Die Kemtauer Gemeinderechnungen von 1735 - 1842

Erarbeitet und zusammengestellt von Rudolf Baumgärtel 1988

Im Archiv der Gemeinde Kemtau befinden sich einige Schriftstücke aus dem 18. und 19. Jahrhundert, unter anderem Gemein- bzw. Gemeinde-Rechnungen aus den Jahren zwischen 1735 und 1842, und zwar die von:

 

1735

1736

1744

1750

1751

1753

1755

1764

1772

1794

1795

1796

1799

bis

1829

1832

1834

1835

1836

1839

1841

und

1842

 

 

 

 

Leider fehlt die Rechnung für des Jahr des Aufstandes 1790 gegen die Herrschaft.

Schon das Äußere der einzelnen Abrechnungen bietet einige interessante Einblicke und Vergleiche. Sie haben durchweg das frühere sogenannte Quartformat, wozu zuerst 6, später nur noch 4 Blätter gebraucht wurden. Es verringerte und vereinfachte sich nämlich die Anzahl der Posten bei den Ausgaben, und Gerichtsschreiber, die die Rechnungen abfassten, wurden im Laufe der 100 Jahre gewandter in der Schreibarbeit, brauchten nicht mehr so viel Platz für ihre Schrift.

Sie kamen von der Herrschaft Weißbach und arbeiteten verschieden, sowohl was die Schreibweise als auch die kalligraphische Meisterschaft betrifft, doch ist allgemein eine recht gut leserliche Schrift festzustellen. Den Schriftvergleichen nach waren im ganzen Zeitraum etwa 20 Schreiber tätig, wobei sich zeigt, dass die Herrschaft mehrere Schreiber gleichzeitig beschäftigte, denn manche Handschriften erscheinen nach einem oder mehreren Jahren wieder. Einige Titelblätter sind auch kalligraphisch sehr schön gestaltet und teils mit den damals üblichen Schnörkeln verziert. Der Schreiber bekam "vor die Rechnung zu machen“ 1735 und viele folgende Jahre 8 Groschen, 1772 (im Hungerjahr!) 6 Groschen, 1794 und 1796 14 Groschen, aber schon 1799 wurde der Satz wieder auf 6 Groschen reduziert und blieb so bis mindestens 1836.

Die Überschriften der Rechnungen

Die Aufschriften auf den Titelseiten der Rechnungen änderten sich natürlich im Laufe der über 100 Jahre. So heißt die von 1735:

"Gemein-Rechnung zu Kemtau beschloßen über das vergangene Jahr 1735 berechnet durch deßen Vorstehern Nicolai Rößler von Reminiscere (5. Sonntag vor Ostern. R.B.) 1735 biß dahin 1736 auch in beyseyn Richter und Schöppen. Anno 1735"

1772 wird die Rechnung "Im Nahmen Jesu" (daher abgekürzt I.N.J.) abgelegt, zumindest bis 1796. Seit diesem Jahre wird auch meist der Name des (Lehn) Richters genannt und seit 1795 ebenso die Namen der Gerichtsschöppen. 1805 lautet die Aufschrift der Titelseite:

"Gemeinde Rechnung zu Kemtau durch deren Vorsteher Christian Kunzen allhier berechnet und in Beyseyn derer respektive Lokal Gerichtspersonen Titel. Herr Johann Adolph Wielands - Erb Lehn Richters - Johann August Beckerts und Johann Christoph Arnolde, beiderseits Gerichtsschöppen allda übergeben auf das Jahr 1805."

1806 erscheint erstmalig die Bezeichnung "Dorf" Kemtau und verschwindet dann nicht wieder. 1838 wurde in Sachsen die Landgemeindeordnung eingeführt, und so gab es euch bei uns seit 1839 ein Gemeindeleben mit beschränkter Selbstverwaltung, was sich auch in der Gemeinderechnung zeigt. Die Aufschrift lautet 1839:

"Gemeinde Rechnung des Dorfes Kemtau. Durch den dermahligen Einwohner, dem Vicelehn Richter Johann Adolph Wieland in Beisein der respektiven local Gerichten und sämtlichen Gemeinderaths Mitgliedern, aufs Jahr 1839." 

