des Zweiten Weltkrieges zu einem der grössten deutschen Flugmotorenwerken ausgebaut wurden. Die Autoren mussten sich bei ihrer Arbeit auf eine mühevolle Spurensuche im In- und Ausland begeben, denn nach dem Krieg wurde das Werk dem Erdboden gleichgemacht.

 

Auto Union und Kemtau

Was hat das Ganze nun mit Kemtau zu tun? In diesem Buch geht es auf Seite 154 um die planmäßige Abwicklung des Standortes Taucha wegen zunehmender Luftangriffe. Dort kann man folgenden Absatz lesen:

"lm September 1944 kamen das RLM (Reichsluftfahrtsministerium), vertreten durch die Bauaufsicht bei den MMW, und die Auto Union überein, das abgesetzte Projekt P320 endgültig abzuschließen. Die vorhandenen Halbmotoren und Einzelteile sollten dem RLM übergeben werden. Die Auto Union behielt sich den Verbleib von zwei Halbmotoren für Anschauungszwecke vor. Sämtliche Akten und Zeichnungsunterlagen aus Chemnitz und Taucha waren bereits nach Kemtau im Erzgebirge ausgelagert worden. Die Auto Union war aufgefordert wurden, bis Ende Oktober 1944 die Abschlußrechnung zu erstellen." 


Nun hat Kemtau meines Wissens keine Verbindung zur Auto Union AG mit Hauptsitz in Chemnitz. Was veranlasste das Reichsluftfahrtsministerium also Akten und Konstruktionszeichnungen von Taucha ausgerechnet nach Kemtau auszulagern? Die Zahl der Aktenordner des drittgrößten Werkes der Auto Union AG dürfte groß gewesen sein. Das Werk in Taucha diente ausschließlich der Produktion, eine eigene Konstruktionsabteilung gab es nicht. Da in Lizenz produziert wurde, waren die Zeichnungen wohl Kopien von Junkers. Wie lief das also im Sommer 1944 ab? Es wurde ein LKW mit den Akten und Zeichnungen beladen und fuhr von Taucha über Chemnitz nach Kemtau. Warum brachte man sie nicht ins Hauptwerk nach Chemnitz, wo es seit 1936 für alle Werke der Auto Union ein Zentrales Konstruktionsbüro (ZKB) und eine Zentrale Versuchsanstalt (ZVA) gab? 

Dafür gibt es eine einfache Erklärung, die Auto Union AG war in Chemnitz selbst von Bombardierungen bedroht und musste kriegswichtige Abteilungen an sichere Standorte der Umgebung auslagern. Dazu zählten auch mangels Arbeitskräften stillgelegte Strumpffabriken im Erzgebirge. So wurde im Februar 1944 Teile der Zentralen Versuchsanstalt (ZVA) nach Burkhardtsdorf in die Strumpffabrik von Max Pfau ausgelagert. War man deshalb mit dem Aktentransport gleich weiter nach Kemtau gefahren, denn auch dort gab es stillgelegte Strumpffabriken mit leerstehenden Lagerräumen. Zum Beispiel die Strumpffabrik von Franz Pfau, einem Bruder vom Burkhardtsdorfer Max Pfau. Natürlich gab es noch weiter Fabriken in Kemtau, die zur Aufnahme der Akten und Zeichnungen aus Taucha geeignet waren.

Bleibt die Frage was wurde aus den Unterlagen? Sollten sie im Dachgeschoss der Strumpffabrik von Franz Pfau eingelagert worden sein, ist die Antwort einfach. Sie verbrannten am 14. Februar 1945 beim Bombenangriff auf Kemtau und Burkhardtsdorf.