Die Burkhardtsdorfer Zeitung um 1912
Die Burkhardtsdorfer Zeitung um 1912

Am 16. März 1888 kamen die beiden Schriftsetzer Bruno Schreiber aus Marienberg und Max Reichel aus Waldkirchen nach Burkhardtsdorf um sich einen Traum zu erfüllen. Sie wollten eine eigene Zeitung herausbringen. In der Unteren Hauptstraße 43, gegenüber Roschers Gaststätte, gab es schon die kleine Buchdruckerei von Gustav Lange, die zum Verkauf stand. Hier konnten sie ihre Pläne, eine Ortszeitung herauszugeben, in die Tat umsetzen. Der Name der Zeitung war schnell gefunden, denn schon um 1860 bis 1870 gab es eine "Burkhardtsdorfer Zeitung", die allerdings nur in 40 Exemplaren in Ehrenfriedersdorf gedruckt wurde. Wegen der geringen Auflage wurde sie wieder eingestellt.

Ein originaler Setzkasten im Buchdruckereimuseum Burkhardtsdorf
Ein originaler Setzkasten im Buchdruckereimuseum Burkhardtsdorf

Nun sollte ein Neustart erfolgen. Schon am 10. April des Jahres 1888 erfolgte der Probedruck der neuen "Burkhardtsdorfer Zeitung". Gedruckt wurde auf einer alten Handpresse, dazu mussten die bleiernen Lettern mühsam von Hand in einen flachen Rahmen eingesetzt und festgespannt werden. Für alle Besonderheiten, wie Fettdruck, Sperr- oder Kursivschrift gab es extra Lettern. Bilder mussten, wenn überhaupt, in Holzschnitt umgesetzt werden. Danach wurde diese ebene Platte eingefärbt und jeder Papierbogen mit hohen Druck darauf gepresst. Trotz dieser aufwendigen Methode erschien die Zeitung anfangs drei mal die Woche. 

Bruno Schreiber Quelle: Bildarchiv Gemeinde Burkhardtsdorf
Bruno Schreiber Quelle: Bildarchiv Gemeinde Burkhardtsdorf

Am Anfang wurde die Zeitung in 75 Exemplaren gedruckt, der Verkauf erfolgte in Burkhardtsdorf, Eibenberg, Kemtau, Klaffenbach, Meinersdorf, Thalheim und Umgebung. Es gab große Anfangsschwierigkeiten wegen zu geringem Ertrag. Deshalb verließ am 24. September 1889 auch Max Reichel den Betrieb, Bruno Schreiber war nun alleiniger Herausgeber der Zeitung.

Mit Unterstützung des Gemeindevorstandes, der Industrie und des Handwerks gelang es die Situation zu verbessern. Schon zwei Jahre nach der Gründung reichte der Platz in der ersten Druckerei nicht mehr aus, man zog um in den damaligen Herrenmühlenweg 1, der heutigen Uferstraße. Die Auflage stieg auf 440 Exemplare. 1913 kaufte Bruno Schreiber das Gebäude Untere Hauptstraße 11 und die Druckerei zog an ihren heutigen Standort.

Druckmaschinen verschiedener Entwicklungsstände
Druckmaschinen verschiedener Entwicklungsstände

Im Buchdruckerei-Museum Burkhardtsdorf sind heute die alten Original-Druckmaschinen verschiedener Bauart, auf denen die "Burkhardtsdorfer Zeitung" gedruckt wurde, zu sehen. Inzwischen standen auch neue Druckverfahren zur Verfügung. Mit Hilfe der Stereotypie fertigte man Matrizen der Druckplatten an. Diese konnte man biegen und als runde Gussform verwenden. Mit Metall ausgegossen entstand ein Zylinder der in der gleichnamigen Druckpresse die Papierbögen viel schneller und unter weniger Kraftaufwand bedrucken konnte. Später wurde das Setzen des Textes und die Herstellung dieser Matrizen an darauf spezialisierte Firmen ausgelagert. Die Burkhardtsdorfer Zeitung erschien nun zweimal die Woche, jeweils am Mittwoch und Sonnabend und bestand aus vier Seiten. Dazu wurde ein Papierbogen mit je zwei Seiten von vorn und hinten bedruckt und anschließend in der Mitte zusammengefaltet. Die Zeitung hatte dann eine Breite von 32 cm und eine Höhe von 47 cm. Einmal wöchentlich gab es noch eine kostenlose Beilage, ein Blatt im Format 25 x 33 cm.

In dieser Ausstattung gab es die Zeitung bis zum 3. Juni 1941. Danach wurden die Ortszeitungen aus Kostengründen zusammengelegt und sozusagen von der Thalheimer Zeitung geschluckt. 

