Ausflugslokale im Erzgebirge zur DDR-Zeit

Die DDR ist nun schon über 30 Jahre Geschichte, aber viele ältere Kemtauer und Burkhardtsdorfer werden sich noch an ihre Ausflüge erinnern, die auch geprägt waren durch einen Besuch in einer Gaststätte, einem Cafe oder Restaurant. Was kann besser solche Erinnerungen wecken, als die Betrachtung einer historischen Speisekarte aus DDR-Zeiten. Bei einen Mausklick auf die Bilder der Speisekarten, werden diese vollständig angezeigt.

Berggaststätte Greifensteine

Eine Ausflugsziel an dem wohl kein Erzgebirger vorbeikommt, sind die Greifensteine. Nicht nur für ihre Kletter- und Aussichtfelsen ist die Region bekannt, auch die seit 1952 regelmäßig bespielte Naturbühne und das weitläufige Waldgebiet mit der Stülpnerhöhle ist ein Anziehungspunkt der Region. Auch der Greifenbachstauweiher lockt im Sommer die Besucher an. 

Ein Klick auf das Bild zeigt die DDR-Speisekarte von 1982 an. Die Jahreszahl zeigt der Vermerk der Druckerei in der Fußzeile von Seite 6 (III/6/19 82 12 14 KiG 86) und der angefügten Karte (D 15/85) an.

Die Gestaltung der Karte deutet eher auf die 1950er Jahre hin, aber die Speisen sowie deren Preise stammen eindeutig aus den 80ern. Typisch für die Zeit war das Schweinesteak "Zigeuner Art", aber auch das besondere Angebot flambierter "Greifenstein-Spieß" für zwei Personen zu einem besonderen Preis. Möglicherweise hat man sich beim Layout einer älteren Vorlage bedient, um auf die lange Tradition hinzuweisen.

Etwas rätselhaft ist die nebenstehende Karte von der Stülpner Höhle. Jeder, der die Greifensteine besucht, kennt natürlich die Stülpner Höhle in nahegelegenen Wald. Und jeder weiß, dass es dort noch nie etwas zu essen gab oder gibt. Schon gar keine HO-Gaststätte mit einen dürftigen Imbissangebot. Allerdings gab es neben dem Freisitz der Berggaststätte, rechts vom Eingang zur Natursteinbühne des Eduard-von-Winterstein-Theaters, schon immer eine Imbissbude mit Bänken und Tischen. 1976 hatte wohl die HO (Handelsorganisation) den Imbiss gepachtet und den originellen Namen "Stülpner Höhle" gegeben.

 

Frohnauer Hammer

Das im Annaberger Stadtteil Buchholz gelegene Hammerwerk steht immer wieder als Ausflugsziel ganz oben. Zu einem Besuch gehörte auch in der DDR die Einkehr in die dazugehörigen Gaststätte mit 70 Sitzplätzen und einem Gesellschaftszimmer (90 Plätze). Bei der nebenstehenden Speisekarte fällt die Ähnlichkeit mit Karte vom Berghaus der Greifensteine auf. Vermutlich wurde sie von der gleichen Druckerei angefertigt. Leider gibt es keinen Hinweis, wann sie gedruckt wurde. Die Preise in Mark der DDR, die es erst ab 1. Januar 1968 gab,  deuten darauf hin, dass die Karte etwa in diesem Jahr gedruckt wurde. Die Speisen waren einfach und preiswert. Die Eierflockensuppe für 45 Pfennig und das Beefsteak mit Setzei für 3 Mark dürften der Renner gewesen sein.

