Das Hutzengehen

Darunter versteht der gemeine obere Erzgebirger, einen Nachbar, Bekannten oder Freundin auf eine nicht lange Zeit zu besuchen, mit ihm oder ihr zu schwatzen. So habe ich bei gemeinen Leuten vorzüglich im Winter dieses Hutzengehn so bemerkt:

der Nachbar, die Bekannte oder Freundin kam im Negligee, grüßte, setzte sich auf die Ofenbank, fing ein Gespräch an, und war es eine Mannsperson, so schmauchte er ein Pfeifchen. Abends kamen mehrere Mädchen mit ihren Klöppelkissen und Klöppelflaschen, (dies sind runde Flaschen von sehr dünnen Glase mit hellem Wasser angefüllt, hinter welche das Lämpchen gestellt und dadurch ein klarer Schein auf das Spitzenmuster verbreitet wird) setzen sich um ein tischförmiges, rundes Gerüste, auf dessen Mitte ein Öllämpchen stand, stellten ihre Flaschen darum, setzten sich mit ihren Klöppelkissen bereit und nun ging das Klöppeln an, welches ein sonderbares Geräusche macht. Sie erzählten sich und sangen, scherzten und bemerkten nach besonders ausgesprochenen Sprüchen, wie viel sie Schläge gemacht hatten. (halbe, ganze oder Doppelschläge sind Kunstausdrücke beim Spitzenklöppeln) Dann kamen einzeln junge Burschen, welche sich mit hinzusetzten und scherzten, oder, da es meist junge Bergleute waren, erzählten, wie sie heute auf der Grube hätten unglücklich sein können, worüber die Mädchen erschraken und sie innig bedauerten. 

Kurz, solche Winterabende im Erzgebirge sind sehr interessant; wenn draußen im Schnee der Sturm tobt und man in der warmen Stube unter solchen gutherzigen Menschen traulich sitzt und ihren Erzählungen horcht, auch wohl gar von ihrer Gastfreundschaft mit der einzigen Kost, mit gebratenen Erdäpfeln traktiert wird, - in der Tat, wenn man die Menschen liebt, vergißt man hier Ball und glänzende Gesellschaften, wo selten ein warmes, gefühlvolles Herz schlägt, wo man nur der Eitelkeit und ausländischen Sitten fröhnt. O! unter diesen Naturmenschen befand ich mich besser, als in der sogenannten großen Welt; ich fand unter ihnen beinahe wieder, was ich dort verlor.