Soweit zur Geschichte der Burkhardtsdorfer Zeitung. Um eine Vorstellung vom Aussehen und Inhalt der Zeitung zu erhalten folgt nun die Abbildung eines ausgewählten Exemplars vom Sonnabend, dem 2. Mai 1908, das mir dankenswerterweise von der AG Ortschronik Burkhardtsdorf zur Verfügung gestellt wurde.

Das Titelblatt

Der Hauptartikel dieser Ausgabe der "Burkhardtsdorfer Zeitung" war der Bericht über die Eröffnung der Haltestelle Eibenberg-Kemtau am Vortag, was auch der Grund für die Auswahl diese Exemplares vom 2. Mai 1908 für die Veröffentlichung an dieser Stelle war. Wenn Sie Originaltexte lesen möchten, klicken Sie auf die Abbildung und dann in der Vergrößerung noch einmal auf das Bild. Sie können dann in der lesbaren Anzeige manövrieren. Sie finden den Artikel auch im Beitrag zur Geschichte der Eisenbahn in Kemtau, für alle, die lieber in der "richtigen" Schrift lesen.

Auf der Titelseite finden sich alle aktuellen Themen aus Burkhardtsdorf und Umgebung, aber auch ein brandaktueller Artikel vom Untergang eines japanischen Schulkreuzers am Vormittag des 30. April. Wie wurde die Redaktion in Burkhardtsdorf darüber informiert? Es gab seit Mitte des 18. Jahrhunderts schon Nachrichtenagenturen, die aktuelle Nachrichten gegen Geld über ein weltumspannendes Telegrafennetz verbreiteten. An dieses Netz war auch das Burkhardtsdorfer Postamt angeschlossen. Dass damals noch nicht alles perfekt lief, zeigt der Name des Schiffes "Mutsuschima", welches in Wirklichkeit "Matsuschima" hieß - nun ja, das passiert heute auch noch. 

Redaktionsschluss war am Freitag Mittag, bis dahin musste manchmal noch kurzfristig eingegriffen werden. Vielleicht ist das auch der Grund für den etwas rätselhaften Satz unterhalb des Eisenbahnartikels: "Die Prämie von 300 000 M. und der Gewinn von 200 000 M. fiel in die Kollektion von Bischoff, Dresden, auf Nr. 58 909"

Das passt irgendwie nicht dazu und worum es bei diesen hohen Beträgen ging, ist unklar. Ist die Kollektion Bischoff in Dresden eine Kunstsammlung, die gesponsert wurde? Sicher nicht mit diesen Beträgen. War es der Gewinn einer Lotterie und die Nr. 58 909 war eine Losnummer? Was hat das aber mit der Kollektion von Bischoff zu tun? Kann jemand helfen?

Die zwei Innenseiten

Schlug man nun die Zeitung auf folgte der Innenteil mit Nachrichten und Deutschland und der Welt für den politisch interessierten Hausherren und für die Hausfrau gab es einen Fortsetzungsroman.

Dieser Innenteil wurde aus Berlin bezogen, vom John Schwerins Verlag, der für Redaktion und Druck verantwortlich war. Dieser Verlag war darauf spezialisiert auf sogenannte kopflose Zeitungen, d.h. eine Zeitung mit leerem Raum statt eines Titels und weißem unbedrucktem Papier an gewissen Stellen, während der übrige Teil mit Leitartikeln, politischen Neuigkeiten, wirtschaftlichen Notizen Feuilleton usw. besetzt war. Regionale Zeitungsverleger, benutzten die leer gelassenen Stellen, um nachträglich einen Titel, Lokalnachrichten und Inserate selbst hineinzudrucken.

Im Fall der Burkhardtsdorfer Zeitung könnten also einseitig bedruckte Papierbogen geliefert worden sein, die dann weiter bedruckt wurden. Die Themen dieser Seite konnten folglich nicht tagesaktuell sein, aber die Abbildung vom Zusammenstoß des englischen Kreuzers "Gladiator" mit dem amerikanischen Postdampfer "St. Paul" an Westküste der Insel Wight fand am  25. April 1908 statt, also eine Woche zuvor. Noch aktueller war der Bericht über das Explosionsunglück in der Kieler Bucht. Es ereignete sich am Abend des 28. April, also am Dienstag vor dem Erscheinen dieser Sonnabend-Ausgabe.

Der Titel des Fortsetzungsromans lässt vermuten, dass hier ein Groschenroman aus dem Milieu des Hochadels gedruckt wurde, dem war nicht so. Der Autor Arthur Zapp war damals berühmt und er schrieb sehr viele Bücher, Erzählungen und Theaterstücke. Der Roman "Die Heirat seiner Hoheit" erschien offiziell erst 1909 und war somit ein Vorabdruck als Fortsetzungsroman.