 

Das Gasthaus am Frohnauer Hammer 1981
Das Gasthaus am Frohnauer Hammer 1981

Da die letzte Seite mit der Historie schlecht lesbar ist, hier noch der vollständige Text:

Der Frohnauer Hammer wurde um 1436, zunächst aber erst als Mühle erbaut. Reiche Silberfunde entdeckte man um 1492 am Schreckenberg, daraufhin prägte man 1498 die erste Münze in der Mühle (genannt Schreckenberger Münze oder Engelsgroschen). Auf Grund der reichen Silberfunde baute man die Mühle 1621 um in ein Hammerwerk mit einem Silberhammer. 1632 erweiterte man das Hammerwerk mit einem Kupferhammer und 1657 mit einem Zain-Zeug und Schaufelhammer. In dieser Zeit produzierte man Geräte für den Bergbau, um das vorhandene Silber und Kupfer abzubauen. Ab 1684 arbeitete die Schmiede für das Zeughaus in Dresden mit der Fertigung von Ziergittern, Geländerteilen, Glockenklöppeln, Beschläge für Türen und Lafetten und Geräte für die Forst- und Landwirtschaft Im Jahre 1900 wurde das Hammerwerk stillgelegt. Seitdem diente es nur noch zu Vorführungszwecken. 1952 wurde durch die großzügige Hilfe unserer Regierung das Hammerwerk vor dem völligen Verfall gerettet und im Herrenhaus eine HO-Gaststätte eingerichtet. Das technische Museum wurde im Jahre 1951 gegründet und 1960 die Volkskunstgalerie für Holzschnitzereien und Textiltechniken eingerichtet. Zur Zeit ist das Museum und die HO-Gaststätte ein interessantes Ausflugsziel für Urlauber und Touristen.

Das Pöhlberghaus

Speisekarte Pöhlberghaus 1972
Speisekarte Pöhlberghaus 1972

Neben dem Stadtteil Buchholz und der Altstadt von Annaberg ist auch der Pöhlberg mit seinem Aussichtsturm und dem Berggasthaus einen Ausflug wert. Es gab eine Gaststätte mit 60 Sitzplätzen und einen Salon mit 90 Plätzen. Der Name Pöhlberg kommt aus dem Slawischen und bedeutet "Weißer Berg". Ein guter Grund für den Wirt in den 1970er Jahren auch eine tschechische Übersetzung der Speisekarte anzubieten. Der Hauptgrund waren natürlich die zahlreichen Gäste aus der ČSSR. Einen davon, muss der Gastwirt wohl gebeten haben, die deutsche Speisekarte ins Tschechische zu übersetzen. Offenbar hat der Gast die Übersetzung handschriftlich auf einen Zettel geschrieben und dabei ziemlich "geschmiert". Anders ist nicht zu erklären, dass in der gedruckten Originalkarte zahlreiche Schreibfehler durch Verwechslung von Buchstaben auftreten. Eine Korrektur war wohl damals zu aufwendig. Heute ist das kein Problem und ich hoffe, dass es mir gelungen ist, eine verständliche Speisekarte in zwei Sprachen anzubieten.

Augustusburg

Schlossgaststätte Augustusburg 1969
Schlossgaststätte Augustusburg 1969

Im Erzgebirge gibt es bekanntlich zahlreiche Schlösser und Burgen. Die Augustusburg ist dabei nicht nur das größte und bekanntesten Schloss im Erzgebirge, sondern zieht auch durch zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen die meisten Besucher von nah und fern an. Dazu gehörte schon immer eine entsprechende Gastronomie. Schaut man in die nebenstehende Speisekarte von 1969, wird ersichtlich, dass man gern eine gewisse Internationalität darstellen wollte. So findet man unter den Spirituosen einen westdeutschen Weinbrand und einen bayrischen Kräuterlikör. Die Speisen, wie Enten- oder Rehbraten, machen mehr her als üblich und das Rumpsteak "Zigeunerart" sollte wohl alles in den Schatten stellen. Aus eigener Erfahrung, musste man als Gast vorsichtig sein, wenn das Steak, das auf den Teller kam, mit einer aus Wurstresten, Zwiebeln, Paprika, Letscho und Tomatensauce bestehenden Masse überschüttet wurde. Oft wurde die niedrige Qualität des verwendeten Fleisches damit verborgen.

