Landete 1908 im Garten des Gasthof Auenberg ein Zeppelin?

Schaut man sich im Beitrag zur Burkhardtsdorfer Zeitung den Werbeteil zur Pfingstbeilage von 1908 genauer an, fällt in der mittleren Spalte die nebenstehende Annonce des Gasthofs am Auenberg auf. Kann es sein, dass Pfingsten 1908 ein Zeppelin über Auenbergs Garten flog? Jeder weiß natürlich, dass es eine Zeit gab, zu der diese riesigen Luftschiffe über Deutschland flogen. Aber wann genau war das? "Der verrückte Graf vom Bodensee" wurde einst Ferdinand von Zeppelin genannt, was machte sein Luftschiff also über Burkhardtsdorf? Oder landete es sogar im Garten? Das klingt alles sehr rätselhaft.

Quelle: Wikipedia
Quelle: Wikipedia

Um den Eindruck von einer Landung eines Luftschiffes zu bekommen, kann man das Gemälde von 1910 betrachten. "Zeppelins Landung in München, Gemälde der ersten Zielfahrt Zeppelins am 2. April 1909 von Michael Zeno Diemer" heißt dieses martialische Bild. Und das im Garten von Gasthof am Auenberg? Niemals! Eine Landung kann man mit Sicherheit ausschließen. Flog aber ein Zeppelin über die Gegend, vielleicht mit Kurs Chemnitz oder Dresden und konnte in Burkhardtsdorf gesehen werden? Seit wann gab es eigentlich Zeppeline und welche gab es 1908? Gab es damals auch Kleinere für Werbefahrten?

Die Zeppeline im Jahre 1908

Quelle: Wikipedia
Quelle: Wikipedia

Sucht man im Internet nach "Zeppelin 1908" findet man ein riesiges Luftschiff von 136 m Länge mit dem Namen LZ 4. Hierbei handelte es sich nicht um eine Modellbezeichnung, sondern um Luftschiff Zeppelin Nummer 4. Die fortlaufende Nummerierung begann 1900 mit LZ 1 und endete 1938 mit LZ 130 "Graf Zeppelin II". Das Foto zeigt LZ 4 vor dem schwimmenden Hangar auf dem Bodensee. Dieser wurde vor dem Start oder der Landung in die Flugrichtung gedreht. Das klingt nicht nur nach "Science Fiction", es sah auch so aus. Das LZ 4 war ein frühes lenkbares Luftschiff Zeppelin, das für Langstreckenflüge bis zu 24 Stunden konzipiert war. Es hätte also vom Bodensee bis Chemnitz fliegen können, aber der erste Start erfolgte erst am 20. Juni 1908 (1). Damit konnte das LZ 4 nicht Pfingsten 1908 über Burkhardtsdorf gesehen werden. Allerdings ist die zeitliche Nähe sicher kein Zufall. 

(1) Die Fahrten des LZ 4, 1908, Lutz Tittel, 1983

LZ 2 auf dem Bodensee
LZ 2 auf dem Bodensee

Blieben also noch das LZ 1, 2 oder 3, was war aus denen geworden? Das erste Luftschiff des Grafen Zeppelin stieg am 2. Juli 1900 zu einem 18 minütigen Probeflug auf. Nach 6,5 Kilometern musste der Graf auf dem Bodensee notlanden. Das Luftschiff musste repariert werden. Erst im Oktober 1900 erfolgten noch zwei weitere Probeflüge, die auch nicht erfolgreich verliefen. Nun war erstmal das Geld alle und LZ 1 wurde verschrottet.

Vier Jahre später unternahm der Graf, finanziert durch eine Lotterie, einen neuen Versuch mit LZ 2. Im November 1905 ging das Luftschiff zu einem kurzen Probeflug an den Start. Beim zweiten Start am 17. Januar 1906 geriet das LZ 2 in einen Sturm. Die Motoren und die Steuerung versagten und bei der Notlandung wurde das Luftschiff irreparabel beschädigt. Mit den noch brauchbaren Teilen, wurde LZ 3 gebaut.

Am 9. Oktober 1906 begannen die Testflüge des LZ 3. Das Luftschiff sollte militärisch genutzt werden. Die Armee stellte jedoch Forderungen hinsichtlich der Reichweite. Zunächst war das LZ 3 nicht für Langstreckenflüge geeignet. Ein Jahr lang wurde das Luftschiff getestet und im Oktober 1907 im schwimmenden Hangar für den Winter fest gemacht. Am 14. Dezember fegte ein Sturm über den Bodensee. Der Hangar wurde aus der Verankerung gerissen und trieb mit dem LZ 3 ans Ufer. Das Luftschiff wurde schwer beschädigt und musste repariert werden. Dabei erfolgte auch der Umbau zu einem Langstrecken Luftschiff. Erst am 21. Oktober 1908 konnte LZ 3 wieder starten.

Fazit: Pfingsten 1908 gab es kein flugfähiges Luftschiff Zeppelin! Was war also im Gasthof Auenberg in Burkhardtsdorf damals zu sehen?

Des Rätsels Lösung

Also noch einmal genauer in die Burkhardtsdorfer Zeitung geschaut. Am 6. Juni taucht im Werbeteil der Zeitung noch eine weitere Anzeige des Gasthofes Auenberg auf. Hier ist nun die Rede vom Aufsteigen eines Luftschiffes Zeppelin, was definitiv nicht sein konnte. Zumindest nicht Zeppelin's Zeppelin. 

