Der Aufstand der Einsiedelschen Untertanen 1790 und seine Vorläufer

Erarbeitet und zusammengestellt von Rudolf Baumgärtel

eigene Anmerkungen sind grau hinterlegt

Die soziale und wirtschaftliche Lage unserer Bauern in dem Beitrag über die Besiedlung unseres Gebietes  wurde gesagt, dass die Neusiedler ein bestimmtes Stück Land, meist eine Hufe, zur Urbarmachung als Besitz erhielten. Sie konnten diesen Besitz Vererben, allerdings nicht verkaufen. Ursprünglich waren sie auch von Abgaben frei. Erst später verlangte die Grund- und noch später die Gerichtsherrschaft Zinsleistungen für das in Pacht gegebene Land. Es gab aber auch einige wenige bäuerliche Grundeigentümer, die keinen Zins zahlten und über ihren Grund und Boden verfügen konnten.

Die Burg Gnandstein auf der die Herren von Einsiedel residierten
Die Burg Gnandstein auf der die Herren von Einsiedel residierten

Über den Beginn der Frondienste wissen wir nur, dass sie in unserem Raum relativ spät eingeführt wurden und sich im 15. Jhdt. noch durchaus in Grenzen hielten. Eine bäuerliche Leibeigenschaft hat es bei uns nicht gegeben. Die Bauern waren ursprünglich persönlich frei, und diese Freiheit war auch nicht gefährdet. Das änderte sich aber bis zum Beginn des 16. Jhdts. erheblich zu Ungunsten der Bauern, und nun steigerten sich die Spannungen zwischen Fronbauern und Feudalherren. Allerdings wurden unsere Bauern unter der Herrschaft ihrer Einsiedler Herren verhältnismäßig glimpflich behandelt. Heinrich von Einsiedel wollte sogar die Frondienste aufheben. Er war ein Anhänger der Reformation und legte Luthers Lehre zu Gunsten der Bauern aus. Luther riet ihm allerdings dann von der Durchführung dieser Maßnahme ab.

Heinrich Hildebrand von Einsiedel (1497–1557) und sein Bruder Abraham waren persönliche Freunde und Unterstützer Luthers. Heinrich führte einen umfangreichen Briefwechsel mit Martin Luther, Melanchthon und Bugenhagen. Zu den Frondiensten fragte er: "ob nach Annahme der Reformation die Bauern noch Frohnen thun sollten?“ Luther antwortete: „jawohl! denn wenn der Bauer nicht muss, so rührt er weder Hand noch Fuss!“ doch riet er dem Ritter zur Herabsetzung gewisser Steuern, und namentlich des Lehngeldes, welches auch bis in die neuste Zeit auf einen halben Gulden reduziert blieb.

