Vetters Hof

Vetters Hof mit Biergarten im Juni 2016
Vetters Hof mit Biergarten im Juni 2016

Wer Kemtau mit der Erzgebirgsbahn erreichte oder die Zwönitztalstraße entlang fuhr, kam an Vetters Hof nicht vorbei. Die von außen und innen sehr schön gestaltete Traditionsgaststätte war immer einen Besuch wert. Die beliebte Gaststätte gehörte jedoch nicht zu Kemtau sondern zum Ortsteil Eibenberg, genau genommen zu Neu-Eibenberg, den Kemtau endet an der Zwönitz und das Gebäude Zwönitztalstraße 14 liegt gleich hinter der Zwönitzbrücke.

Gleich neben dem Tresen war unser Lieblingsplatz
Gleich neben dem Tresen war unser Lieblingsplatz

Im Sommer konnte man als Wanderer oder Radler im Biergarten eine Rast einlegen. Im Winter ließ es sich am Kanonenofen in der gemütlichen Gaststube gut aufwärmen, dazu gab es bodenständige Kost.

Mit meiner Frau und Tochter im Lokal
Mit meiner Frau und Tochter im Lokal

Auch für mich und meine Familie war ein Besuch bei Vetters immer wieder eine schöne Abwechslung. Wenn es sich ergab, konnten wir uns manchmal mit dem Wirt unterhalten. Dabei ging es auch um meine Web-Seite von Kemtau und den Beitrag zu Vetters Hof. Martin Vetters war sehr aufgeschlossen zu einer weiteren Ausgestaltung mit einigen historischen Dokumenten und Bildern. Leider kam es dazu nicht mehr.

Nun hat Vetters Hof die Tore geschlossen. Martin Vetters, der Inhaber und Wirt, schrieb dazu auf der Internetseite des Gasthofes: 

Liebe Gäste, 

schweren Herzens müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir unseren Gaststättenbetrieb einstellen. 

Wir öffnen für Sie das letzte Mal am Sonntag, den 20.08.2017, von 11:00 bis 14:00 Uhr. 

Bitte behalten Sie uns in guter Erinnerung. 

Alles Gute. 

Damit hat die letzte Einkehrmöglichkeit in Kemtau und Eibenberg geschlossen. Es bleibt nur zu hoffen, dass es doch noch irgendwie weitergeht und das Haus nicht das Schicksal vom Gasthof Kemtau teilen muss. 

Für alle, die sich gern zurück erinnern

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Die letzte Speisekarte
zur Erinnerung an vergangene Zeiten
Speisekarte Vetters Hof 2016.pdf
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Wie alles begann

In der Mitte des 19. Jahrhunderts begann eine aufregende Zeit des Umbruchs. Es entstanden Fabriken, neue Straßen und die Eisenbahn warf ihre Schatten voraus. Auch vor Burkhardtsdorf machte diese Entwicklung nicht halt. Hier waren es Strumpffabriken die entstanden aber auch zahlreiche Gaststätten wurden neu eröffnet. Da in jedem Gasthof Bier ausgeschenkt wurde, brauchte man auch Brauereien. Auch in Burkhardtsdorf entstanden damals mit der Eisenbahnanbindung neue Gaststätten und somit der Bedarf an einer eigenen Brauerei. Glaubt man den Angaben in zahlreichen Quellen (1) begann die Geschichte der Zwönitztalbrauerei in der heutigen Talstraße im Jahre 1865 mit einer Brauerei Wartig. Leider gibt es keine Belege dafür. Erst im Jahre 1878 tauch dieser Name im Grundbuch von Burkhardtsdorf auf. In dieser Straße, die damals wie heute zu Burkhardtsdorf gehörte, arbeitete bis 1878 eine mit Wasserkraft betrieben Baumwollspinnerei. In diesem Jahr wurde jedoch nach einem Brand der Betrieb eingestellt. Die Wartig's kauften zwei der Gebäude auf, wann genau die Brauerei entstand ist nicht überliefert.

1880 begann ein Carl August Otto an ein Gebäude der Spinnerei angrenzend ein neues Brauereigebäude zu errichten. Otto kooperierte mit den Wartig's und es entstand die Brauerei Otto & Wartig (2). 1884 übernimmt Carl Hermann Wartig den Betrieb. Zwei Jahre später ging dann die gesamte Brauerei an Gustav Georg Dehnert über (3), der sie verpachtete. Um 1894 war Richard Marggraf der Pächter (4). 

Der Gebäudekomplex um 1905
Der Gebäudekomplex um 1905

1903 erwarb dann Otto Vetters den ganzen Brauereikomplex, der damals aus fünf Häusern bestand. Damit begann eine neue Ära für die Brauerei in Burkhardtsdorf, die bis heute andauern sollte, auch wenn schon lange nichts mehr an diesem Standort gebraut wird.

Die Zwönitztalbrauerei

Die neue Brauerei ab 1931
Die neue Brauerei ab 1931

Von nun an hieß die Brauerei Zwönitztalbrauerei Otto Vetters und wurde als Bierbrauerei und Mineralwasserproduktion bezeichnet (5). Er betrieb die renommierte Brauerei bis 1946. Gebraut wurde ein Lagerbier, Vetters Münchener, Vetters Pilsener, ein Süßbier und ein Weizenmalz. In den zwanziger Jahren wurden in Burkhardtsdorf die Straßennamen eingeführt und die Brauerei bekam die Adresse Talstraße 1. Gleich daneben, in der Talstraße 2 etablierte sich später die Pappenfabrik von Paul Rochhausen. Das heute bekannte Gebäude der ehemaligen Zwönitztalbrauerei wurde erst 1931 gebaut.