Nun muss ich zu meiner Schande gestehen, dass ich die Beilage zur Pfingstausgabe nicht gründlich genug durchgesehen habe, sonst wäre mir das Gedicht, oben rechts im Werbeteil, aufgefallen:

Achtung!

Wohin? Fragt man zum Feiertagen

Hierüber möchte ich Dir vorschlagen:

Nicht wandern, schwitzen, sonst verreisen.

Nicht in Wald, wo Insekten beißen,

Den schönsten Platz und feinsten Sport

Haben wir auch in unserm Ort.

Wir haben hübsche Parkanlagen,

Wo man sitzt ohne Not und Zagen.

Abends elektrisch Licht im Garten,

Flotte Bedienung zu erwarten.

Für gute Küch' und Labetrunk

Ist auch gesorgt für Alt und Jung.

Und ganz besonders ist zu sehen

Ein Aufstieg lebhaft in die Höhen,

Ein lenkbares Luftschiff Zeppelin.

Mit Feurung, zwei Gondeln nach Berlin

Das Schiff ist groß, fünf Meter lang,

Reist ab mit Gesang und Trommelklang.

Im Gasthof Auenbergs Alleen

Wird man die Seltenheit jetzt sehen,

Dies ist noch nie dagewesen

Und bleibt nur Pfingsten auserlesen,

Am schönsten Ort und Aufenthalt

Im Garten-Hotel Grunewald.

Das Buffet hat doch übernommen

Unterzeichneter, heißt willkommen

Freunde, Gönner Vereinsmitglieder,

Feuerwehr, Sänger und Turnbrüder.

Heitren Besuch nicht wenig, viel

Sieht dankend entgegen Dietrich Emil.

Nun ist das Rätsel gelöst, die findigen Betreiber des Gasthofes hatten sich einen besonderen Werbegag einfallen lassen. Dass sie dabei durch den Zeppelin LZ 4 inspiriert wurden, liegt durch den Erststart dieses Luftschiffes im gleichen Monat sehr nahe. Vermutlich wurde im überregionalen Teil der Burkhardtsdorfer Zeitung zuvor vom bevorstehenden Flug berichtet. Daraufhin wurde dann wohl das 5 Meter lange Modell gebaut. Schade, dass es davon kein Foto gibt.

Das Ende des LZ 4

Quelle: Wikipedia
Quelle: Wikipedia

Bleibt noch zu ergänzen, was aus dem originalen Zeppelin wurde. 

Das LZ 4 absolvierte im Jahre 1908 zahlreiche Langstreckenflüge im Süden Deutschlands und in der Schweiz und sorgte für Schlagzeilen. Am 5. August endete ein weiterer Testflug in einer Katastrophe. Nach Motorproblemen musste das Luftschiff auf einem Feld bei Echterdingen südlich von Stuttgart zwischenlanden. Mit Trossen angepflockt, war der 136 Meter lange Koloss schnell von Schaulustigen umringt. Ein aufkommender Sturm riss das Schiff aus seiner Verankerung. Es streifte einen Obstbaum auf dem Feld, der die Hülle des mit zehntausend Kubikmeter Wasserstoff gefüllten Zeppelins aufriss. Vor den Augen einer fassungslosen Menschenmenge explodierte das Luftschiff und nach kürzester Zeit blieben von der stolzen Konstruktion nur noch rauchende Trümmer übrig.

Diese Katastrophe bedeutete jedoch nicht das Aus für Zeppelins Luftschiffpläne. Im Gegenteil, sie führte zu einer beispiellosen Geldspendenaktion, die dem Grafen helfen sollte, ein neues Luftschiff zu bauen. Es kamen sagenhafte 6,5 Millionen Reichsmark zusammen. Die Ära der Zeppeline konnte nun beginnen.

Möglich wurde diese Volksspende durch die Popularität dieser riesigen Luftschiffe, zu der auch die Burkhardtsdorfer Pächter des Gasthofes zum Auenberg ein klein Wenig beitrugen. Im Ergebnis dieser Aktion spendeten die Burkhardtsdorfer immerhin 86 RM für den Grafen Zeppelin und der Gemeinderat rundete die Summe aus Gemeindemitteln auf 100 RM auf.

Es sollte nach diesem denkwürdigen Pfingsten in Burkhardtsdorf kein Jahr vergehen, als eine rasante Entwicklung der Luftschifffahrt einsetzte. Im Frühjahr 1909 entwickelte die Aerostations-Gesellschaft mit Sitz in Frankfurt a.M. ein Projekt für die ersten Motorluftschifflinien. Eine davon sollte die Strecke München - Dresden über Plauen und Chemnitz sein. Am 28. August 1909 überflog zum erstem Mal ein Zeppelin den Raum Chemnitz, es war der LZ 6 auf dem Weg von München nach Berlin. Ob man dieses Luftschiff von Burkhardtsdorf aus gesehen hat, ist nicht bekannt.

Es sollten nun doch noch drei Jahre vergehen bis ein Zeppelin in Chemnitz regulär landete. Es war das abgebildete Großluftschiff LZ 11 "Viktoria Luise", das am 28. August 1912 aus Gotha kommen in Chemnitz ankam. Sicher gab es interessierte Burkhardtsdorfer oder Kemtauer, die den An- und Abflug vom Aussichtsturm auf dem Geiersberg bzw. vor Ort in Chemnitz beobachteten.

Luftschiffe über Sachsen