Es gab also neben dem Gemeindevorsteher jetzt euch einen Gemeinderat, und ein Gemeindesiegel wurde eingeführt. Der Gemeindevorstand hatte die Rechnung zu genehmigen, zu unterschreiben und an den Gemeinderat auszuhändigen. Dieser hatte sie zu überprüfen und jedes Gemeinderatemitglied musste eigenhändig unterschreiben. Das waren neben dem Vorstand 7 Mitglieder und zwar, soweit sich aus den Namen ersehen lässt, die Gärtner (Hüfner). Ob wirklich alle eigenhändig unterschrieben, d. h. wenigstens ihren Namen schreiben konnten, ist dabei nicht sicher festzustellen.

Schon aus diesen Titelseiten erfahren wir also etwas über die Rechtsverhältnisse der damaligen Zeit. Der Gerichtsherr saß mit seinen Gehilfen (Schreibern usw.) im Rittergut Weißbach oder auch Dittersdorf, und im Ort gab es die sogenannten Lokalgerichte, den Erblehn- oder auch nur Lehnrichter genannten Bauern (auf dem größten Hof) und die Gerichtsschöppen (1795 - 1800) Christoph Helbig und Gottfried Kunze; 1801 - 1830 Johann August Beckert und Johann Christoph Arnold; 1831 - 1836 Carl Friedrich Uhlig und Johann Gottlob Gärtner). Der Erblehnrichter war seit der ersten Nennung 1772 ein Wieland: bis 1795 Johann Christoph Wieland, 1796 - 1842 Johann Adolph Wieland.

Einnahmen und Ausgaben

Die Rechnungen selbst enthalten für die Gemeinde folgende Einnahmen: Gartenzins, Geldzinsen, Armenkastengeld und Einnahmen aus Kindtaufen und Hochzeiten. Ab 1799 wird auch der Wasserzins in einem gesonderten Kapitel aufgeführt. Vorher war er mit unter den Gartenzinsen registriert.

Die Ausgaben sind alle in einem Kapitel zusammengefasst und das enthält die verschiedensten Posten; worauf weiter unten eingegangen wird. Am Schluss werden Einnahmen und Ausgaben dann gegeneinander abgerechnet. Zum Vergleichen des Wertes der eingenommenen bzw. Verausgabten Beträge seien zunächst einige Preise der damaligen Zeit genannt:

1770 kostete

1 Scheffel Korn (= 80 kg)

1 Taler 12 Groschen

 

1 Scheffel Weizen

2 Taler 8 Groschen

 

1 Scheffel Hafer

20 Groschen

 

1 7-Pfundbrot

2 Groschen 2 Pfennige

Der durchschnittliche Tagelohn betrug 4 Groschen. (Nach Pietzonka "Stülpner", S. 14)

Ein Überblick über die Einnahmen lässt sich wohl am besten durch folgende tabellarische Zusammenstellung aus 3 verschiedenen Jahren gewinnen:

Art der Einnahme

Anzahl der

Gärtner

1735

Gartenzinsen (einschl.

Wasserzins bis 1796)

13

4 Gulden** 18 Groschen

Geldzinsen

6

1 Gulden 1 Gr. 3 Pf.

Armenkastengeld

4

14 Gr. 6 Pf.

Wasserzins (ab 1799)

-

-

Einnahmen von Hochzeiten

und Kindtaufen

2 Hochzeiten

5 Kindtaufen

1 Gulden 14 Gr. 2 Pf.*

Gesamteinnahmen

 

8 Gulden 7 Gr. 11 Pf.


Art der Einnahme

Anzahl der

Gärtner

1794

Gartenzinsen (einschl.

