Die alten Bauernhöfe im Kemtauer Oberdorf

Das Kemtauer Oberdorf von der Hexenfeuerwiese
Das Kemtauer Oberdorf von der Hexenfeuerwiese

Schaut man bei einer Wanderung über die Hügel von Kemtau auf das Oberdorf hinunter, fallen mehrere große Bauerngüter auf. Sie bildeten einst das wirtschaftliche Zentrum des Ortes und sie haben eine lange Geschichte, die Anfang des 16. Jahrhunderts begann und teilweise bis in die heutige Zeit reicht. In zahlreichen Veröffentlichungen des Zwönitztalkuriers erfährt der interessierte Leser, dass es ursprünglich neun solche Bauernhöfe gab. Immer wieder tauchen dabei die Namen Felsengut, Uhliggut und Lehngut auf. Leider hatte ich nie richtig verstanden, welches der heute noch existierenden Güter welchen Namen hatte, geschweige denn, wo die anderen sechs Güter standen. Dieser Frage möchte ich nun mit diesem Beitrag nachgehen. Da mir selbst die nötigen Informationen fehlen, habe ich mich an die Burkhardtsdorfer Ortschronisten gewandt und Hilfe erhalten.

Die geografische Lage der Bauerngüter

Aus: Zwönitztalkurier September 2014
Aus: Zwönitztalkurier September 2014

Die nebenstehende Karte zeigt das Oberdorf um 1835 basierend auf dem Ausschnitt einer Flurkarte (1). Man erkennt die Lage der ersten neun historischen Bauerngüter im Kemtau. Die Nummerierung ist nicht willkürlich gewählt, sie gibt die Gebäudenummern aus dem alten Brandkataster von Kemtau wieder. Dieses Kataster geht auf die Generalbrandkasse als staatliche Brandversicherung in Sachsen zurück. 1729 gegründet und 1784 neuorganisiert, verpflichtete sie die örtlichen Behörden, alle Gebäude unter einer Katasternummer zu erfassen. Dazu gehörten auch Angaben ihrer Lage, ihres Verwendungszweckes, des taxierten Wertes, der Gefahrenklasse und den Namen des Eigentümers. Die Nummerierung im Kemtauer Oberdorf begann ganz oben mit den Lehngut und wurde mit den weiteren großen Bauerngütern im Uhrzeigersinn fortgesetzt. Die kleineren Häuser folgten mit höheren Nummern.

Nach einer Revision des Feuerversicherungswesens erfolgte um 1839 eine Neuvergabe der Kemtauer Brandkatasternummern. Dieses mal war wieder das Lehngut der Ausgangspunkt, aber nun erfolgte die Nummerierung entgegen dem Uhrzeigersinn und es wurden andere Häuser mit einbezogen. Unabhängig vom Straßennamen wurde diese Brandkatasternummer als Hausnummer verwendet und bis 1965 beibehalten, danach wurden die heutigen Adressen festgelegt. 

Übersicht der alten Bauerngüter

Die Güter hatten in ihrer langen Geschichte teils mehrere Eigentümer, werden aber heute üblicherweise wie folgt bezeichnet:

Alte Nr. Gutsname Neue Nr. Heute Größe Bemerkung
1 Lehngut/Lehngericht 1 Gelenauer Str. 67 1 Hufe  
2 Georg Uhlig /Nietzoldscheune 48   1 Hufe abgebrannt
3 Uhliggut 42 Gelenauer Str. 40 1/2 Hufe  
4 Felsengut 10 Weißbacher Str. 2 3/4 Hufe  
5 Röslergut/Gemeindegut 9 Gelenauer Str. 33 1/2 Hufe  Ruine
6 Roschergut 5+6 Gelenauer Str. 47 1/2 Hufe  
7 Listnergut 4 Gelenauer Str. 57 1/4 Hufe  
8 Lohsegut 3 Gelenauer Str. 65 1/2 Hufe abgerissen
9 Kunzgut 2   1/2 Hufe abgerissen

Die Größenangabe Hufe, im Erzgebirge auch als Lehn bezeichnet, war eine mittelalterliche Maßeinheit für Bauerngüter. Eine Hufe war ein Ackerstreifen der meist am Dorfbach oder der Dorfstraße begann und bis in den Wald reichte. Im Kemtauer Oberdorf waren die Hufen sternförmig angelegt. Eine Hufe entsprach dem Land das eine Bauernfamilie ernähren konnte. Je nach Bodenbeschaffenheit, war das regional unterschiedlich. Eine sächsische Hufe entsprach 20 Hektar. In Kemtau wurden jedoch 35 bis 40 ha angegeben (2).