Die Bauernaufstände 1525

Das Wappen derer von Einsiedel
Das Wappen derer von Einsiedel

Vielleicht aufgrund der verhältnismäßig erträglichen Behandlung unserer Bauern machten die Kämpfe der ersten frühbürgerlichen Revolution, die sich auch im Erzgebirge abspielten, an den Grenzen unserer engeren Heimat gewissermaßen halt. Es werden wohl im Zusammenhang mit den Aufständen 1525 Orte der nächsten Umgebung in den Urkunden genannt, z. B. Gelenau, Herold, Venusberg, Drebach, Griesbach. In Gelenau soll sich sogar einer der Führer der Bauern und Bergleute des Erzgebirges, Wolf Göftel kurze Zeit aufgehalten haben, um einen "Gelenauer Haufen" nach Schönbrunn zu führen, wo die sogenannten "Wolkensteiner Artikel“ mit den Forderungen der Bauern aufgestellt wurden. Die Gelenauer waren allerdings nicht mit nach Schönbrunn gezogen und deshalb nach der Niederwerfung des Aufstandes straffrei ausgegangen (1). Die Drebacher zogen (400 Mann stark?) vor das Scharfensteiner Schloss, wurden aber wieder vertrieben. Die Griesbacher, die sich erst mit eingereiht hatten, lösten sich bald vom Haufen, "....weil sie gegen ihren Herrn von Einsiedel nichts einzuwenden hätten.“ Sie wurden trotzdem mit 47 1/2 Gulden Strafe belegt, weil sie die Drebacher Pfarre mit geplündert hatten. Da die dem Richter zu Weißbach unterstellten Bauern und damit auch die Kemtauer ebenfalls Untertanen des Einsiedler Herren waren, ist zu vermuten, dass sie einen Aufstandsversuch gar nicht erst unternehmen, allerdings wohl mehr wegen der abschreckenden Strafen als wegen des Einverständnisses mit der Behandlung durch ihren Feudalherren. Und wenn wir im Bericht des Schellenberger Amtmanns lesen, die Bauern der Weißbacher Herrschaft "raseten ein wenig" und über die Jahnsdorfer und Meinersdorfer Bauern erfahren, sie “schwärmten", dann ist es wohl richtig anzunehmen, dass die revolutionären Taten der Bauern von obrigkeitlicher Seite "heruntergespielt" worden sind.

Der Aufstand von 1790

Der Anlass

Die Jahre 1771/72 brachten dem Kurfürstentum Sachsen infolge extrem schlechter Witterung katastrophale Hungersnöte. Mehr als 60 000 Menschen sterben in dieser Zeit an Hunger. Am schwersten betroffen war des Erzgebirge. Im Januar 1770 kostete:

 

1 Scheffel (= 80 kg) Korn

1 Taler 12 Groschen

1 Scheffel Weizen

2 Taler 8 Groschen

1 Scheffel Gerste

1 Taler 8 Groschen

1 Scheffel Hafer

1 Taler

ein 7-Pfund-Brot

2 Groschen 2 Pfennige.

(1 Taler = 24 Groschen, 1 Groschen = 12 Pfennige) - Der durchschnittliche Tageslohn beträgt 4 Groschen.

Nach Januargewittern gibt es Hochwasser. In der 2. Märzhälfte fällt Schnee und es wird sehr kalt. Die Wintersaat verdirbt, es folgt ein sehr nasser Sommer. Die Ernte ist ganz gering. Die Teuerung beginnt.

Im Dezember 1770 kostet:

1 Scheffel Korn

4 Taler 12 Groschen

1 Scheffel Weizen

5 Taler 8 Groschen

1 Scheffel Gerste

3 Taler 4 Groschen

1 Scheffel Hafer

1 Taler 16 Groschen

ein 7-Pfund-Brot 

4 Groschen 8 Pfennige.

Das Jahr 1771 bringt einen milden Winter, aber im Mai Schnee und anschließend Regen bis in den August. Die Ernte ist vernichtet.

im Juli 1771 kostet

1 Scheffel Korn 10 Taler

im Januar 1772 kostet

1 Scheffel Korn 12 Taler

 

1 Brot 8 Groschen 3 Pfennige

im Juni 1772 kostet

1 Scheffel Korn 13 Taler 15 Groschen,

 

1 Scheffel Weizen 14 Taler

 

1 Scheffel Gerste 10 Taler

 

