Über die Kirche zu Burkhardtsdorf

von Frank Müller, Klaffenbach

Von der Dorfkirche St. Michael in Burkhardtsdorf sind nur noch die Grundmauern vorhanden. Die 

Druckwelle einer Luftmine hat das Gotteshaus am Abend des 14. Februar 1945 regelrecht zerrissen 

und seine Trümmer in weitem Umkreis verstreut. (1)

Bereits in der Meißner Bistumsmatrikel von 1346 wird "Borckersdorff" mit einem Altarzins von 4 Mark genannt. (2) Der Erzengel Michael (3), dem die Kirche geweiht war, tritt in der Bibel als wehrhafter Beschützer des Volkes Gottes auf (4) und galt im Mittelalter als Schutzpatron des ostfränkischen 

Reiches und später Deutschlands. (5) Daher nimmt man an, daß die erste Burkhardtsdorfer Kirche schon mit der Gründung des Ortes errichtet wurde, als die Erinnerung an überstandene kriegerische Auseinandersetzungen noch lebendig war.

Doch schon um 1600 soll das Gebäude baufällig gewesen sein. Gelder für einen Neubau kamen u.a.

vom Kurfürsten, von der Gutsherrschaft Neukirchen, von der politischen Gemeinde Burkhardtsdorf 

und von Handwerkern des Ortes. Doch folgten schwere Rückschläge. Im August 1628 gab es ein 

Hochwasser, das 28 Todesopfer forderte, über die Hälfte des Bauholzes fortspülte und den Rest 

durch die Nässe verdarb. Immer wieder starben Leute an der Pest oder an anderen Seuchen. Ab 

1632 wurde auch unsere Gegend von den Kämpfen und Plünderungen des Dreißigjährigen Krieges 

heimgesucht, so daß an einen Kirchenbau nicht mehr zu denken war.

Erst 1692 war man in der Lage, das Projekt wieder in Angriff zu nehmen. Möglich wurde dies durch die Zuwendung des Grafen Ernst Dietrich von Taube, der u.a. das Bauholz bereitstellte. Ein Teil der Baukosten wurde durch eine Kollekte im Kirchenbezirk Zwickau gedeckt. Von dem alten Gotteshaus verwendete man nur drei Außenwände, die etwas erhöht wurden. Am 20. April 1693 legte der Pfarrer M. Johann Wilhelm Böhme im Namen der Gutsherrschaft den Grundstein zur neuen Kirche. Der neue Bau wurde nach Westen etwas erweitert. 

Beim Abriß des alten Altars kam eine katholische Reliquie zum Vorschein, die man in dem neuen Altartisch wieder einmauerte. Ab dem ersten Sonntag nach Trinitatis wurden alle Kirchgänger aufgefordert, 3 ₰ (6)  zur sonntäglichen Kollekte zu geben. Am 9. August 1695 verfaßte Pfarrer Böhme die Urkunde für den Turmknopf. Er nennt eine Bausumme von 900 Mfl. (7)


(1) Augenzeugen berichteten über weit verstreute Trümmer der Kirche, siehe z.B. Dunkle Wolken ..., S. 8 und S.13; Der Verfasser hat davon durch seinen Lehrer Alfred Schulze erfahren.

(2) siehe CDS I A1, S. 197ff.

(3) hebr.: מיכאל deutsch: Wer ist wie Gott?

(4) z.B. Daniel 12,1ff.

(5) Anlaß war der errungene Sieg über die Ungarn im Jahre 955.

(6) 3 Pfennige

(7) Meißner Gulden

Auch der nächste Neukirchner Gutsherr, Freiherr Johann Georg II. von Taube erwies sich als Förderer der Burkhardtsdorfer Kirche. Die Kirchgemeinde besitzt noch eine von ihm gestiftete vergoldete Hostiendose.

Wie die Kirche bis 1945 von außen ausgesehen hat, zeigen einige wenige historische Abbildungen. Über einem schlichten, rechteckigen Baukörper mit oktogonalem Chorabschluß erhob sich ein hohes Walmdach. In der Mitte des Firstes befand sich ein Dachreiter, bestehend aus einem viereckigem Sockel mit der Uhr, darüber einer achteckigen, offenen Laterne und einer Zwiebel mit Wetterfahne. Das dreistimmige Geläut war in der Laterne untergebracht. An der talseitigen Längsseite des Gebäudes gab es vier hohe Fenster, ebenso zwei Fenster am Altarraum. Nach dem Friedhof waren drei niedrige Fenster in Höhe der Emporen vorhanden. Kleine Anbauten mit abgeschleppten Pultdächern gaben zusammen mit einigen wuchtigen Strebepfeilern dem Bau ein breit gelagertes, behäbiges Aussehen.