Wasserzins bis 1796)

18

5 Gulden 16 Gr. 3 Pf.

Geldzinsen

5

17 Gr. 3 Pf.

Armenkastengeld

5

14 Gr. 6 Pf.

Wasserzins (ab 1799)

-

-

Einnahmen von Hochzeiten

und Kindtaufen

-

-

Gesamteinnahmen

 

7 Gulden 8 Gr.


Art der Einnahme

Anzahl der

Gärtner

1839

Gartenzinsen (einschl.

Wasserzins bis 1796)

15

5 Taler** 6 Gr. 9 Pf.

Geldzinsen

4

16 Gr. 3 Pf.

Armenkastengeld

3

14 Gr. 6 Pf.

Wasserzins (ab 1799)

9

8 Gr. 2 Pf.

Einnahmen aus Hochzeiten

und Kindtaufen

-

-

Gesamteinnahmen

 

6 Taler 21 Gr. 8 Pf.

Anmerkungen

(*)  im Jahre 1736 heißt es von den Einnahmen aus Kindtaufen und Hochzeiten "colligiret vor die Armen“. Die Dorfarmut zu unterstützen war also der Sinn dieser Abgabe. Sie wird 1764 letztmalig erhoben.

(**) Die Umrechnungsverhältnisse zwischen Gulden, Groschen und Pfennigen sind bis 1800: 1 Gulden (rh) = 20 Groschen, 1 Groschen = 12 Pfennige; ab 1801 erscheint die Bezeichnung Taler (Thlr) statt Gulden mit der Umrechnung: 1 Taler = 24 Groschen, 1 Groschen = 12 Pfennige; spätestens ab 1841 zählt 1 Taler = 30 (Neu) Groschen, 1 (Neu) Groschen = 10 Pfennige.

Der Tabellenvergleich ergibt, dass in den reichlich 100 Jahren Jahr für Jahr fast die gleichen Summen eingenommen wurden und das Armenkastengeld blieb sogar konstant. Aber auch die Familiennamen der Gärtner (Hüfner) haben sich nur wenig geändert. 1735 hießen sie:

Wieland, Uhlig, Ehrt, Strauch, Rößler, Voitel, Müller, Thierfelder, Kreyßig, Haase Lohs(e), Kunz.

1839 waren es noch immer die Namen Wielend, Uhlig, Ehrt, Rößler, Lohs(e), Müller, Kreißig, dazu noch Herrbach, Viertel, Köhler, Gärtner, Franke, Beckert, Leißenring und Lange.

Verschiedene Zins-Einnahmen

Wofür dieser Gartenzins zu zahlen war, geht aus den Rechnungen nicht hervor. War er für die schon seit der Besiedlung bestehenden Hufen zu entrichten oder für sonstige von der Gemeinde überlassene Flurteile, von denen in den Rechnungen immer wieder einige aufgeführt werden, z. B. "der Viehweg" (das ist die an sich der Allgemeinheit gehörende Viehweide), der in mehreren Anteilen vergeben war, "das neue Fleckgen", auch in mehreren Anteilen "das Fleckgen wo der Backofen steht", (es gab also einen gemeinsamen Backofen, leider ist sein Standort unbekannt) "ein Fleckgen“, ”Christian Müllers Fleckgen", “Christoph Kreyßigs Garthen", "das Fleckgen bei Christoph Ehrtens Garten“, "für die Baustelle"(Daniel Morgenstern 1799), “das Gemeindefleckgen" (1835), “das neben dem Garten liegende Fleckgen“ (1841), "des Stück Anger am Wege hinunter" (1842). Der Zins bewegte sich 1735 zwischen 16 Groschen und 1 Groschen und 6 Pfennig.