Zu den einzelnen Bauerngütern

Dieser Beitrag zu den Kemtauer Bauerngütern stellt zunächst nur einen Überblick zur geografischen Lage und einer kurzen Historie dar. Detaillierte Informationen und Geschichten folgen nach und nach.

Das Lehngut mit dem Lehngericht

Das ehemalige Lehngut heute
Das ehemalige Lehngut heute

Ganz oben im Oberdorf befand sich das Lehngut von Kemtau mit dem Lehngericht. Der erste namentlich bekannte Besitzer des Gutes war im Jahre 1501 Peter Puschmann. Er war von 1529 - 1551 auch der Dorfrichter, die Bezeichnung Lehnrichter wurde 1655 erstmals erwähnt. Der Lehnrichter war das Dorfoberhaupt und oberster Richter des Dorfes. Dazu kamen Privilegien, wie das Braurecht, Schankrecht und das Recht Branntwein zu brennen. 

Das Kemtauer Lehngericht um 1900 Quelle: Bildarchiv der Gemeinde Burkhardtsdorf
Das Kemtauer Lehngericht um 1900 Quelle: Bildarchiv der Gemeinde Burkhardtsdorf

Das Gebäude des Lehngerichts stand gleich neben dem Lehngut. Über 200 Jahre wurde das Amt des Lehnrichters von Kemtau in der Familie Wieland vererbt. Sie waren bis zur Abschaffung des Lehnrichteramts im Jahre 1839 Erblehnrichter. Das Haus wurde 1994 abgerissen.

Die folgende Übersicht zeigt die Kemtauer Dorfrichter bzw. ab den Wielands die Lehnrichter (3):

Dorfrichter / Lehnrichter von - bis
Peter Puschmann 1529 - 1551
Georg Puschmann 1553 - 1571
Tomas Hoffmann 1603 - 1605
Georg Uhlich 1607 - 1621
Wolff Uhlich 1621 - 1637
Christoph Wieland (*1606, †1673) 1637 - 1673
Johann Wieland (*1643, †1722) 1673 - 1710
Christoph Wieland (*1676, †1713) 1710 - 1713
Michael Uhlich (*1683, †1749) als Vize-Richter 1713 - 1722
Johann Christoph Wieland (*1699, †1760) 1722 - 1756
Johann Christoph Wieland (*1729, †1795) 1756 - 1795
Johann Christoph August Wieland (*1765, †1829) 1795
Johann Adolph Wieland (*1773, †1855) 1795 - 1835
Adolph Ferdinand Wieland (*1812, †1873) 1835 - 1848

Die Tabelle macht deutlich, dass es einige Unregelmäßigkeiten gab, z.B. fällt auf, dass Johann Christoph Wieland zweimal nacheinander auftaucht. Aus heutiger Sicht eher ungewöhnlich, damals war es völlig normal, dass der erstgeborene Sohn den Vornamen des Vaters erhielt.

Ungewöhnlicher ist, dass der Christoph Wieland von 1710 nur drei Jahre im Amt war und ein Michael Uhlich als Richter einspringen musste. Was war geschehen? Johann Christoph Wieland starb mit 34 Jahren und hinterließ 8 unmündige Kinder. Seine Witwe Anna Regina erbte das Gut aber sein ältester Sohn war erst 13 Jahre alt, deshalb musste Michael Uhlich vom Uhliggut, der ohnehin stellvertretender Richter war, das Richteramt übernehmen. Auch das war also ein ganz normaler Vorgang.