Der Innenraum hatte eine flache Holzdecke. Dem Eingang gegenüber stand erhöht die Kanzel, darunter mit etwas Abstand der Altar, davor frei im Raum der Taufstein. An den Längsseiten befanden sich doppelte Emporen für die Männer. Die Frauen saßen unten links und rechts vom Mittelgang. Über dem Eingang war in Höhe der unteren Empore die Orgel aufgestellt. Beichtstuhl und Herrschaftsloge vervollständigten die Einrichtung.

Der Blitzeinschlag von 1737, der den Obermüller Johann Christoph Lange und den Lehnrichter Johann Georg Cantzler das Leben kostete und mehrere Personen verletzte, beschädigte zwar das Gebäude, zündete jedoch nicht. So konnten die Schäden noch im gleichen Jahr behoben werden. Einer Notiz des damaligen Pfarrers M. Augustin Siegismund Krause ist zu entnehmen, daß die Reparaturen über 100 Thlr. (8) kosteten. 

Das hölzerne Schindeldach der Kirche wurde 1749 durch ein Schieferdach ersetzt. Ab 1755 zierte eine Sonnenuhr das Gebäude. 

Daß schon kurz nach 1695 ein Positiv (9) oder eine kleine Orgel angeschafft wurde, ist stark anzunehmen, doch genügte dieses Instrument um die Mitte des 18. Jahrhundert offenbar nicht mehr den gewachsenen Ansprüchen. 1764 ließ man sich ein Angebot für eine einmanualige Orgel von dem Orgelbauer Johann Jacob Schramm aus Mülsen St. Niclas machen. Obgleich man anfangs mit der eingereichten Disposition zufrieden war, wollten einige Mitglieder des Gemeinde- und Kirchenrates noch einige Veränderungen. Aus diesem Grunde schloß man am 15. Oktober 1771 einen zweiten Kontrakt mit dem Orgelbauer Schramm. Die Änderungen gegenüber dem ersten Kontrakt scheinen relativ gering, zielen aber einerseits auf mehr Fülle und Kraft beim vollen Werk, andererseits auf mehr Variationsmöglichkeiten bei leiseren Klängen und insgesamt auf mehr Selbständigkeit im Pedal. (10)

Zwischen 1786 und 1787 schließlich führte Johann Jacob Schramm den Orgelbau aus. Als Sachverständiger für die Orgelabnahme war der bekannte Kantor Christian Gotthilf Tag aus Hohenstein verpflichtet worden. Er befand die Orgel technisch und musikalisch für einwandfrei und fand lobende Worte für den Orgelbauer: Überhaupt hat sich Hr. Schram bei diesem Bau geschickt und redlich erwiesen, und in verschiedenen Stücken mehr geleistet, als er in dem Accord versprochen. Welches auf Verlangen hierdurch attestiert Christian Gotthilf Tag Kantor und zweiter Schulkollege in Hohenstein am 19. April 1787. (11)

Für Interessierte sei die Disposition der Orgel mitgeteilt (12):

Im Manual Clavier

 

1) Principal 8 Fuß

2) Praestant 4 Fuß

3) Quintadena 8 Fuß

4) Grobgedackt 8 Fuß

5) Gedackt 4 Fuß

6) Flauto traverso 4 Fuß

7) Nasat 3 Fuß

8) Super Octav 2 Fuß

9) Spitz Flöthe 1 1/2 Fuß

10) Flageolet 1 Fuß 

 

 

11) Cornetti vierfach

12) Mixtur vierfach

 

13) Tremulant

Im Pedal

 

1) Sub Bass 16 Fuß

2) Posaunen Bass 16 Fuß

3) Principal Bass 8 Fuß

4) Violon Bass 8 Fuß

 

In Beyzügen

 

1) Coppel in das Pedal

2) Haupt Ventil

3) Calcanten Ruff


1788 wurde der Kirchenraum mit einem Deckengemälde ausgestattet.