Die Speisekarte selbst kommt sehr spartanisch daher. Das schmale Format, das dünne Papier und das schlichte Deckblatt unterscheidet sich von den beiden vorhergehenden Karten auf dicken, gefärbten Papier in A4-Format. Dazu kommt die "Bindung" durch zwei Heftklammern. Diese billige Verarbeitung sollte in den 1970er Jahren immer häufiger genutzt werden.

Der Fichtelberg

Grillrestaurant Fichtelberghaus 1967
Grillrestaurant Fichtelberghaus 1967

Die Speisekarte des Fichtelberghauses von 1967 ziert eine futuristische Grafik, die zunächst nicht erkennen lässt, was damit gemeint ist. Das Haus hat eine lange Tradition und 1889 wurde das erste Gasthaus auf dem höchsten Berg der späteren DDR eröffnet. 1924 als die Schwebebahn dazu kam, folgte ein Besucheransturm und das Fichtelberghaus, das inzwischen zweimal erweitert wurde. 1963 brannte das Gebäude dann bis auf die Grundmauern ab und musste völlig neu errichtet werden. Das neue Haus, "das alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt", wurde nach 15 Monaten Bauzeit am 28. Juli 1967 eröffnet. Die moderne DDR-Architektur war der Grund für die stilisierte Darstellung auf der Speisekarte des Grillrestaurants mit 100 Plätzen. Auch außergewöhnliche Speisen finden sich auf der Karte. Neben Toast "Luzern" und dem "Wiener Backhändl" wurde für zwei Personen ein "brennender Türkenspieß" angeboten. 

Die Restaurants 1973
Die Restaurants 1973

Im Erdgeschoss befand sich ein großes Selbstbedienungs-Restaurant für 240 Gäste, im Obergeschoss war die Grillbar, ein Konzertcafé mit 210 Plätzen und ein Konferenzsalon für 50 Personen untergebracht; in diesen Einrichtungen fanden insgesamt 600 Gäste Platz. Die Speisekarten mussten schon im Folgejahr erneuert werden, da die Preise in Mark der deutschen Notenbank (MDN) ausgewiesen wurden. Ab 1968 hieß die DDR-Währung nur noch Mark (M).

Selbstbedienungsrestaurant 1968
Selbstbedienungsrestaurant 1968

An der Innengestaltung wirkten namhafte Künstler mit, so gestaltete Hans Brockhage die Holzwände im Vestibül und den Raumteiler in der Selbstbedienung.

Das neue Fichtelberghaus nach 1967
Das neue Fichtelberghaus nach 1967

Auf dieser Ansichtskarte erkennt man auch den Berg und den 42 m hohen Aussichtsturm von der Speisekarte wieder. Heute steht ein ganz anderes Haus auf dem Berg, dass wieder Ähnlichkeit mit dem ursprünglichen Bauten hat. Es wurde 1999 im wieder vereinten Deutschland gebaut. Der Turm ist nur noch 31 m hoch.

 

Oberwiesenthal  FDGB-Heim "Am Fichtelberg"

Das Haus 1988
Das Haus 1988

Der Ort mit dem höchsten Berg der DDR ist auch Deutschlands höchstgelegene Stadt. Kein Wunder also, dass mit seiner schneesicheren Lage hier das Wintersportparadies des Erzgebirges entstand. Allerdings gab es große Defizite bei der Unterbringung von Urlaubern. Ende der 60er Jahre gab es gerade einmal 2.500 Betten in Oberwiesenthal für 70.000 Anfragen von Gästen. Genauso sah es mit Gaststätten aus. Abhilfe sollten landesweit FDGB-Ferienheime bringen, die in den 70er Jahren entstanden. Eines der Größten war das FDGB-Heim "Am Fichtelberg",  das Ende 1975 an den Start ging und den Massentourismus in der Grenzregion ermöglichte. 