Wegen der Verteilung des Wasserzinses gab es wahrscheinlich ab und zu Streitigkeiten. So lässt der Gemeindevorsteher Christian Kunz 1804 der Rechnung folgende Bemerkung hinzufügen: "Es ist

hierbey anzumerken, daß David Looß und Traugott Uhlig jährlich 1 Groschen Wasserzinß und zwar jeder 6 Pf zu entrichten haben, so will Carl Gottlieb Müller den 3ten Theil weil er auch einen Teil Waßer davon erhalten nur 4 Pf. jährlich entrichten und David Looß und Traugott Uhlig ebenfalls nur 4 Pf. als Waßerzins entrichten sollen".

Kurz nach 1800 hat Christoph Müller 1 Gr. 3 Pf. Bornzins zu zahlen, möglicherweise für einen besonderen Wasserzufluss. 1801 erscheint erstmalig die Einnahme eines "Teichzinses" von 6 Gr., entweder für die Nutzung des heute noch vorhandenen Gemeindeteiches oder eines der kleineren Teiche, die es noch 1875 südwestlich des Lehngerichtes gab.

Der gleiche Christoph Müller und ab 1830 sein Sohn Carl Gottlob Müller zahlt von 1805 - 1842 jährlich 3 Pf. Zins für den Abfall aus der Gemeinderöste, die zur Flachsverarbeitung diente und den Hauswebern das Rohmaterial lieferte. Beim Rösten wurde der Flachs gewässert und gedörrt, damit die Fasern leichter von den unbrauchbaren Stengelteilen abgelöst werden konnten. Wurde der Abfall als Streu oder Futterzusatz oder als Brennmaterial verwendet?

Dann gibt es von 1804 bis 1822 einen Kirschbaumzins, den David Loos (als Richter?) zu entrichten hatte. Ab 1814 zahlt ihn "Christoph Wieland's Wittwe", die 1815 einen Carl Friedrich Beckert heiratet. Er übernimmt ab 1820 die Zahlung und kauft 1822 den Baum oder die Bäume für 26 Gr. von der Gemeinde.

Als einmalige Einnahme ist ein Brückenzins in Höhe von 1 Taler von der Gemeinde Meidenberg (Eibenberg) "auf 4 Jahre gerechnet" vermerkt. (Hier taucht also noch Anfang des 19. Jhdts. der Name Meidenberg für Eibenberg wieder auf, der schon viel früher einmal verwendet wurde. Noch früher auch Meydenbergk.) Um welche Brücke es sich dabei gehandelt ist nicht angegeben, jedoch ist anzunehmen, dass es sich um die Zwönitzbrücke an der Aumühle (=Stiefelmühle) gehandelt hat, denn die Zwönitztalstraße wurde erst 1853 gebaut und damit wohl auch die Brücke am Bahnhof.

Geldzinsen

Bei den Geldzinsen handelt es sich wahrscheinlich um vom der Gemeinde ausgeliehenes Kapitel, mit dem Güter oder Grundstücke belastet wurden und für das jahrzehntelang die gleichen Zinsen gezahlt werden mussten. An ihnen lässt sich der Besitzerwechsel für einige Güter nachweisen. So werden 1739 genannt:

"das Richter Guth, Nicolai Rößler, Abraham Wieland, George Lohß, George Uhlich, Hanns Ehrt der Bauer".

1736: "Des Richter Guth, Hannß Christoph Arnold, Gottlob Wieland, George Uhlich, Christian Kunz".

1753 zahlt George Lohse ein Kapitel in Höhe von 4 Gulden zurück.

1755 übernimmt Hannß Chriatoph Arnold die Hypotheken von Christoph Rößlers und George Lohsens Grundstücken.

Nach 1772 werden die Uhlichs nicht mehr als zinspflichtig genannt.

1810 wird Gottlieb Lohs Besitzer von Johann Christoph Wielands Grundstück, 1824 Gotthilf Herrbach der Besitzer von Johann Christoph Arnolds Gut. Und 1836 zahlt Friedrich Samuel Kreißig die Zinsen von Carl Gottlieb Lohse.