Richtig ungewöhnlich war das Jahr 1795. In diesem Jahr schlug das Schicksal im Hause Wieland unbarmherzig zu. Aus gesundheitlichen Gründen verkaufte Johann Christoph Wieland seine Güter an Johann Christoph August, seinem ältesten Sohn am 12. September. Die eigentliche Amtsübergabe sollte im Januar 1796 erfolgen, doch dazu kam es nicht mehr. Zunächst verstarb die Ehefrau Johanna Sophia am 8. Oktober 1795 und am 30. Oktober der Lehnrichter selbst. Aber damit war das Leid der Lehnrichterfamilie noch nicht zu Ende. Der designierte neue Lehnrichter Johann Christoph August Wieland verlor am 16. November auch noch seine Ehefrau Johanna Dorothea. Nach diesen Schicksalsschlägen wollte er nicht mehr Lehnrichter werden. Das Amt und die Güter übernahm am 21. Dezember 1795 sein erst 22 Jahre alte Bruder Johann Adolph. Er sollte der erfolgreichste Lehnrichter Kemtau's werden.

Das Oberdorf mit Lehngut im Januar 2018
Das Oberdorf mit Lehngut im Januar 2018

Mit Adolph Ferdinand Wieland, dem letzten Kemtauer Lehnrichter, endet die Ära der Wielands als Gutsbesitzer. Ihr Besitz wird zwangsversteigert, wer neuer Eigentümer wird entzieht sich meiner Kenntnis. Eine Fortsetzung der Historie vom Lehngut und Lehngericht folgt hoffentlich bald.

Die weitere Entwicklung nach den Wielands

Bei der Zwangsversteigerung des Besitzes von Adolph Ferdinand Wieland am 29. September 1848 erhielt Anton Constantin Röber den Zuschlag für das ehemalige Lehngerichtsgebäude. Ob er auch das Lehngut und alle anderen Besitzgüter kaufte, ist mir nicht bekannt. Zum Lehngericht gehörte schon immer ein Nebengebäude mit einer Brauerei. Das sogenannte "Bräur Häußl" hatte zwei Etagen. Diese Brauerei wurde üblicherweise verpachtet und auch Constantin Röber sucht im August 1849 einen neuen Pächter. Im November des gleichen Jahres heiratete er ein Frl. Auguste Winkler.

Herr Röber beschäftigte sich in der Folgezeit mit Kalkabbau zur Düngemittelproduktion im heutigen Ortsteil Kalkofen. Dort erwarb er ein Grundstück und betrieb zwischen 1858 und 1860 den Kalkofen. Leider waren die Kosten der Kalkproduktion zu hoch und das Vorhaben wurde bekanntlich eingestellt.

So erwarb er in Venusberg 1863 ein Kalklager zusammen mit dazugehörigen Bergwerk und Anlagen. Allerdings wechselten schon zwei Jahre später das Kalkwerk den Besitzer.

Constantin Röber wohnte weiter in Lehngerichtsgebäude in Kemtau. Bis 1868 Unglück geschah. Ein Zeitungsartikel berichtet darüber:

Dresdner Nachrichten 11. August 1868
Dresdner Nachrichten 11. August 1868

Aus diesem Bericht einer Dresdner Zeitung ergeben sich viele Fragen. Es gibt zahlreiche Informationen zur Kemtauer Ortsgeschichte, aber dass am 7. August 1868 das gesamte ehemalige Lehngut abbrannte und nur noch die Umfassungsmauern stehenblieben ist mir neu. War das Nebengebäude, in dem der Brand ausbrach das "Bräur Häußl"? Gehörte Anton Constantin Röber das abgebrannte Gut oder gab es einen Geschädigten? Zahlte die Brandversicherung oder müsste Röber dafür einstehen?

Aber ganz undurchsichtig ist der 2. Teil der Mitteilung. War "zufällig" ein weiterer Besitz von ihm kurz zuvor auch schon abgebrannt? Wo war das? Im Ortsteil Kalkofen, in Venusberg oder ganz woanders? Wie glaubwürdig ist das?