Das FDGB-Heim 1976
Das FDGB-Heim 1976

Der DDR Plattenbau hatte 800 Betten und sollte auch andere Urlauber mit verköstigen. In Spitzenzeiten waren das bis zu 1.000 Feriengäste. Dazu stand neben dem großen Urlauber-Speisesaal für die FDGB-Gäste (oben links), noch ein Café (unten links), die Knappenstube (unten rechts) als Restaurant und das Steigerzimmer für Veranstaltungen bereit. Ein 14-tägiger Urlaub in so einem Haus kostete nur 65 DDR-Mark pro Person und war wie ein Fünfer im Lotto, aber es war auch eine ziemlich nervige Massenabfertigung. Gerade das Essen war Grund für Unmut, denn es hatte etwas von einer Betriebskantine. Betrachtet man die im Folgenden aufgeführten Speisekarten, fällt auf, dass die Karte vom Speisesaal nur Getränke enthält. Um 800 FDGB-Urlauber abzufertigen, gab es keine Auswahl a la Carte, zumal die Vollverpflegung im Preis des Ferienplatzes schon dabei war. Wer einmal etwas Abwechslung brauchte, konnte sich um einen Tisch im Café oder im Restaurant bewerben.


Die drei Speisekarten stehen zum Anschauen zur Verfügung. Sie sind wegen der besseren Lesbarkeit digital aufbereitet.

Der Urlauberspeisesaal 1988
Der Urlauberspeisesaal 1988

Vergleicht man das Foto mit der Schwarzweißaufnahme von 1976, gleich nach der Eröffnung, stellt man fest, dass es außer der Stuhlbezüge nicht viel geändert hat. Auffällig sind gedrechselten Dekorationen als Raumteiler und bei der Beleuchtung. Da hat man nicht gespart und musste auch lange genutzt werden. Ob es zum Frühstück und Abendbrot ein Buffet gab oder ob alle Mahlzeiten individuell serviert wurden, kann nur jemand beantworten, der schon Gast war.

Die Knappenstube 1988
Die Knappenstube 1988

Im Restaurant Knappenstube ging es rustikal zu. Der großer Kamin, passte natürlich zum langen Winterabend bei erzgebirgischen Spezialitäten. Was sich hinter dem Gericht "Schmiedel-Pfeif" auf der Abendkarte verbirgt, kann mit Hilfe von Google erforscht werden. Es ist eine Figur aus der Bucholzer Hymne und gehört zu den 16 Buchholzer Originalen. Auf dem Bild fällt wieder die aufwändige Deckenverkleidung auf, die es schon 1975 gab.

Das Café 1988
Das Café 1988

Liest man die Speisekarte des Cafés, wundert man sich über die Internationalität der Speisen, die sehr "westlich" orientiert waren. Wollte man Gäste aus der BRD oder Westeuropa anlocken? Für DDR-Bürger weckten Gerichte wie "Welsh rarebits" (berühmtes walisisches Gericht aus dem 18. Jahrhundert, eine Art „vornehmer Käsetoast"), eher Unverständnis oder gar Fernweh. Dazu kamen noch eine echte Schildkrötensuppe, ein Mailänder Toast, Eiersalat "Hollandmädchen" oder Geflügelmayonnaise "Nizza". Bei den "Stäbchenkartoffeln" ging es dann wieder deutsch zu.

Heute ist das FDGB-Heim ein AHORN Hotel.

Das Forsthaus in Oberwiesenthal

Speisekarte 1980
Speisekarte 1980

Es gab damals auch HO-Gaststätten mit umtriebigen Betreibern, wie das Forsthaus in der Annaberger Straße 50. Hier wurden nicht nur Speisen und Getränke geboten, auch zünftige Abendunterhaltung mit Tanz bekam der Urlauber. In der Hauptsaison, dürfte eine Tischreservierung nicht ohne "Beziehungen" abgegangen sein. Heute ist das Haus ein Pension.