Es wechselten also im Laufe des Jahrhunderts mehrere Besitzer oder es konnten einige ihre Hypotheken abstoßen. Nur das Erblehngericht wer nach über 100 Jahren noch im gleichen Besitz - verständlicherweise. Gleich blieb außerdem die Höhe der Zinsen, also auch der Zinssatz. Das Lehngericht zahlte z.B. 3 Gr. 3 Pf. Erst 1841 werden die Zinsen erhöht, von 3 Gr. 3 Pf. auf 4 Gr. 1 Pf., von 8 Gr. auf 10 Gr., von 2 Gr. 5 Pf. und von 3 Gr. auf 3 Gr. 8 Pf., das ist eine Erhöhung um 25 %.

1810 ist eines der Güter vom Lehngericht "geschluckt" worden. Noch 1807 zahlt Christian Kunz Geldzins und seinen Beitrag zur Armenkasse, 1808 und 1809 heißt es noch "das Kunzische Guth" oder "Christian Kunzens Guth" und 1810 “das sogenannte Kunzsche, jetzt zum Lehngericht gehörige Guth", und das ändert sich auch bis 1841 nicht.

Spezielle Ausgaben

Interessante Einblicke in das Gemeindeleben dieser 100 Jahre bieten die ausgegebenen Beträge und ihre Verwendung. Verhältnismäßig hoch sind die Ausgaben bei der alljährlichen Rechnungslegung der Gemeinde, bei denen der Gemeindevorsteher, der Richter, die Schöppen und natürlich der Gerichteschreiber, der aus Weißbach kam, anwesend waren. Da heißt es 1735 ganz allgemein: "2 Gulden Verzehret bey der Rechnung".

1803 wird genauer "1 Thaler 16 Groschen an Zehrungskosten bei der Rechnung mit Inbegrif der halben Tonne Bier". Seit 1806 gibt es dann keine "Zehrungskosten" mehr. Aber 1827 erscheint erstmals  der Betrag von 1 Taler 6 Pfennig "für 1/2 Tonne Bier bey Ablegung der Gemeinde Rechnung aufs Jahr 1827 für den 15. Juny 1828", und 1829 geht man wieder in die Vollen:

"Für die am 4ten März 1829 aufs Jahr 1828 gehaltene Gemeinde Rechnung getrunkenen 1/2 Tonne Bier 1 Th. 4 Gr. 6 Pf." und "für Verpflegung der Local Gerichten an selbigen Tage zu Mittags 12 Gr."

Die Trinkerei wer also teurer als des Essen (und sicher "notwendiger“).

1834 erscheint ein Betrag von 1 Thaler 2 Gr. 6 Pf. "für die bey der aufs Jahr 1833 gehaltene Gemeinderechnung getrunkenen 1/2 Tonne abgezogenen Bier". Die gleichen Beträge bei gleichen Mengen Bier finden sich bis 1839.

Durchgängig von 1735 bis 1842 findet alljährlich ein weiterer "Verzehr" statt, ausgewiesen durch Ausgaben beim “Fasten Examine", manchmal auch nur "Examen" (also Prüfung) genannt, ohne dass aus diesen Angaben hervorgeht, was da geprüft wurde. Ab 1799 heißt es meist "Fastenbeten", wobei die Ausgaben dafür von 1 Gulden auf 2 Gulden ansteigen, im Hungerjahr 1772 sogar auf 2 Gulden 8 Gr., was sicher auf die allgemeine Verteuerung zurückzuführen ist. 1832 wird dazu gesagt, dass dieses Geld dem Erblehnrichter Johann Adolph Wieland übergeben wird.

