Die Anfänge des kursächsischen Postwesens

von Frank Müller, Klaffenbach

Laut Erlass des kurfürstlichen Oberpostamtes zu Leipzig vom 13. Juni 1696 wurde „zur Beförderung der Korrespondenz und Fortbringung reisender Personen eine wöchentlich zweimal gehende, geschwinde fahrende Post von Leipzig über Borna, Penig, Frohburg, Chemnitz, Ehrenfriedersdorf, Thum nach Annaberg“ eingerichtet. Auch der Heimatforscher und frühere Burkhardtsdorfer Schuldirektor Engelbert Uhlig nahm in der Burkhardtsdorfer Ortschronik darauf Bezug, dass die Postroute von Leipzig nach Annaberg im Jahre 1696 eingerichtet worden sei.3 

Das warf die Frage auf, wieso dann die Gutsherrschaft schon 25 Jahre früher, also 1671 eine Schenke und Poststation in recht isolierter Lage vom Dorf errichten ließ und ob die Landstraße schon damals ungefähr dem heutigen Verlauf folgte. Der scheinbare Widerspruch sei Anlaß, die Anfänge des Postwesens in Kursachsen bis ungefähr 1700 einmal in groben Zügen zu skizzieren.4

 

In erster Linie waren es die Händler, die mit ihrer Geschäftskorrespondenz weite Strecken überwinden mussten. Daher unterhielten Händlergilden wie die Hanse bereits im Mittelalter eigene Botenzüge, mit denen sie nach Bedarf die entsprechenden Verbindungen herstellten. Klöster, Universitäten und Handwerkerzünfte folgten ihrem Beispiel. Privatleute mussten hingegen Gelegenheiten abpassen und ihre Briefe reisenden Kaufleuten, wandernden Handwerkern, Pilgern oder hausierenden Juden, die sich auf diese Weise ein Zubrot verdienten, mitgeben. 

Es ist klar, dass viele Briefe auf diese Weise den Empfänger nur verspätet und auf Umwegen erreichten. Die oftmalige Unzuverlässigkeit und Nachlässigkeit der zufälligen Boten führte in den großen Handelsstädten schon Ende des 14. Jahrhunderts zur Einrichtung regelrechter Botenanstalten, deren Mitglieder zunftmäßig organisiert waren. 

Ab 1590 gab es in Leipzig einen städtischen Botenmeister, der die Boten beaufsichtigte und abfertigte. Die Leipziger Botenordnung von 1608 war die erste geschriebene Dienstanweisung, die neben Pflichten und Disziplinarstrafen für die Boten zu Fuß oder zu Pferde auch den Botenlohn festsetzte. Bei der Botenstube hing eine Tafel, auf der die Namen der Briefempfänger angeschrieben wurden. Wurde ein Brief nicht binnen 2 Stunden abgeholt, so wurde er gegen eine zusätzliche Bestellgebühr von 3 Pfennigen dem Empfänger zugestellt. 

Neben diesen zuerst privat, dann kommunal betriebenen Einrichtungen gab es bis Ende des 17. Jahrhunderts die nicht öffentliche, kurfürstliche Hofpost. 

Schon bei den germanischen Völkern sei es Sitte gewesen, dass die Leute den Fürsten auf deren Reisen ihre Dienste freiwillig anboten, heißt es in der "Geschichte des Sächsischen Postwesens". Daraus sei mit der Zeit ein Gewohnheitsrecht und schließlich die Pflicht der Hoffolge entstanden. Dieser Gebrauch habe sich allmählich von den Reisen des Landesfürsten auf sämtliche Reisen der Abgesandten im Auftrage der Landesherrschaft und schließlich auch auf Boten und Diener ausgedehnt, die Befehle der Landesherrschaft zu übermitteln hatten. Dies wurde in eine Lehnspflicht umgewandelt, der Städte, Klöster, Rittergutsherrschaften und mitunter auch Dorfgemeinden unterstanden. Die zu stellenden Pferde nannte man Lehnklepper5, etwa benutzte Fahrzeuge hießen Dienstgeschirre. 

Weil dieses System nicht gut funktionierte, wurde 1563 die Pflicht der Gestellung von Lehnkleppern und Dienstgeschirren in eine Geldabgabe umgewandelt, die der Verbesserung der Hofpost dienen sollte. Schon unter Herzog Georg dem Bärtigen, der die Statthalterschaft in Westfriesland antrat, waren 1514 regelmäßige Botenritte mit Wechsel von Station zu Station zwischen Meißen und dem westfriesischen Slutorrp eingerichtet worden. Kurfürst August war bestrebt, diese Einrichtung einerseits durch Erhöhung der Botenlöhne und andererseits durch  strenge Strafen bei Versäumnissen der Boten weiter zu verbessern.1574 ernannte Kurfürst August einen Postmeister in Dresden, auch gab es für bestimmte Postritte schon feste Abgangszeiten, Beförderungsfristen und eine Art Stundenzettel zur Kontrolle der Postboten. 