1 Scheffel Hafer 6 Taler

Aus (2), S. 14

Die Menschen in unserer Gegend starben in diesen Jahren zu Hunderten an Hunger. Nach kurzer Erholung brachte das Jahr 1789 erneut Missernten infolge sehr schlechten Wetters. Im April gab es noch schädlichen Frost, dann Gewitter mit Schloßen. Der Mai war sehr halt und ab Juni herrschte sommerliche Hitze mit Dürre und Wassermangel. Nicht nur die Ernte war sehr gering, auch viel Vieh ging durch den Futtermangel zugrunde oder musste vorzeitig geschlachtet werden. Wieder erhöhten sich die Preise für die notwendigsten Nahrungsmittel. Verkäufe, um Geld für die Zinsleistungen aufzubringen, waren nicht möglich. Trotzdem bestanden die Grundherren auf der pünktlichen Zahlung aller Leistungen. Sie Ausbeutung nahm sogar noch zu. So wurden jetzt auch die Kinder der Untertanen zum Gesindedienst für die Herren gezwungen. Diese ließen ihr Hutungsprivileg - sie durften ihre Schafherden zu gewissen Zeiten, um Michaelis (Ende September) und Georgi (Ende April) auf das "Gemeinland" jedes Ortes treiben - durch die Schäfer unrechtmäßig überschreiten, indem sie diese auf die Bauernfelder schickten, die so schon kaum etwas trugen. Dabei behinderten sie natürlich auch die normale Feldbestellung. Die Weißbach/Dittersdorfer Herde hatte dabei weit über 800 Schafe. 

Kirche von Dittersdorf um 1900
Kirche von Dittersdorf um 1900

Sicher waren inzwischen auch Nachrichten von der Französischen Revolution und ihren Freiheitsideen bis in unsere Gegend gedrungen, und die Bauern begannen, sich gegen die Unterdrückung durch ihre Feudalherren zu wehren, besonders gegen deren Helfer, die Pächter, Verwalter und Gerichtsdirektoren. So schreibt der Pfarrer von Dittersdorf: "Man brachte Beschwerde ein über den letzten Curt Heinrich von Einsiedel oder vielmehr über seinen Pächter Carl Gottlob Philipp und den Verwalter Daniel Frosch. Es seien 1699 andere Zeiten als nun .... Jetzt sei alles teuer. Sie müssten mehr Zinsgetreide schütten. Es sei viel Waldboden urbar gemacht worden, daher auch mehr Frondienste. Es werde bei Misswuchs nichts nachgelassen. Das Brot sei teurer geworden, aber nicht der Lohn, an 22 Pfennig täglich. Um 2 bis 3 Uhr müssten sie aufstehen kämen erst nach 12 Uhr nach Hause. Eine Magd bekomme 12 Taler 18 Groschen im Jahre. Sie müsse auch noch täglich einen Groschen der Herrschaft erspinnen.... Seit 30 Jahren seien sie von der Herrschaft verlassen und der Willkür der Pächter ausgesetzt." 

(aus (3) , Die Parochie Dittersdorf ab S. 178).

Die Herren von Einsiedel verließen um 1755 ihren Wohnsitz auf der Burg Scharfenstein und zogen in das moderne Herrenhaus, bzw. Schloss Dittersdorf. Wenn sich die Bauern von Dittersdorf 1790 als seit 30 Jahren verlassen bezeichneten, bezog sich das auf Kurt Heinrich von Einsiedel (1735-1809). Er war Generalfeldwachtmeister der Kavallerie und später Generalmajor und Kämmerer in österreichischen k. u. k. Diensten in Wien und somit nicht mehr in Dittersdorf anwesend.

Die Bauern leisteten zunächst passiven Widerstand bei der Erfüllung der Fronpflichten, aber sie handelten auch aktiv durch gerichtliche Klagen gegen den Grundherrn, durch Verjagen der Schafherden von ihren Feldern, durch bewusste Übertretung von Geboten, besonders das der Jagdausübung oder auch durch Flucht aus dem Herrschaftsgebiet. Einen letzten Anstoß zu besonderen Aktivitäten gaben möglicherweise die Aufruhrschriften des Seilers Christian Geißler aus Liebstatt (im Erzgebirge), der in seinen 8 Forderungen auch verlangte, das “unerträgliche Joch der Edelleute abzuschütteln." Sie sind weithin im ganzen Kurfürstentum Sachsen und sicher auch in unserer Gegend verbreitet worden und haben zu Aufständen geführt.