In den Rechnungen erscheinen aber noch weitere Ausgaben für Dienstleistungen. So stehen z.B. 1735 "2 Gr. vor Gesind- und Gespinst Register zu machen", eine Arbeit, die wahrscheinlich der Gerichtsschreiber erledigt hatte, da ihm die Unterlagen zur Verfügung standen. Der Zweck des "Gesind Registers" war vermutlich eine Erfassung und eventuell sogar Besteuerung des gesamten Dienstpersonals im Ort. Worum aber handelte es sich beim "Gespinst" register? Ist es eine Aufstellung der von der Herrschaft geforderten Menge an Leinen- oder Wollgespinsten jedes Bauern? Oder ist es eine Aufstellung der vorhandenen Webstühle und Spinnräder? Diese Ausgabe existierte noch bis 1772. 1794 und später taucht sie dann nicht mehr auf.

Des "Hoffmeisters Abrechnung” kostet die Gemeinde 1735 und die folgenden Jahre bis mindestens 1772 8 Gr. auch dieser Betrag ist ab 1794 nicht mehr zu finden. Sind bei dieser Abrechnung die Frondienstleistungen festgehalten worden? In der Rechnung vom Jahre 1800 ist erstmalig ein Betrag von 12 Gr. "denen Gerichten" ausgezahlt worden, der ab 1803 auf 1 Taler 12 Gr. ("den Lokal-Gerichten") erhöht wurde, und 1806 wird er genauer als "denen Local-Gerichten als jährliche Besoldung" bezeichnet, und noch 1840 heißt es "localgerichtliche Besoldung" in Höhe von 1 Taler 15 Gr. Da diese Besteuerung 1800 eingeführt wurde, könnte sie mit dem 1796 abgeschlossenen Rezeß zwischen den Herren von Einsiedel und ihren Untertanen zusammenhängen, der auf eine Umverteilung der bäuerlichen Lasten, besonders auf eine Ablösung gewisser Frondienste durch Geldleistungen hinauslief.

Ausgaben für Dienstleistungen

Ein wichtiger, immer wiederkehrender Posten in den Rechnungen sind die Auslagen für verschiedene im Auftrage der Gemeinde erledigte Dienstleistungen, die vom "Gemein-Mann“, also dem Vorsteher oder anderen  Gemeindemitgliedern, später vom Gemeindeboten erledigt wurden. 1735 bekommt der "Gemein Mann Nicolai Rößler 2 Gulden 2 Gr. 6 Pf. vor Bothenlohn", aber auch Christoph Kreißig 3 Gr. 4 Pf. , “Bothenlohn wegen der Gemeinde halber“. Und sehr oft hat auch der "Herr Richter wegen Bothenlohn und anderen Gemeinabgaben" Beträge von der Gemeinde zu fordern. Natürlich ändern sich diese Beträge von Jahr zu Jahr nach den angefallenen Wegen. 1819 ist z.B. angegeben: "einmal nach Chemnitz und 3 Mahl nach Dittersdorf zu gehen - 12 Gr." 1802 wird der Gemeinmann außerdem für die Eintreibung der “Mo- und Immobiliar-Versicherung" bezahlt. Diese Einnehmergebühren erscheinen ab 1811 immer wieder und beziehen sich dann auch auf die Einnahme der übrigen von der Gemeinde zu fordernden Gelder. Sie betragen erst 9 Gr. 8 Pf., 6 Pf. (1816), 11 Gr. 6 Pf. (1822), 10 Gr. 3 Pf. 

(ab 1825). Von etwa 1830 ab werden die Gebühren an den Gemeinde-Vorsteher - so wird er seit 1806 bezeichnet, nicht mehr als Gemeinmann - ganz allgemein als einjährige Besoldung gezahlt.

Aus einer Bemerkung vom Jahre 1817 ist zu schließen, dass neben den Botengängen auch Wächterdienste (Nachtwächter?) durchgeführt wurden. Da heißt es: "Das Bothenlohn von 1 Thlr für den Wächter ist in Zukunft bey dieser Rechnung nicht mehr aufzuführen, weil selbiges aus einer anderen Caße erhoben wird".