Ausflug nach Karl-Marx-Stadt in den Tierpark

Ein Zoo-Besuch in der Bezirkshauptstadt war für Eltern mit kleinen Kindern ein Muss. Genau wie heute, befand sich damals der Tierpark im Chemnitzer Stadtteil Siegmar. Und wie heute, war die Gastronomie, von Imbiss-Angeboten abgesehen, schon vor dem Eingang eingerichtet. Dazu diente die Pelzmühle am gleichnamigen Teich. Einst eine Mühle, befand sich hier schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine kleine Schänke. Betrachtet man die Speisekarte von 1981, fällt das Prädikat "Wismut-Handel" auf. Die Wismut war bekanntlich die sowjetische Firma zum Uran-Abbau im Erzgebirge, aber was hatte sie mit der Zoo-Gaststätte zu tun?

 

Pelzmühle und Kulturpalast zur DDR-Zeit
Pelzmühle und Kulturpalast zur DDR-Zeit

Es gab in der DDR eine Handelsorganisation (HO) und dem Konsum. Beide Organisationen, waren für Läden und auch Gaststätten zuständig. Dass es im Erzgebirge eine weitere Handelsorganisation, den Wismut-Handel gab, war mir neu. Offenbar war die Versorgung der ca. 130.000 Beschäftigten, die es im Jahre 1953 gab, nicht unproblematisch. Schon damals gehörte die Pelzmühle zur Wismut. Man versprach sich wohl eine privilegierte Versorgung vom Wismut-Handel. Das Angebot der Speisekarte ist aber eher Standard. 

In Altendorf

Speisekarte 1975
Speisekarte 1975

Eine weitere außergewöhnliche HO-Gaststätte befand sich im Stadtteil Altendorf. Es war das tschechisches Nationalitätenrestaurant "Slavia", eröffnet 1967 in einem historischen Gebäudekomplex aus den 19. Jahrhundert, von dem noch zu berichten ist. Auf der Karte stand z.B. ein Zelny Gulasch, also ein Krautgulasch. Oder ein "Mährisches Schnitzel", dazu hier das Rezept:

Aus Mehl, Milch, 1 Ei und etwas Salz einen Eierkuchenteig herstellen. Vier weitere Eier und Erbsen aus der Konserve in 20 g Margarine zu Rührei braten. Die Schnitzel so schneiden, dass man sie auseinanderklappen kann, vorsichtig klopfen, mit Salz und Pfeffer würzen und eine Seite mit Rührei belegen. Die andere Seite darüber klappen, zusammendrücken, durch den Eierkuchenteig ziehen und langsam braten.

Dazu wurde ein Staropramen im 0,5 l Glas ausgeschenkt.

Der Marmorpalast 1909
Der Marmorpalast 1909

Das "Slavia" befand sich in der Limbacher Straße 168 in einem großen Ausflugslokal, dem Marmorpalast. Gebaut 1869 und als "Deutsches Haus" bewirtschaftet, hatte es vor dem 1. Weltkrieg seine Blütezeit. Wegen der prunkvollen Innenarchitektur wurde es zum Marmorpalast. Die Altendorfer nannten den Palast etwas respektlos "Gipskiste". Dabei besaß damals das Ball- und Konzerthaus einen Ballsaal für 3000 Personen, einen Gesellschaftssaal für 400 Personen und einen Vereinssaal für 100 Personen sowie 2 Kegelbahnen, einen Konzertgarten, Autogarage und eine Parkanlage mit Kinderspielplatz. Nach dem 2. Weltkrieg kam der Marmorpalast nicht wieder auf die Beine. Das "Slavia" im Erdgeschoß des Haupthauses, war 1967 der letzte Versuch einer Nutzung des Etablissements. Die anderen Räumlichkeiten waren schon dem Verfall preisgegeben. 1983 war dann endgültig Schluss mit der Nutzung. 2013 stürzte ein Teil der Fassade, mit dem Schriftzug des Slavia, ein. Der vollständige Abriss begann, heute erinnert nur eine begrünte Freifläche an die turbulenten Zeiten.

