Die Sage vom Geldkeller im Greifenstein

Zwischen Geyer, Thum und Ehrenfriedersdorf liegt der sogenannte Greifenstein hoch auf einer wilden Höhe im Walde: es sind Felsen, die sich gählings bald höher bald niedriger in die Höhe erheben und aussehen, als wären große Steine in einer gewissen Ordnung mit Fleiß auf einander geschichtet; rings herum liegen ebenfalls viele große Felsstücke mit Erde bedeckt und überraset, mit Bäumen und Sträuchern bewachsen, ganz so wie wahrscheinlich eine vorweltliche Erdumwälzung diese sonderbaren Steingruppen gestaltet hat; den Namen sollen die Felsen daher haben, daß hier einstmals ein Greif genistet hat. Unter einem dieser Felsen ist ein offenes Loch zu sehen, in welches ein Mensch ganz bequem hineinkriechen kann. Von diesem Loche erzählen alte Leute, daß vor Zeiten einst eine Magd, die sonst, wenn sie an dem Orte gegrast, öfters daselbst mit Namen gerufen ward, im Beisein einer anderen Magd auf abermaliges Rufen hinein gegangen sei, nachdem sie letzterer verlassen, sie solle ihr, wenn sie schreien werde, zu Hilfe kommen. Es hätte nun die hineingehende einen großen Kasten mit Geld und Gold und einen Hund dabeiliegend getroffen und auf Befehl einer Stimme das Grastuch damit angefüllt. Als aber inzwischen der Eingang ganz enge geworden sei und sie deshalb der anderen Magd um Hilfe zugerufen, wäre der Hund auf sie losgesprungen und hätte alles von ihr Eingeraffte wieder aus dem Grastuche herausgescharrt, darauf sie voller Schrecken von der andern herausgezogen worden, den dritten Tag nachher aber vor Furcht gestorben sei. Es sei auch einst ein gewisser alter Mann, Namens Christoph Hackebeil, verführt worden, daß er des Nachts über daselbst in einer Höhle bleiben müssen.

 

Aus: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 449