Doch nicht nur Botengänge für die Gemeinde mussten bezahlt worden, sondern auch solche, die im Auftrag anderer Ämter nach Kemtau ausgeführt wurden. So forderte das Amt Augustusburg 1735 für seinen Boten "wegen des Wildhafers halber" 1 Gr. 6 Pf. und 1737 mussten "dem Augustusburger Bothen" 4 Gr. gezahlt werden. 1737 entstehen auch ”Zehrungskosten dem Förster wegen Wildhafer" 6 Gr., ein Betrag der schon 1734 und 1733 an den Förster in Zschopau zu entrichten war, dazu 4 Gr. "vor den Wildhafer anzufahren". Welche Bewandtnis es mit dem Wildhafer hatte, ist nicht erkennbar. Musste er auf der Gemeindeflur ausgesät werden, damit das Wild die herrschaftlichen Wälder nicht zu sehr schädigte? Quellen aus anderen Gegenden des Erzgebirges besagen, dass Hafer und anderes Getreide auf den durch den starken Holzeinschlag für den Bergbau und die Hammerwerke (Grubenholz, Holzkohle) entstandenen Kahlschlägen im Wald ausgesät werden musste, um dem Wild zusätzliche Nahrung zu bieten. Was der Feudalherr schoss, musste ja gut genährt sein. Der Kemtauer Wald war von jeher bevorzugtes Jagdgebiet seiner Besitzer. Diese Belastung "wegen des Försters" und des Wildhafers erscheint noch viele Jahre bis 1772. Erst 1794 taucht dieser Posten nicht mehr in den Gemeinderechnungen auf.

Ausgaben für die Einwohner von Kemtau

Ausgaben, die die Gemeinde sicher nur notgedrungen machte, kommen in einzelnen Jahren immer wieder vor. So musste sie Einwohner auslösen, die wahrscheinlich im Rittergutsgefängnis in Dittersdorf festgesetzt waren. "15 Gr. 9 Pf. dem Herrn Richter vor Ausgebung derer Gefangenen und Bothenlohn", heißt es 1735. Die für diese Zeit recht große Summe von 3 Gulden 11 Gr. 9 Pf., musste 1764 für "allerhand Arme bezahlet“ werden. 1764 begannen schon die Hungerjahre als Folge dauernder Witterungsunbilden, die dann bis 1772 die Menschen immer mehr verarmen ließen. Rühren daher die Armen, die der Gemeinde zur Last fielen? 

1799 verauslagte der Richter 2 Gr. 17 Pf. für "Prozeßkosten, Botenlöhne und dergleichen“, die ihm zurückerstattet wurden. 1820 erhält der Gemeindevorsteher 1 Taler "wegen rückständigen Kriegsaufwand der Restanten“. Dieser "Kriegsaufwand" bezieht sich sicher auf den Befreiungskrieg von 1813, bei dem eine Auflage erhoben werden war, an der 6 Jahre später noch einige Einwohner abzahlten.

1835 hatte eine gewisse Preisin einen Unglücksfall erlitten. Da dieser Name in Kemtau damals unter den Besitzenden nicht vorkommt, handelt es sich möglicherweise um eine von auswärts stammende Dienstmagd, wegen der es dann allerhand Lauferei gab, denn 1836 heißt ein Ausgabeeintrag: "12 Gr. dem Gemeindevorsteher Carl Gottlieb Loose als noch zu fordern haben der Bothengänge (halber), wegen der allhier im Jahre 1835 verunglückten Preisin".

Kosten für Instandhaltungsarbeiten

Immer wieder gab es natürlich Ausgaben für die Erhaltung gemeindeeigenen Besitzes, z. B. der Wege, der Brücken usw. So bekam 1735 Hannß Ehrt des Zimmermeister Lohn und "vor Bauholz zum neuen Steg an der Aumühle 1 Gulden 9 Gr. 3 Pf." und im gleichen Jahr nochmals “6 Gr. vor Gemein-Bau in Kemtau". Welcher “Gemeinbau“ ist da wohl gemeint?