Brauereigasthof des Herrn Otto Vetters

Der Gasthof 1935
Der Gasthof 1935

Die Geschäfte mit dem Bier liefen offenbar gut, denn schon vor dem Ersten Weltkrieg gab es Pläne für den Bau eines eigenen Gasthofes. 1914 wurde die Baugenehmigung erteilt, aber erst 1926/27 wurde der heute denkmalgeschützte Gasthof gebaut. Neben der Gaststube und einem Vereinszimmer gab es Fremdenzimmer, eine Kegelbahn und Garagen im Gebäude. Emil Vetters, einer der sechs Söhne des Brauereibesitzers wurde mit 26 Jahren der Wirt des neuen Gasthofes für mehr als 30 Jahre. 

Werbung von 1932
Werbung von 1932

Wie alle Gaststätten in Burkhardtsdorf und Umgebung warb auch Emil Vetters in der "Burkhardtsdorfer Zeitung" für sein Gasthof. Zunächst noch als Bahnhofswirtschaft Eibenberg-Kemtau bezeichnet (6), stieg der Brauereigasthof zum Hotel auf.

Die DDR Zeit

Das ehemalige Wohn- und Verwaltungsgebäude der Brauerei heute
Das ehemalige Wohn- und Verwaltungsgebäude der Brauerei heute

Nach 1946 übernahmen zwei seiner Söhne die Geschicke der Brauerei. Otto Vetters junior wurde der Geschäftsführer und Willi Vetters der Braumeister.

Neben der Bierproduktion wurden dort auch Limonade und verschiedene Schnäpse und Liköre hergestellt. Die Produkte wurden im näheren Umfeld der Brauerei vertrieben. Also in Burkhardtsdorf, Eibenberg, Kemtau, Niederzwönitz, Dorfchemnitz, Thalheim, Meinersdorf, Jahnsdorf, Gornsdorf, Auerbach, Klaffenbach, Berbisdorf, Dittersdorf, Weißbach, Gornau und Gelenau. 

Das alte Brauereigebäude heute Foto: Martina Hünlein
Das alte Brauereigebäude heute Foto: Martina Hünlein

Die Beschaffung von Getränken war in der DDR besonders zur Sommerszeit immer wieder ein Problem. Es gab einfach zu wenig. Besonders das Bier aus der Massenproduktion wurde damals schnell trübe und schmeckte nicht. Das lag daran, dass es nicht pasteurisiert war. 

Deshalb war so eine kleine Privatbrauerei, wie die Zwönitztalbrauerei Otto Vetters & Söhne, etwas Besonderes. Das Bier war frisch und schmeckte, speziell das Bockbier. 

In einem Artikel der "Freien Presse" erinnert sich Jörg Vetters, heute Miteigentümer der Immobilie, an seine Kindheit im Umfeld der Brauerei. Wie das Bier damals frisch blieb, beschreibt er so: "Das Eis zur Kühlung haben sie aus einem nahe gelegenen Teich geholt. Stolze eineinhalb Kilometer wurden die massiven Brocken manchmal sogar mit dem Pferdefuhrwerk in den Eiskeller der Zwönitztalbrauerei transportiert. Dort hielt sich das Eis etwa bis August, September".

Die Zwönitztalbrauerei wurde noch bis 1972 als Privatbrauerei betrieben. Eine Auswahl der beliebten Produkte zeigt die Bildergalerie.

In Vetters Hof wechselten nach dem Ende der Ära Emil Vetters ab 1961 die Besitzer. 

1961-1973 Martha und Rudolf Fritzsche bzw. Erika und Günther Wutzler

1973-1976 Sonja und Horst Tettalowsky

1976-1977 Harald Köhler

1977-1983 Ursula und Hors Emmrich

1983-1991 Helga und Stefan Richter

Für Gastwirte war es eine schwere Zeit, kulinarisch hatte man nicht viel zu bieten, blieben die Getränke. Davon konnte man nicht gut leben, aber Vetters Hof hat auch die Mangelwirtschaft der DDR überlebt.

Nach der Wende

Ab 1990 wehte natürlich ein frischer Wind in Eibenberg und auch in Vetters Hof. Auf der Speisekarte stand nun neben der gutbürgerlichen Küche auch Pizza und Pasta im Angebot. Dennoch wechselten wieder die Pächter.

1991-1992 Monika und Siegfried Vetters

1992-2001 Gisa Lösch und Sohn Steffen

2002-2004 Ernst Rogge

Dann übernahm im Jahre 2004 Martin Vetters, Ur-Enkel von Otto Vetters, die Wirtschaft. Nun zog wieder Beständigkeit ein und die zahlreichen Gäste bestätigten das neue Konzept. 

Wie es endete, ist bekannt. 2017 schloss Vetters Hof endgültig. 

Quellen

(1) Sächsische Brauereien: Braustätten der Vergangenheit & Gegenwart, Robin Hermann, 2011

(2) Adreßbuch der Umgegend von Chemnitz für das Jahr 1880

(3) Stolz's Adress-Buch der Chemnitzer Umgebung 1893

(4) Burkhardtsdorf i. Erzg, Möckel's Adreß- und Auskunftsbücher 1894

(5) Adreßbuch der Handelsfirmen und Gewerbetreibenden sowie der Gutsbesitzer der Umgebung von Chemnitz 1913

(6) Adreßbuch der Stadt Chemnitz 1928

(7) 550 Jahre dörfliches Leben Kemtau / Eibenberg