Die Besiedlung unserer Gegend

Erarbeitet und zusammengestellt von Rudolf Baumgärtel 1988

Noch um des Jahr 1000 war das gesamte Erzgebirge mit seinem Vorland von einem großen und kaum zugänglichen Wald bedeckt, Miriquidi - schwarzer Wald - genannt.

Nördlich und südlich dieses Urwaldes war das Land von slawischen Stämmen besiedelt. Die nördlich wohnenden Sorben zogen als Jäger, Fischer und Sammler wohl gelegentlich an den Flüssen aufwärts ins Gebirge. Nur wenige Handelspfade führten in Nord-Südrichtung durch das unbesiedelte Gebiet. Es waren gebahnte Wege, auf denen Reiter oder Leute zu Fuß und zur Not auch noch im Wagen vorwärts kommen konnten. Sie mieden die Täler, überquerten Bäche und Flüsse an flachen Stellen und verliefen möglichst auf sich lang hinziehenden Höhenzügen.

Die Völkerwanderungszeit

Pleißenland um 1200 Quelle: Karlheinz Blaschke: Geschichte Sachsens im Mittelalter. Union Verlag, Berlin 1990, S. 140
Pleißenland um 1200 Quelle: Karlheinz Blaschke: Geschichte Sachsens im Mittelalter. Union Verlag, Berlin 1990, S. 140

Zur Zeit der Völkerwanderung zwischen 300 und 500 unserer Zeitrechnung waren die germanischen Stämme nördlich des Miriquidi nach Westen und Südwesten gezogen. Sorbische Völkerstämme drängten in dieses Gebiet nach. Die deutschen Kaiser versuchten, nachdem die Kämpfe gegen die großen Stammesherzöge abgeflaut waren, die Grenzen ihres Reiches nach Osten vorzutreiben. Große, von slawischen Völkern bewohnte Gebiete wurden unterworfen. Dieses “Königsland“ wurde zwar dem Reiche eingegliedert, aber durch Schenkungen an verdiente Große des Reiches wurde der Grund für die Entstehung von Territorialherrschaften gelegt (und damit für die Zersplitterung Deutschlands und die Schwächung der Zentralgewalt). Durch die Initiative der Inhaber dieser Herrschaften, eine davon war das Pleißenland mit dem Mittelpunkt Altenburg, erfolgte nun die Besiedlung des Erzgebirges. Von hier aus verliefen die wenigen Straßen nach Böhmen.

Die Karolingerzeit

13. Juli 892 Arno wurde von slawischen Truppen getötet Quelle: Heiligenportal Bistum Würzburg
13. Juli 892 Arno wurde von slawischen Truppen getötet Quelle: Heiligenportal Bistum Würzburg

Dass diese zum Teil schon sehr lange bestanden, beweist eine Erwähnung in der Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg (1012 - 1018 entstanden), in der aus dem Jahre 892 erwähnt wird, dass im Verlauf der Kämpfe der Deutschen mit böhmischen Stämmen der streitbare Bischof Arn von Würzburg, der mit dem Markgrafen Poppe aus der Sorbenmark in Böhmen gekämpft hatte, auf dem Rückmarsch von dort am Chemnitzfluß von heidnischen Sorben überfallen und, während er die Messe in seinem Zelt gelesen habe, getötet worden sei (1). Hellmuth Hofmann, vermutet sogar, dass das Arnokreuz in Klaffenbach mit dem Ort dieses Kampfes in Zusammenhang zu bringen sei. Dann müsste diese uralte Straße in unserer unmittelbaren Nähe vorbeigeführt haben (2). Es gibt aber auch andere Ansichten darüber.

Die Waldenburger Zeit

Wappen der Waldenburger
Wappen der Waldenburger

Eine der in der Nähe von Altenburg sitzenden Feudalherrenfamilien, das Adelsgeschlecht derer von Waldenburg - 1165 bis 1172 hatte sie ihre Burg an der Mulde erbaut - organisierte also, wie euch andere die Kolonisation des Erzgebirges.

Sie ließen in ihren ehemaligen Stammgebieten, aber auch in anderen Teilen Deutschlands Bauern "anwerben", die bereit waren, in dem fremden Land zu siedeln. Die Werber waren Beauftragte aus dem niederen Adel, aber es bildeten sich auch selbständige Gruppen unter der Führung von entschlossenen Bauern, die dann im Siedlungsgebiet vom Feudalherrn eine Rodegenehmigung für einen bestimmten Ort erhielten. Die Siedler unseres Gebietes stammen mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem mittleren und östlichen Thüringen, aus Nordbayern, Mainfranken und der Oberpfalz. Das letztere Gebiet als Altsiedelland ist für Kemtau anzunehmen, wie aus dem Beitrag "Der Name Kemtau" hervorgeht. Einige Gruppen kamen vielleicht sogar aus dem Lahngebiet, wie Hellmuth Hofmann in seiner Burkhardtsdorfer Chronik nachzuweisen versucht (2).