Kurfürst August suchte auch Postverbindungen ins Ausland zu knüpfen und bat dafür um kaiserliche Genehmigung. Dies stieß aber auf Widerstand, da der Kaiser bereits die Grafen von Taxis mit entsprechenden Privilegien ausgestattet hatte, ohne allerdings hierfür die Zustimmung der Reichsstände eingeholt zu haben. Eine Einigung kam Ende des 16. Jahrhunderts nur mit benachbarten Fürstentümern zustande, so z.B. mit Braunschweig, Hessen und nach einigen Schwierigkeiten mit Brandenburg. Daneben gab es zeitlich begrenzte laufende Posten, wenn der Kurfürst auf den Reichstagen weilte. 

Mit dem Tode des Kurfürsten August geriet die Hofpost zunächst in Verfall. Weil aber das Bedürfnis nach regelmäßigen Postverbindungen bestand und sich die städtische Botenanstalt in Leipzig bewährt hatte, erteilte Kurfürst Johann Georg I. dem Leipziger Botenmeister Johann Sieber das Prädikat als Postmeister. Wenig später wurde die erste "Ordinari-Post" nach Frankfurt a. M. In Gang gesetzt. Somit vollzog sich nach und nach – teilweise gegen den Widerstand des Leipziger Rates - die Umwandlung von einer städtischen in eine landesherrliche Einrichtung. 

Der Dreißigjährige Krieg bedeutete einen schweren Rückschlag auch für das Postwesen. Aus der Not heraus wurde wieder die Gestellung von Lehnkleppern verlangt, oft neben der Ablösesumme, wodurch die Hofpost zu einer drückenden doppelten Belastung wurde. Oft ritten die Kuriere die fremden Pferde zuschanden und gestatten sich auch sonst willkürliche Übergriffe. 

Abbildung 1: Leipziger Postschalter (SLUB Dresden)
Abbildung 1: Leipziger Postschalter (SLUB Dresden)

Bereits 1616 hatte sich der Frankfurter Postmeister derer von Thurn und Taxis mit dem Leipziger Postmeister Sieber in Verbindung gesetzt, um den Postkurs Frankfurt a. M. - Leipzig einzurichten. Sieber, der zur Übernahme des kaiserlichen Postmeisteramtes gedrängt wurde, bat seinen Landesherrn um Verhaltungsbefehle und erhielt zunächst zur Antwort, er könne dies auf Widerruf annehmen. Auf diese Weise glaubte Graf von Taxis, in Sachsen Fuß fassen zu können. Er ignorierte dabei geflissentlich die Tatsache, dass Sieber bereits vom Landesfürsten zum Postmeister bestellt worden war. Als Graf von Taxis aber mit Hilfe eines kaiserlichen Rescripts an den Kurfürsten die Zustimmung erwirken wollten, dass Sieber ihm als Erbgeneral über die Posten im deutschen Reich einen Treueeid leisten solle, überspannten er den Bogen. Von sächsischer Seite ließ man die Sache im Sande verlaufen, als 1628 Graf Taxis starb, zumal man dem Kaiser ohnehin das Hoheitsrecht über das Postwesen bestritt. Auch zahlreiche weitere Thurn- und Taxissche Übernahmeversuche nach dem Dreißigjährigen Krieg wurden mittels geschickter Hinhaltetaktik abgeschmettert, während das Postwesen im Lande immer mehr aufblüht und sich zu einem lukrativen Geschäft entwickelte.

Wie sah es nun mit Postverbindungen in unserer Gegend aus? 

Gemäß dem Postbericht von 1616, der in dem Buch "Die Geschichte des sächsischen Postwesens" abgedruckt ist, gab es von Leipzig wöchentliche Boten über Penig, Chemnitz, Zschopau, Marienberg und Kommotau nach Prag. Die gesamte Strecke wurde dabei in vier Tagen zurückgelegt, wobei Chemnitz nach 1½ Tagen, Zschopau bzw. Marienberg nach 2 Tagen erreicht wurden.

Eine weitere Postverbindung von Leipzig nach Dresden und weiter nach Prag wurde 1625 eingerichtet. Die Boten liefen zweimal wöchentlich, wobei die sächsischen Postboten bis ins böhmische Peterswalde zuständig waren. 1652 wurde diese Verbindung in eine Reitpost umgewandelt. Die Strecke zwischen Dresden und Peterswalde wurde nun von böhmischer Seite bedient. Allerdings beförderten die böhmischen Postillione auch auf sächsischem Gebiet heimlich Briefe, was Einnahmeverluste zur Folge hatte. Daher wurde grenznah in Hellendorf eine sächsische Poststation eingerichtet, damit die Briefe im eigenen Land durch sächsische Postillione befördert werden konnten. 1683 kam auch eine Post-Kalesche von Leipzig nach Dresden hinzu. 