Gastronomie am Markt von Karl-Marx-Stadt

In den 1960er Jahren war es sehr beliebt, historische Gasthäuser mit originellen Namen neu zu beleben. Da in der DDR das Geld und auch das Handwerk nicht im erforderlichen Maße zur Verfügung stand, wurde auf einfache Mittel zurückgegriffen. Die Ausstattung eines Plattenbaus mit rustikalen Ambiente war naturgemäß schneller und kostengünstiger zu bewerkstelligen als ein altes Gebäude samt Inventar zu restaurieren. Das bekannteste im Zentrum war wohl die HO-Gaststätte "Zum Güldenen Bock" am Rosenhof, die aus einer Bierstube und einer Weinstube bestand und im Dezember 1968 eröffnet wurde.

Das kulinarische Highlight der Bierstube war die "Kutscherstulle", eine warme Boulette mit Zwiebelletscho auf Weißbrot. Das hätte ein echter Kutscher, wie auf der Abbildung, dem Wirt um die Ohren gehauen. Das einzige Bier in der Bierstube, war ein "Wernesgrüner Pils", was auch in einer zünftigen Bierstube fehl am Platz war. Aber dennoch war der Güldene Bock eine äußerst beliebte Gaststätte, denn die Betreiber waren wohl sehr findig, wenn es um die Beschaffung von Extras und Spezialitäten für ihre Gäste ging. Dazu gehörte auch "Krusta", die DDR-Variante für Pizza. Die große Freisitzfläche im Rosenhof gleich neben dem Markt zog immer Einheimische und Besucher an.

In der Weinstube bekam man eine sehr preiswerte Kardinalschnitte oder das Siebenbürger Holzplattenfleisch für 5,25 Mark. Der teuerste Wein war ein Wehlener Abtei-Auslese für 34,50 Mark.

Speisekarte Bierstube 1968
Speisekarte Bierstube 1968
Speisekarte Weinstube 1968
Speisekarte Weinstube 1968

Freisitze vom Güldenen Bock am Rosenhof
Freisitze vom Güldenen Bock am Rosenhof

Der Name des Lokals gehörte früher einem der ältesten Gasthöfe der Stadt an gleicher Stelle. Es hatte die Inschrift: „Dis Haus steht in Gottes Handt, zum ´Güldenen Bock` Ist Es genanndt. 1656.“ Im Jahr 1735 war das lange leerstehende Haus eine Ruine und wurde abgerissen um Platz zu schaffen für den Bau des Siegert´schen Hauses, welches heute am Markt 20 zu bewundern ist. Bei der Neugestaltung des Rosenhofes in den 1960er Jahren, ließ man den „Güldenen Bock“ als Flachbau mit Laubentrakt wiedererstehen. Nach der Wende wurde der Rosenhof "marktwirtschaftlich" umgestaltet und die beliebte Gaststätte mutierte 1991 zum Schnitzel-Paradies mit 50 Sorten der "ach so beliebten" Speise aller Deutschen. Im Jahre 2000 wurde der DDR-Plattenbau abgerissen. Besser keine Gaststätte, als eine schlechte Gaststätte.


Speisekarte vm Cafe am Markt etwa 1980
Speisekarte vm Cafe am Markt etwa 1980

Neben Restaurants, Gaststätten, Hotels und Bierkellern gab es natürlich noch die Cafés als preiswerte Alternative bei einen Ausflug in die Bezirkshauptstadt. Das Café am Markt in Karl-Marx-Stadt lud zu Café, Kuchen und Eis ein. Das Titelbild der Speisekarte zeigt das Siegert'sche Haus, wo sich im Erdgeschoss das Café befand. Freisitze gab es nicht und das Café galt m Sommer als stickig.

Beim Betrachten der Speisekarte, ist die einlegbare Tageskarte mit mehreren Kreuzen hinter den spärlichen Angeboten, zu beachten. Dazu meinte der Kellner lapidar "die Sachen mit dem Kreuz, sind aus". Da diese Kreuze mit Bleistift geschrieben wurden, konnte die Karte täglich angepasst werden - sie hieß ja auch Tageskarte. Heute ist in den Räumen vom Café am Markt ein Juwelier untergebracht. 