Ein Indiz für die Richtigkeit findet sich in Sächsischen Staatsarchiv:

Datierung: 1869, Archivaliensignatur: 1020
Datierung: 1869, Archivaliensignatur: 1020

Die weiteren Eigentümer von Lehngut und Lehngericht

1848 RÖBER, Anton Constantin

1869 REICHELT, Carl Gottlieb

1876 FUNKE, Heinrich Julius

1878 SCHNEIDER, August

1880 HÄHNEL, Wilma

1882 MEHNER, Franz Klaus

1883 FUNKE, Heinrich Julius, danach RÖSSLER, Ernst Hermann

1885 HOLLER, Hugo

Bis 1900 gab es weitere, jährlich wechselnde Besitzer

1900 MEY, Hermann

1916 BÜTTNER

1917 GLÄNZEL, Max

1919 PILLING, Theodor

1927 SCHWARZE, Paul

1960 SCHWARZE, Helmut, Sohn,

1970 SCHWARZE , Gertrud, Witwe,

1970 HOFMANN , Regine, Tochter,

1991 MÜLLER, Hubertus, Schwiegersohn und Frau Ulla Müller

Die Nietzoldscheune

Vom Gut Nr. 2 stand lange Zeit nur noch die Scheune
Vom Gut Nr. 2 stand lange Zeit nur noch die Scheune

Die Nietzoldscheune war bis 2022 das einzig erhalten gebliebene Gebäude des Gutes neben dem Lehngut. Es war genauso groß wie das Lehngut. Wie bei allen Kemtauer Bauerngütern, ist nicht bekannt wann das Gut entstand und von wem es gegründet wurde. Erst eine sogenannte Türkensteuerliste von 1501 enthält erstmals Namen von den 9 Gutsbesitzern. Für das Gut Nr. 2 stand ein Oßbalt Lyndener auf dieser Liste. Schon 1525 hieß der Besitzer Stephan Weiß. 1571 erbte sein ältester Sohn, der natürlich auch Stephan hieß, das Gut. Es folgte 1603 Hans Weiß und schon 2 Jahre später dessen Sohn Hans. Bis 1655 blieb das Gut im Besitz der Familie Weiß. In diesem Jahr tauchten neue Akteure im Kemtauer Oberdorf auf - die Uhlig's, damals noch Uhlich geschrieben, sollte dieser Name bis heute mit der Kemtauer Geschichte verbunden bleiben.

Er hieß Georg Uhlich (*1625,†1669), stammte aus Altenhain und kaufte 1655 das Gut von Hans Weiß. Über Georg ist nicht viel bekannt, aber seine Frau Maria, die er zwei Jahre zuvor im Alter von 21 Jahren geheiratet hatte, war die Tochter eines bekannten Gutsbesitzers aus Weißbach. Um das Ganze etwas verwirrender zu machen, hieß die Weißbacher Bauernfamilie auch Uhlich und Maria Uhlich (*1632,†1697) brauchte bei der Hochzeit ihren Namen nicht wechseln. Ihr Vater Michael Uhlich (*1602,†1664) in Weißbach "der Obere" genannt, war Gutsbesitzer in vierter Generation und sein Hof genauso alt wie die Kemtauer Bauerngüter. Maria hatte eine Schwester Elisabeth und zwei Brüder Peter und Michael. Peter erbte das Gut in Weißbach nach dem Tod seines Vaters 1664 und zahlte seine Geschwister aus. Sein Bruder Michael sollte sich später in Kemtau einen Namen machen - im "Uhliggut".
Weg zum Gut des Georg Uhlich, links die Nietzoldscheune
Weg zum Gut des Georg Uhlich, links die Nietzoldscheune