Ab 1650 ist von einem Postamt in Chemnitz die Rede.6

 

Nach Karlsbad hatten die Postmeister in Johann-Georgenstadt und Annaberg schon längst eigene Briefposten eingerichtet. Wenn also wie eingangs erwähnt die fahrende Post auf der Route Leipzig - Annaberg erst 1696 eingerichtet wurde, so muss es schon vorher zumindest eine laufende oder reitende Briefpost und einen Reiseverkehr durch Lohnkutscher gegeben haben. Während 1755 die fahrende Post nach Annaberg dienstags und sonnabends abends ab Leipzig verkehrte, ging die Briefpost nach Chemnitz täglich früh ab und die Post in die genannten böhmischen Orte startete mittwochs und sonnabends abends ab Leipzig.Somit waren selbst 1755 neben der fahrenden Post noch reitende Postboten unterwegs. 

Abbildung 2: Postrouten im Jahre 1755 (SLUB Dresden)
Abbildung 2: Postrouten im Jahre 1755 (SLUB Dresden)

Damit kann man die eingangs gestellte Frage nach der Gründung der Bergschenke Klaffenbach im Jahre 1671 dahin gehend beantworten, dass dies wohl ein Versuch der Gutsherrschaft Neukirchen war, aus dem schon bestehenden Post- und Fernverkehr auf der Straße Leipzig-Annaberg Einnahmen zu generieren bzw. im Zusammenhang mit dem neu erworbenen Marktrecht für Neukirchen eine bessere Anbindung an den Fernhandel zu erzielen. Die gesonderte Festlegung eines "Leichenweges" von der Schenke ins Dorf belegt zugleich, dass der damalige Fernverkehr schon in etwa der heutigen Trasse der B95 folgte und nicht etwa durch das Dorf Klaffenbach führte.8

 

Abschließend sollen einige Reproduktionen aus dem Leipziger Adreß- Post- und Reise-Calender von 1755 die verschiedenen Leistungen der Post und die dafür erhobenen Gebühren um die Mitte des 18. Jahrhunderts illustrieren. Wenn man bedenkt, dass ein Tagelöhner damals etwa 2 Groschen erhielt, was dem Preis eines Siebenpfundbrotes entsprach, und ein Handwerker täglich etwa das Doppelte verdiente, so wird klar, dass die Masse der Bevölkerung die Dienste der Post wohl nur ausnahmsweise in Anspruch nehmen konnte.10

 

 

Abbildung 3: Beförderungsleistungen und Tarife 1755 (SLUB Dresden)
Abbildung 3: Beförderungsleistungen und Tarife 1755 (SLUB Dresden)
Abbildung 4: Entfernungen und Personenbeförderungstarife 1755 (SLUB Dresden)
Abbildung 4: Entfernungen und Personenbeförderungstarife 1755 (SLUB Dresden)

Die Verhältnisse im 19. Jahrhundert sind in dem Kapitel "Die Geschichte der Poststraße von Leipzig nach Annaberg" geschildert.


1 Geschichte der Stadt Chemnitz, https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Stadt_Chemnitz, abgerufen im Dez. 2015. Eine Quelle für dieses Zitat, das auch sonst verschiedene Male im Internet auftaucht, konnte ich leider noch nicht eruieren. 

2 Webseite der Gemeinde Burkhardtsdorf, http://www.burkhardtsdorf.de/burkhardtsdorf/content/8/20120217110953.asp abgerufen im Dez. 2015 

3 siehe auch Lexikon Kursächsische Postmeilensäulen, transpress VEB Verlag für Verkehrswesen Berlin, 1989, S. 57ff 

4 Zur folgenden Darlegung sowie Abb. 1 siehe Gustav Schaefer, Die Geschichte des Sächsischen Postwesens, SLUB Dresden, http://digital.slub-dresden.de/id394202635 (CC-BY-SA 4.0) 

5 von altdeutsch: kleppen=rennen

6 Lexikon Kursächsische Postmeilensäulen, transpress VEB Verlag für Verkehrswesen Berlin, 1989, S. 263 

7 Leipziger Adreß- Post- und Reise-Calender Auf das Jahr Christi M. DCC. LV., SLUB Dresden, http://digital.slubdresden.de/id372456510-17550000 (CC-BY-SA 4.0)

8 Beispielsweise behauptet das oben zitierte Lexikon Kursächsische Postmeilensäulen auf S. 266, die Poststraße sei durch den gesamten Ort Klaffenbach verlaufen. Zum "Leichenweg" siehe das Kapitel über die Bergschenke und Andreas Bochmanns Kauf um seines Vaters Christian Bochmanns hinterlassenes Gut, Sächs. Staatsarchiv, Bestand 12613 Gerichtsbücher, Nr. 188 Klaffenbach, fol. 125 

9 Leipziger Adreß- Post- und Reise-Calender Auf das Jahr Christi M. DCC. LV., SLUB Dresden, http://digital.slubdresden.de/id372456510-17550000 (CC-BY-SA 4.0)

10 Lexikon Kursächsische Postmeilensäulen, transpress VEB Verlag für Verkehrswesen Berlin, 1989, S. 62


Bildnachweis:

1:    SLUB Dresden, http://digital.slub-dresden.de/id394202635 (CC-BY-SA 4.0)

2-4: SLUB Dresden, http://digital.slub-dresden.de/id372456510-17550000 (CC-BY-SA 4.0)