Die Besiedelung von Kemtau

Die 9 Bauerngüter im Oberdorf Quelle: Zwönitztalkurier
Die 9 Bauerngüter im Oberdorf Quelle: Zwönitztalkurier

Die Anführer der Bauerngruppen oder die vom Feudalherrn bestimmten Führer und Werber, die Lokatoren, leiteten nun die Anlage des neuen Dorfes. Meist geschah das beiderseitig entlang eines Bach- oder Flusslaufes. Dort wurde zunächst für jeden Siedler ein Streifen von ganz bestimmter Breite (im Dorfbereich 103 m) und Länge (2 430 m = 3 Felder zu je 810 m oder 270 Ruten zu je 8,66 m) abgemessen und zwar vom Wasserlauf aus hangaufwärts. Diese Fläche - eine Hufe - von 49 Acker Größe reichte bis weit hinauf in den zu rodenden Wald, der erst in jahrelanger Arbeit bis auf geringe Reste zu Feld verarbeitet werden konnte. Jeder Bauer hatte also Anteil am Bach, am Wege, am guten Boden des unteren Hufenteils, am steinigen Steilhang des Talrandes und am Wald, der auf der Höhe übrig blieb.

Der Lokator bekam für seine verantwortliche Tätigkeit meist 2 Hufen zugesprochen und dazu besondere Rechte wie die niedere Gerichtsbarkeit, Brau- und Schankrecht und, falls er aus dem, niederen Dienstadel stammte, auch Waldnutzung und das Recht auf Jagd und Fischfang. In den meisten Dörfern, so euch in Kemtau, herrschte also nicht ein adliger Rittergutsbesitzer über erbuntertänige Leibeigene. Unsere Bauern waren persönlich frei, und an ihrer Spitze stand der Erb- oder Lehnrichter als Erster unter Gleichen. Sie waren auch, zumindest in den ersten Jahren nach der Besiedlung, frei von Abgeben. Ihr Gut war aber nicht völliges Eigentum. Sie konnten es zwar vererben, doch fiel es beim Aussterben der Familie des Feudalherren zu. Erst in späteren Zeiten waren sie dann zu Abgaben, zunächst in Naturalien, nachher in Geld und außerdem zu Dienstleistungen verpflichtet.

 Natürlich gab es neben der Normalform des Waldhufendorfes, abhängig von der Geländeform, auch Abweichungen, so, wenn die Reihe der Güter rund um eine Quellenmulde gelagert war und die Hufenstreifen dann nach allen Richtungen wie Strahlen auseinanderstrebten (1). Als ein solches Rundreihendorf mit Radialwaldhufenflur stellt sich Kemtau dar, angelegt an der Quellenmulde des Dorfbaches. 

Die Gehöfte waren anfangs wohl einfache Blockhütten, und erst in mühevoller Arbeit erhielten sie die fränkische Form mit Hausbau auf 3 Seiten des quadratischen Hofes (und eventuell mit Umfassungsmauer mit Einfahrtstor auf der 4. Seite). Wohnhaus und Scheune stehen sich gegenüber, an der Rückseite des Hofes liegt das Stallgebäude.

Wolkenstein war Hauptsitz der Waldenburger

Wolkenstein um 1836 Quelle: Deutsche Fotothek
Wolkenstein um 1836 Quelle: Deutsche Fotothek

Zur Unterstützung der Siedlungstätigkeit in unserem Gebiet ließen die Waldenburger, die Reichsministeriale waren, bald den festen Sitz Wolkenstein errichten, der urkundlich 1241 erstmals erwähnt wird. Die Herrschaft Wolkenstein wer sehr groß. Sie reichte von der Zschopau und der Zwönitz bis an die heutige tschechische Grenze und umfasste mindestens 30 große Rodungssiedlungen. Das Land um die alte Burg Scharfenstein gehörte sicherlich schon ursprünglich zu dieser Herrschaft Wolkenstein. Der westliche Teil der Besiedlung des Erzgebirges erfolgte nach gesicherten Feststellungen etwa zwischen 1160 und 1200 bis zu einer Höhe von etwa 700 - 800 m. Vielleicht ist Kemtau mit seiner besonderen Siedlungsform erst einer etwas späteren Periode zuzurechnen, da ein Dorf am Bach entlang sicherlich leichter zu besiedeln war und daher diese Orte zuerst ausgewählt wurden. Man kann aber diese Leistung der einfachen bäuerlichen Menschen gar nicht hoch genug einschätzen.

Quellen

(1) Johannes Leipoldt, Beiträge zur Heimatgeschichte von Chemnitz, Vom alten Gerichtswesen in den Dörfern des Stadtkreises Karl-Marx-Stadt, 1965

(2) Hellmuth Hofmann, Beiträge zur Ortsgeschichte von Burkhardtsdorf, 1971