Die Rückseite

Die Werbeseite, als 4. Seite der Zeitung, wurde in der Sonnabendausgabe von den Burkhardtsdorfer Gewerbetreibenden bzw. Händlern und am Mittwoch vorwiegend von den Gaststätten für ihre Wochenendwerbung genutzt. Egal ob jemand seine verlorene goldene Brosche sucht, ein möbliertes Zimmer an einen anständigen Herren vermieten oder einen gebrauchten Phonographen verkaufen möchte - eine Annonce in der Burkhardtsdorfer Zeitung macht's möglich.  Eine neue Nähmaschine wird gebraucht oder ein Waschmaschine, mit der sogar ein Kind imstande ist, 15 Hemden in 20 Minuten zu kochen, zu dämpfen und gründlich zu reinigen, alles findet sich auf der letzten Seite.

Die Beilage

Leider steht die Beilage der Zeitung vom 2. Mai 1908 nicht mehr zur Verfügung. Um jedoch einen Eindruck vom Inhalt dieser Beilagen zur Burkhardtsdorfer Zeitung zu geben, ist hier die Beilage zur Pfingstausgabe vom 6. Juni 1908 abgebildet.

In der Beilage wurden örtliche Bekanntmachungen und weitere regionale Berichte, wie der folgende Unfallbericht, der noch heute für Gänsehaut sorgt, an die Öffentlichkeit gebracht:

"Ein Unfall, welcher den Tod der Betroffenen zur Folge haben konnte, widerfuhr am Dienstag Herrn M. Ebert und seiner Gattin. Die Betreffenden kamen im Automobil die Thumer Straße hereingefahren. In der Nähe des Gasthofs Auenberg fuhr der Wagen in ein in ungenügender Höhe quer über die Straße gezogenes starkes Drahtseil, mittelst welchem Arbeiter vom Elektrizitätswerk einen eisernen Masten mit einem Chausseebaum verbunden hatten. Die Insassen wurden herausgeschleudert, kamen aber in Anbetracht des Falles mit nicht allzuschweren Verletzungen davon, und das Auto sauste mit voller Wucht die ziemlich hohe Böschung hinab, die eiserne Barriere umbiegend. Arg beschädigt blieb das Fahrzeug auf Wielands Grundstück liegen. Dieser Fall möge den betr. Arbeitern zur Warnung dienen, bei ähnlichen Vorkommnissen größere Vorsicht walten zu lassen bez. Drähte, welche über Straßen gespannt werden, in genügender Höhe anzubringen."
Rückseite der Beilage mit dem Werbeteil für Pfingsten 1908
Rückseite der Beilage mit dem Werbeteil für Pfingsten 1908

Fazit

Die "Burkhardtsdorfer Zeitung" war keinesfalls ein kleines Provinzblatt, es wurde das volle Programm an Information und Unterhaltung geboten - für einen monatlichen Abonnementspreis von 30 Pfennig. Heute wären die Artikel eine Fundgrube nicht nur für Historiker und heimatverbundene Geschichtsinteressierte, sondern auch für einen Geschichtenerzähler wie mich.

Leider ist ein öffentlicher Zugang zu den heute noch vorhandenen Exemplaren nur eingeschränkt möglich. Die Ausgaben der Jahrgänge von 1897 bis 1932 sind zwar größtenteils noch erhalten und mit viel Aufwand restauriert worden, aber auch nach der Digitalisierung der ca. 4000 Zeitungsexemplare im Jahre 2014 kann ein Außenstehender nicht in diesem historischen Schatz stöbern. Eine Veröffentlichung im Internet erfolgte bisher nicht und ist wohl auch in nächster Zeit nicht zu erwarten. In unserem Nachbarland Österreich ist man auf diesem Gebiet viel weiter, wie ein Blick in das Angebot der Österreichischen Nationalbibliothek zeigt. Die "Burkhardtsdorfer Zeitung" ist hier nicht zu finden und steht nur den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Ortschronik Burkhardtsdorf und dem Geschichts- und Kunstverein e.V. im Buchdruckereimuseum zur Verfügung. So müssen viele interessante Artikel aus der Burkhardtsdorfer Geschichte auf ihre Entdeckung und Veröffentlichung warten. 

Ob und wann es möglich sein wird Zuhause am Computer in den alten Exemplaren der Zeitung zu recherchieren steht in den Sternen und es bleibt zu hoffen, dass die letzten Geschichtsinteressierten nicht inzwischen ausgestorben sind.