Wer wirklich richtig zum Essen gehen wollte, war im Ratskeller jeder DDR-Stadt am besten aufgehoben, so auch in Karl-Marx-Stadt. Die Speisekarte von 1975 ist voller Informationen und die Speisen und Getränke sind teils ungewöhnlich z.B. "Halberstädter Diät-Kraftfleisch vom Schwein" in der Originaldose - wurde da wirklich eine Konservendose serviert? Rätselhaft klingt auch das Milch-Mix-Getränk "Bärenfang" warm oder kalt. Es lohnt sich also gründlich in die alte Karte reinzuschauen.

Es ist nur wenige Jahre her, da war ich noch mit meiner Frau im alten Ratskeller von Chemnitz zum Mittagessen und wir sind zufrieden wieder gegangen. Heute gibt es keinen Ratskeller mehr - warum auch immer.

Die Interhotels von Karl-Marx-Stadt

Interhotel Chemnitzer Hof 1980
Interhotel Chemnitzer Hof 1980

Eine bessere Variante waren die Interhotels in Karl-Marx-Stadt. Es gab drei von diesen Luxusherbergen für ausländische Gäste, vorwiegend aus dem westlichen Ausland. Da gab es das Hotel Kongress von 1974, das Hotel Moskau von 1965 und das älteste von 1964 hieß Hotel Chemnitzer Hof, von dem die nebenstehende Speisekarte aus dem Jahre 1980 ist. Schon der Name Chemnitzer Hof war außergewöhnlich, denn Chemnitz gab es seit 1953 nicht mehr. Was dort für gutbetuchte Gäste angeboten wurde, war für DDR-Verhältnisse mehr als exotisch. Die eine oder andere Spezialität sprach sich schnell herum, z.B. die Schwalbennestersuppe. Vielleicht hätte so mancher DDR-Bürger diese einmal probiert, aber es gab da ein ärgerliches Hindernis. Vor dem Eingang zum Restaurant eines jeden Interhotels, stand ein Aufsteller mit der Aufschrift "Bitte warten, Sie werden platziert". Wenn man nun als Familienvater mit Frau und zwei Kindern dort wartete, war die gefürchtete Frage: "Haben Sie reserviert?" Das hatte man natürlich nicht, denn reservieren konnten meist nur Hotelgäste. Der Hotelangestellte konnte dann nur mit "Bedauern" mitteilen, dass ohne Reservierung kein freier Tisch mehr verfügbar war. 


Das Hotel Moskau wurde 1962 mit 100 Zimmern gebaut und 1965 zur 800 Jahrfeier von Chemnitz in ein Interhotel umgewandelt. Das Speiserestaurant hieß Wolgograd und wurde nach der Renovierung 1983 im altrussischen Stil eingerichtet. Für Familienfeiern standen zwei Salons Kiew und Minsk bereit. Auf das Tanzcafe werde ich noch am Ende des Beitrags eingehen. Es gab auch einen Biergarten, Restaurant im Grünen genannt.

Heute heißt das Haus "Hotel an der Oper" und hat zur Erinnerung an das Interhotel ein Café Moskau.

Speisekarte von 1988
Speisekarte von 1988
Getränkekarte 1989
Getränkekarte 1989
Im Grünen 1980
Im Grünen 1980


Speisekarte Interhotel Kongress Restaurant Irkutsk 1987
Speisekarte Interhotel Kongress Restaurant Irkutsk 1987

Irkutsk ist eins Stadt in Sibirien in der Nähe vom Baikalsee und wichtige Station der Transsibirischen Eisenbahn. Grund genug, ein Restaurant im Interhotel Kongress danach zu benennen. Dazu muss man erwähnen, dass man in der DDR nicht zum Griechen, Chinesen und nicht mal zum Italiener essen gehen konnte - nichts davon gab es. Um den DDR-Bürgern auch eine Abwechslung in den Speisekarte zu bieten, schossen in den 80er Jahren Nationalgaststätten mit Städtenamen aus den östlichen Nachbarländern, wie Pilze aus dem Boden. Bei dem Restaurant Irkutsk ging es außerdem darum, Gäste aus der BRD mit fernöstlichen Flair anzulocken. Davon zeugt auch der dezente Hinweis, dass direkt in frei konvertierbaren Währungen bezahlt werden kann. Man musste aber keine Bange haben, dass nur sibirische Kost auf den Tisch kam, wie die Känguruschwanzsuppe beweist.