Die Erhebung

Weißbach um 1840
Weißbach um 1840

Am 3. 8. 1790 bringt eine Magd des Pächters vom Rittergut Weißbach samt Dittersdorf, Samuel Gottlieb Philipp, auch Erb- und Gerichtsherr auf Schlößchen Porschendorf und des Lehnshauses in Zschopau, den Reichenhainer Untertanen Bestellzettel zum Pflügen der Brache. Die Bauern lehnen den Dienst ab. Nun schickt Philipp eine Mahnung an den Lehnrichter Eichler in Reichenhain. Der antwortet, die Bauern seien entschlossen, nicht mehr zu Hofe zu fahren oder gehen zu wollen. Daraufhin werden sie am 6. 8. ins Lehngericht geladen. Dort bestätigen die Bauern, dass sie weder Gespann- noch Handdienste leisten wollen, weil sie bis gegen Weihnachten kaum Brot für sich noch Futter für ihr Vieh hätten. Auch in den anderen 5 Dörfern (Einsiedel, Erfenschlag, Dittersdorf, Weißbach und Kemtau) sind die Bauern am 5. und 6. 8. in ihren Gerichten versammelt und machen dasselbe aus wie in Reichenhain. Am 7. 8. beruft Gerichtsdirektor Ritter eine Versammlung für die Reichenhainer Bauern ins dortige Lehngericht ein um festzustellen, wer den Aufstand erregt und sich der Herrschaft widersetzt hat. Sie kommen, auch Pächter Philipp und Abgeordnete aus den 5 anderen Dörfern. Als die Anwesenden aufgefordert werden, ihre Namen anzugeben, verweigern sie das mit den Worten: "sie ständen alle für einen Mann, wollten aber keinen Streit mit der Gerichtsherrschaft." Der Gerichtsdirektor versucht, sich durchzusetzen, aber da "gibt es ein Schreien und Getöse der Bauern" und alle laufen aus der Stube in den Hof. Auch bei der dort fortgesetzten Beratung bleiben die Bauern bei ihrer Weigerung, keine Hand- und Spanndienste mehr zu leisten aus folgenden Grunde:

  1. Infolge Misswuchs an den Feldfrüchten gäbe es nicht genug Brot, sie müssten für sich selbst welches verdienen, daher könnten sie keine Handdienste mehr leisten. Wegen der Futternot müsste Vieh geschlachtet werden, deshalb könnten sie keine Spanndienste mehr leisten.
  2. Hofmeister Frosch von Weißbach habe ihre Fronen und Dienste willkürlich sehr vermehrt. Da sie mattes Vieh und Gesinde hätten, könnten sie das nicht mehr leisten.
  3. Das Rittergut hätte wüste Güter an sich genommen und verlange Dienste darauf, zu denen sie nicht verpflichtet seien.
  4. Man habe ihnen das Streurechen im Wald eingeschränkt, gewähre ihnen kein Reisigholz mehr und habe die Holzpreise erhöht.

Der Gerichtsdirektor hält ihnen entgegen, sie sollten auf Gottes Hilfe vertrauen, so sei schon manche Notzeit überstanden worden. Der Hofmeister Frosch sollte abgelöst werden. Die Beschwerden wegen der Wüsten Güter und der Einschränkung der Waldnutzung seien nur geringfügig und kein Grund zur Auflehnung.

Kurfürst Friedrich August III. von Sachsen, genannt "Der Gerechte", Quelle: Wikipedia
Kurfürst Friedrich August III. von Sachsen, genannt "Der Gerechte", Quelle: Wikipedia