Christoph Kreyßig, der Botengänger, erhielt "3 Gr. 6 Pf. Vor den Dittersdorfer Mühlsteg zu reparieren“. Dieser Steg dürfte der in Kamerun sein, denn dort überquerte der Talweg nach Dittersdorf die Zwönitz.

Für eine nicht gemeindeeigene Brücke waren 1841 nach Burkhardtsdorf 12 Gr. 5 Pf. Brückengeld zu entrichten.

Auch Beträge für Kleinreparaturen werden aufgeführt, wie "6 Gr. für Reparatur der Gemeindelade im Jahre 1828". Natürlich war sie wichtig, weil darin Geld und Dokumente aufbewahrt wurden. Unklar ist eine Ausgabe im Jahre 1772: "16 Gr. den Blanccer (?) die Bäume zu besehen". Handelt es sich bei der Angabe um einen Namen oder einen Beruf? Und welche Bäume mussten besehen werden?

Auch ein Schulgebäude muss es im 18. Jhdt. schon gegeben haben, denn 1772 erscheint ein Betrag von 10 Gr. 10 Pf. "vor das Schock (?) (Schoß?) zum Schul Hauß" unter den Ausgaben, und ab 1806 sind "von Daniel Morgenstern auf den Schulhausgarten auf 3 Jahre verauctionieret jedes Jahr zu 6 Gr. 6 Pf. und bey der Gemeinde Rechnung dieser Betrag einzunehmen und in Rechnung als Eingang zu bringen". Außer der Schule ist später auch ein Gasthof im Ort anzunehmen, denn 1817, zur 300. Wiederkehr der Reformation, spendet in einer Sammelliste der "Schankwirth Vogel" 2 Gr., und 1842 erscheint bei den Gartenzinspflichtigen erstmals "der Gasthofsbesitzer“, leider ohne Namen.

Die einzigen Beträge, die von 1735 bis 1842 jedes Jahr und stets in der gleichen Höhe - trotz Teuerung und Währungsänderung - von der Gemeinde zu zahlen sind, werden an die Kirche Burkhardtsdorf geleistet, nämlich "17 Gr. Holz Geld dem Herrn Pfarrer" und "4 Gr. Wachsgeld der Kirche“.

Jahresendabrechnung

Zum Schluss sei noch etwas zur Gesamtabrechnung jedes Jahr bemerkt. Natürlich wurden Einnahmen und Ausgaben sorgfältig addiert wobei dem Weißbacher Schreiber doch, wenn auch selten, einmal Fehler unterliefen, die entweder bei der Rechnungsüberprüfung oder in einem Falle erst im nächsten Jahr, meist vom Lehnrichter festgestellt wurden, der ja dafür die kompetenteste Person war. Die anderen - die Schöppen - verließen sich da wohl auf ihn. Meist waren die Ausgaben etwas geringer als die Einnahmen, dann wurde der verbleibende Rest in den "Casten" getan und im nächsten Jahr als Einnahme aufgeführt. Wenn die Ausgaben die Einnahmen überstiegen, musste der Gemeindevorsteher den Rest verauslagen und bekam ihn dann im nächsten Jahr zurück, so z. B. 1772:

“Recapitulation:

6 Gulden 10 Groschen 6 Pfennig Einnahme

8 Gulden 6 Groschen 10 Pfennig  Ausgabe

Da in dieser Rechnung die Ausgabe die Einnahme übersteigt, so muss der Gemeinde Vorsteher 1 Gulden 13 Groschen 4 Pfennig heraus bezahlen, bekomt ...."

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese beim anfänglichen Lesen so wenig abwechslungsreich erscheinenden Rechnungslegungen doch eine Menge interessanter Einzelheiten aus dem Gemeindeleben zwischen 1735 und 1842 enthalten, die des Bild über die damalige Zeit in Kemtau abrunden helfen.