Zum Ende der DDR

HO Hotel Carolina am 5. 11. 1989
HO Hotel Carolina am 5. 11. 1989

Ende der 1980er Jahre geriet so Manches in Bewegung. Die abgebildete Speisekarte der HO Gaststätte Hotel Carola, gleich neben dem Hauptbahnhof gelegen, war gültig bis 5. November 1989, also 3 Tage vor der Verkündung der Grenzöffnung durch Herrn Schalck-Golodkowski. Von da an blieb nichts mehr, wie es war. 

Die Karte zeigt noch einmal, was die DDR ihren Bürgern am Ende zu bieten hatte.

Karl-Marx-Städter Nachtleben

Die Tanz-Bar der Pelzmühle 1967
Die Tanz-Bar der Pelzmühle 1967

Was konnte man in der DDR Abends an den Wochenenden tun? Am Beispiel dreier Tanzlokale soll gezeigt werden, wie das so ablief. Zunächst noch einmal die schon bekannte Pelzmühle aus dem Jahre 1967. Die Wismut Tanz-Bar gab sich damals am Abend nach Schließung der Zoo-Gaststätte sehr international. Im Saal für 400 Gäste konnte man an der Bar diverse Cocktails haben z.B. einen Manhattan oder, ganz in James Bond Manier, einen geschüttelten Martini bestellen. Was man in Karl-Marx-Stadt unter einem Getränk "Türkenblut" verstand, bleibt rätselhaft.


Barkarte 1964
Barkarte 1964

Die beliebteste Tanzbar von Karl-Marx-Stadt befand sich im Rosenhof in einem eigenen Gebäude schräg gegenüber vom "Güldenen Bock". Die Tanzbar Kosmos wurde 1964 eröffnet. Ein Blick in die Speise- und Getränkekarte lässt ahnen warum das Etablissement so beliebt war. Das Angebot an Weinen, Spirituosen und Speisen war außergewöhnlich und international. 

Das Kosmoshaus 1964
Das Kosmoshaus 1964

An der Bar wurde Kubanische Sultanetta, Grüne Wiese und Sportlerflip, also die beliebtesten Cocktails der DDR gemixt. Auch Stierblut (ungarischer Wein) und das Herrengedeck (Bier und Sekt) durften nicht fehlen. Bis 3 Uhr nachts war täglich geöffnet.

 

Rechts Kosmos Espresso - links Zum güldenen Bock
Rechts Kosmos Espresso - links Zum güldenen Bock

Im Erdgeschoß befand sich ein Café "Kosmos Espresso" mit Freisitzen am Rosenhof.

1989 war dann Schluss.


Im Tanzcafe
Im Tanzcafe

Zum Abschluss des Ausfluges in die DDR-Gastronomie noch ein Blick in das Tanzcafé des Interhotels Moskau des Jahres 1989. Wie es dem Namen des Interhotels entsprach, gab es sehr viel Angebote aus der Sowjetunion und anderen sozialistischen Bruderländern. Eine Ausnahme war ein Original Scotch Whisky "Rodgers", der andere Scotch Whisky mit dem schönen Namen "High Country" stammte vom VEB Bärensiegel Berlin. Aus der Speisekarte von 1987 gab es ein Bulgarenschnitzel oder wer es lieber deutsch mochte ein Beefsteak "Meier"...

Tanzcafe Moskau 1987 Speisen
Tanzcafe Moskau 1987 Speisen
Tanzcafe Moskau 1989 Getränke
Tanzcafe Moskau 1989 Getränke