Der Wortführer, der Lehnrichter Carl David Eichler aus Reichenhain, widerlegt besonders die Auslassungen Ritters zu Punkt 3. Er lehnt eine von diesem geforderte schriftliche Einreichung der Klagepunkte ab und kündigt eine Beschwerde unmittelbar an den Kurfürsten an. Am 9. 8. versammeln sich Vertreter der 6 Gemeinden im Lehngericht Einsiedel. Unter Mithilfe des Juristen Weise aus Ernstthal wird die angekündigte Beschwerde aufgesetzt und die bevollmächtigten Boten für die Fahrt nach Dresden zum Kurfürsten werden gewählt. Die Mitglieder der Delegation sind Lehnrichter Eichler aus Reichenhain, Gottlob Linke aus Dittersdorf, Carl Mehner aus Weißbach und der Häusler Gottfried Lohse aus Erfenschlag. Bis sie aus Dresden mit der Antwort zurück sind, sollen keinerlei Dienste mehr geleistet werden. Am 13. 8. reisen sie ab.

Am 16. 8. gibt der Gerichtsherr Ritter einen Bericht über die Vorfälle nach Dresden an sie Regierung und beklagt sich, dass seit dem 4. 8. noch keine Fronarbeit wieder geleistet worden ist und dass sich inzwischen auch die Drebacher und Venusberger Bauern dem Widerstand angeschlossen heben. Er denunziert als Hauptschuldige die Reichenhainer Bauern und vor allem ihren Lehnrichter und bittet den Kurfürsten um Entsendung von Militär. Das kann ihm nicht zugesagt werden, da die Truppen vor allem im Norden des Kurfürstentums gebunden sind. Hilfe kommt ihm aber durch ein Mandat der Regierung vom 20. 8. 1790 gegen die Tumulte der Bauern. Daraufhin lässt er am 24. 8. alle Dorfschaften nach Dittersdorf ins Lehngericht rufen. Dort verliest er zunächst ein kurfürstliches Mandat von 1726 gegen Aufstände und dann das neueste vom 20. 8. Doch die Bauern beharren weiter auf ihren Widerstand. Die anwesenden Amtsleute, der Amtmann Hilbert und der Amtsfron, können die Versammelten nicht zur Aufgabe ihrer Forderungen zwingen, weil die ihnen zur Verfügung stehende "Polizeimacht" sich aus einzelnen Dorfbewohnern zusammensetzt und dadurch unzuverlässig und auch zu schwach ist. Also muss Ritter weiter verhandeln.

Wolkensteiner Burg und Kirche um 1840
Wolkensteiner Burg und Kirche um 1840

An 28. 8. werden die Gerichtspersonen und Delegierte aus den Orten nach Wolkenstein gerufen. Inzwischen ist durchgesickert, dass die Regierung den Beschwerden der Bauern ablehnend gegenüber steht. Daraufhin versprechen die Beauftragten, ihre Dörfer von der Stellungnahme der Regierung zu unterrichten und die Meinung der Bauern dazu bis zum 1. 9. an den Gerichtsdirektor zu melden. Da die Bauern unter diesen Umständen schlimme Folgen bei weiterem Beharren auf ihren Widerstand befürchten, geben sie klein bei und erklären sich zögernd bereit, etwa die alten Frondienste wieder aufzunehmen, nicht aber die für die (durch die Grundherren später erworbenen) Wüsten Hufengüter. 3 Tage später kommt die Nachricht von der endgültigen Ablehnung der bäuerlichen Forderungen durch den Kurfürsten. Damit ist jede Hoffnung auf Hilfe durch Eingreifen des Landesherrn zu Gunsten der Bauern erloschen, und sie müssen ihre zunächst nur unter Vorbehalt gegebene Zusage nun voll einhalten und sich unterwerfen.