Erst 1835 erhielt die Kirche einen Blitzableiter. 1837 folgte eine Renovierung des Innenraumes. Die Malerei von 1788 wurde wieder entfernt. Ein heller Innenanstrich trug dem gewandelten Zeitgeschmack Rechnung. Der Dachreiter wurde 1845 von dem bekannten Baumeister Christian Friedrich Uhlig aus Altenhain erneuert.

Der Autor Fritz Oehme beschrieb um 1900 die Burkhardtsdorfer Schramm-Orgel. (13) Bis auf den Austausch des Principalbasses im Pedal gegen einen Doppelflötenbaß 8 Fuß scheint das Instrument noch weitgehend

original erhalten gewesen zu sein. Das Gehäuse im Rokokostil habe 68 Prospektpfeifen in sieben Feldern besessen und sei weiß marmoriert und teilweise vergoldet gewesen. Es entspricht damit fast völlig der  noch erhaltenen Schramm-Orgel in Stangengrün.


(8) Taler

(9) Positiv: von lat. ponere=aufstellen, eine transportable Kleinorgel

(10) Statt Flauto=Major 8' wurde Principal 8' gebaut, Quinta 1 1/2' wurde zu Spitz Flöthe 1 1/2', die Mixtur wurde um einen Chor verstärkt, der Flöthen=Baß 4' im Pedal wurde zu Violon Baß 8'. Zusätzlich erhielt die Orgel eine (schaltbare) Pedalkoppel.

(11) Pfarrarchiv Burkhardtsdorf, Acta die Übernahme der neuen Orgel im Jahr 1789 betr., Loc II, 2E, zitiert nach Axel Röhrborn, Christian Gotthilf Tag: Studien zu Leben und Werk

(12) Ein fast identisches Instrument J. J. Schramms findet sich noch in Stangengrün, nach dem die Prospektzeichnung erstellt wurde.

(13) Fritz Oehme, Handbuch über ältere und neuere Orgelwerke im Königreich Sachsen, Bd. III, S. 212

Bis 1905 tat die Schramm-Orgel ihren Dienst, dann wurde sie durch ein zweimanualiges Instrument der Fa. Hermann Eule aus Bautzen ersetzt. Die neue Orgel wurde am 27. Mai 1906 eingeweiht. Das Instrument hatte eine pneumatische Traktur, 19 Register, 4 Koppeln und einige voreingestellte Registerkombinationen. Schon 1917 mußten die 33 Prospektpfeifen für Kriegszwecke abgegeben werden. Auch zwei der Glocken wurden eingeschmolzen. 1920 erhielt die Kirche ein neues Geläut, das bereits 1942 der kriegsbedingten Metallsammlung zum Opfer fiel.

Nach dem Totalverlust der Kirche 1945 entschied man sich, die beschädigte Leichenhalle zu erweitern und als Notkirche zu benutzen. 1946/47 hat die Baufirma Gebr. Uhlig aus Burkhardtsdorf die Arbeiten ausgeführt. Am 15. Februar 1948 wurde die Notkirche als Provisorium eingeweiht. 

Zu einem Wiederaufbau des alten Kirchengebäudes ist es bis heute nicht gekommen. In den letzten Jahren wurde die Ruine beräumt und in einen würdigen Zustand versetzt. Nun können hier zumindest wieder Freiluftgottesdienste stattfinden.

Literatur

• Burkhardtsdorf im Wandel der Zeit, herausgeg. im Auftrag des Kunst- u. Geschichtsvereins Burkhardtsdorf e.V. in Zusammenarbeit mit der Gemeindeverwaltung Burkhardtsdorf, 2009, S. 18 und S. 100ff.

• Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae I A1, S. 197ff.

• Dunkle Wolken über Burkhardtsdorf – eine Dokumentation über das Endkriegsjahr 1945 und die Nachkriegsjahre, herausgeg. durch Siegrun Weigelt und Martina Hünlein, Mitglieder der AG Ortschronik Burkhardtsdorf, 2016

• Sachsens Kirchengalerie, Verlag Hermann Schmidt, Dresden, Bd. 8, S. 22f.

• Axel Röhrborn, Christian Gotthilf Tag: Studien zu Leben und Werk, S. 244ff. und S. 340ff.

• Fritz Oehme, Handbuch über ältere und neuere Orgelwerke im Königreich Sachsen, Bd. III, S. 212

Bilder

• Bildarchiv Gemeinde Burkhardtsdorf, verwaltet durch AG Ortschronik

• Schramm-Orgel: eigene Zeichnung nach der Orgel in Stangengrün

F. Müller