Danach begann die Suche nach den "Rädelsführern." 12 Bauern kamen in Untersuchungshaft, 4 Reichenheiner, 2 Erfenschlager, 2 Einsiedler, 2 Weißbacher, 1 Dittersdorfer, 1 Kemtauer. Als Anstifter und Hauptschuldiger wurde der Lehnrichter Eichler angesehen. Er gab die Beteiligung an dem Widerstand zu, bestritt aber, die Führung gehabt zu haben. Er verteidigte sich geschickt, wies darauf hin, dass keinerlei Exzesse und Tätlichkeiten vorgekommen seien und dass man nur deshalb die Dienste nicht gleich wieder aufgenommen habe, weil man auf einen Entschluss des Landesherrn warten wollte. Er erhielt 2 Monate Zuchthaus, die er in Torgau absitzen musste. Die übrigen bewiesen, dass sie das ihnen zur Last gelegte Tun als Boten, Delegierte oder Abgeordnete im Auftrage ihrer Gemeinden hätten übernehmen müssen. Es konnte unter ihnen kein weiterer “Rädelsführer" gefunden werden. Sie wurden am 7. 1. 1791 (!), also nach 4-monatiger Untersuchungshaft, eindringlichst verwarnt, aber nicht bestraft. Allerdings mussten sie die Gerichtskosten tragen. 

Die Regierung hatte Gründe für eine nicht allzu rigorose Bestrafung: Die Unruhe schwelte auch nach der Beendigung des offenen Widerstandes insgeheim weiter, und man wollte keinen neuen Aufstand. Die in Haft befindlichen Bauern konnten nicht arbeiten, ihr Gut nicht bewirtschaften, also gab es Verluste an Fronen und Zinsen. Wenn die Familie verarmte, musste sie irgendwie unterstützt werden, und auch die Herrschaft musste da einspringen. Auf der anderen Seite erhielten die beteiligten Gerichtspersonen, darunter die Lehnrichter Kunze aus Weißbach und Weigand aus Dittersdorf für ihre herrschaftstreues Verhalten ein Lob der kurfürstlichen Regierung.

Die Folgen

Der Aufstand zwischen dem 3. 8. und 4. 9. 1790 endete also mit einer Niederlage der Bauern, da es an einer einheitlichen zentralen Leitung, an Waffen und auch an Unterstützung durch die Stadtbevölkerung fehlte. Die Tage von 1790 waren aber nicht vergessen. Sie waren in den nächsten Generationen noch wach. lm September 1830 kam es in Chemnitz und den umliegenden Dörfern erneut zu Unruhen. Durch gemeinsames Vorgehen der städtischen Handwerksgesellen und der Bauern, die aus den nahen Ortschaften in die Stadt gezogen waren, wurden 50 Verweigerer von Frondiensten, die deshalb in der Amtsfronfeste saßen, befreit.

Nach einem Aktenfund in unserer Zeit, hatte der Aufstand von 1790 doch Folgen für die Untertanen des Kurt Heinrich von Einsiedel. Er hielt sich lt. dieser Akte im Frühjahr und Sommer 1793 zur Regelung von Angelegenheiten einige Zeit in seiner Herrschaft Dittersdorf auf. "In der Zeit von Februar bis Anfang April 1793 schlossen Kurt Heinrich von Einsiedel und seine Untertanen Vereinbarungen zur Klärung der gegenseitigen Rechte und Pflichten unter Ablösung von Frondienstleistungen der Untertanen durch Geldzahlungen". Nachzulesen hier.

Eine Entlastung der Bauern von den Dienstleistungen und damit eine gewisse Beruhigung auch in unserem Ort trat erst mit der Einführung der Landgemeindeordnung im Jahre 1839 ein. Frondienste wurden zum Teil durch Geldleistungen abgelöst, aber eine endgültige Befreiung von allen Fronen gab es erst um 1850. (4)

Quellen

(1) Broschüre "700 Jahre Gelenau im Erzgebirge"

(2) Johannes Pietzonka: "Der Wildschütz Karl Stülpner" 1981

(3) Neue Sächsische Kirchengalerie, Die Ephorie Marienberg, 1908

(4) Strauß, Rudolph: Die Untertanen der Herrschaft Weißbach mit Dittersdorf und der Herrschaft Neukirchen bei Chemnitz im antifeudalen Bauernaufstand von 1790. - In: Sächsische Heimatblätter, Jg. 18 (1972), Heft 5, S. 229-311.