Wie ging es aber weiter um Gut Nr. 2, auch Gut des Georg Uhlich genannt? Georg und Marie Uhlich hatten 6 Töchter und 3 Söhne. Als Georg 1669 starb, war der älteste Sohn Michael etwa 14 Jahre alt. Warum er das Gut später nicht erbte ist unbekannt. Somit hat Maria das Gut weitergeführt. Auch der zweitälteste Sohn Wolf erbte das Gut nicht. Er heiratete 1884 und zog nach Gelenau. Ihr 6. Kind, Georg (*1662,†1720), heiratet 1688 eine Rosina Hase (*1667,†1738). Sie war eine Enkelin von Christoph Wieland (*1606,†1673), dem Kemtauer Lehnrichter vom Nachbargut. Georg wurde 1687 der Besitzer des Gutes. Der Sohn von Georg und Rosina, Gottfried (*1694,†1757) Bauer und Kirchenvorstand, wird im Jahre 1724 Gutsbesitzer. Er ist verheiratet mit Anna Rosina Uhle aus Altendorf. Der Sohn von  Gottfried und Anna Rosina, Carl Gottfried, ist der letzte der Uhlich-Söhne, die das Gut inne haben. Carl Gottfried ist ab 1757 Gutsbesitzer. Er ist verheiratet mit Hanna Sophia Viertel aus Jahnsdorf. Ob Carl Gottfried keine Söhne hatte, weiß man nicht. Jedenfalls verkauft er am 17.2.1778 das Ganzufengut an den Schwiegersohn Johann August Beckert  (*1758,†1841) aus Altchemnitz. Er ist der Ehemann der Tochter Christiana Johanna Uhlich. Der Kaufpreis für das Gut betrug 750 Gulden Meißnischer Währung (fiktive Rechnungseinheit bis 1838).

Das letzte Kapitel des 2. großen Bauerngutes neben dem Lehngut begann 1820. Es stand wieder einmal der Verkauf des Gutes an. Nun sollte auch die Nietzoldscheune ihren Namen erhalten. Johann August Beckert, damals 62 Jahre alt, Gutsbesitzer, Gerichtsschöppe und Kirchenvorstand im Kemtau hatte noch 21 Lebensjahre vor sich als er sein Gut am 18.2.1820 verkaufte. Sein einziger Sohn besaß jedoch schon ein eigenes Gut. So kam als Nachfolger wieder nur ein Schwiegersohn in Betracht. Seine Tochter Christiane Eleonore Beckert, war jedoch noch nicht verheiratet und ihr Verlobter Johann Samuel Nietzold, geboren am 26. September 1801 war gerade mal 18 Jahre alt und damals wurde man erst mit 25 Jahren volljährig. Ihm wurde am 18. Februar 1820 das Gut übertragen. Die Hochzeit fand erst am 18. April 1820 statt. Warum es Johann August Beckert mit dem Verkauf so eilig hatte bleibt ein Rätsel. In Anbetracht des Alters von Johann Samuel, trat dessen Vater, Johann Georg Nietzold, Gutsbesitzer aus Burkhardtsdorf mit in den Vertrag ein. Der Kaufpreis für das gesamte Gut betrug 4000 Reichstaler. Im Brandkataster von Kemtau taucht der Vater als Versicherer auf. Er schließt eine Brandversicherung über das Wohnhaus mit Ställen, die Scheune, das Keller-Seiten-Gebäude und das Kellerhaus ab. Eigentümer war jedoch sein Sohn Johann Samuel Nietzold.

Auf dieser Wiese stand das 2. große Bauerngut von Kemtau
Auf dieser Wiese stand das 2. große Bauerngut von Kemtau
Nach der sächsischen Gemeindereform 1839 begannen turbulente Zeiten. Die industrielle Revolution sorgte für einen umfassenden Strukturwandel. Auch im Kemtauer Oberdorf endete die Jahrhunderte lange bäuerliche Prägung und zahlreiche Bauerngüter bekamen wirtschaftliche Schwierigkeiten. Von den 9 alteingesessenen Bauern mussten mehrere aufgeben und verkauften ihr Ackerland und auch ihre Güter. Die Käufer waren zum Teil ortsfremde Spekulanten, aber auch Nietzolds Nachbar Adolph Ferdinand Wieland beteiligte sich an diesen Geschäften. Der ehemalige Lehnrichter von Kemtau war nun Gemeinderatsvorsitzender und auch Nietzold war Mitglied des Gemeinderates. 

 

Nietzold verkauft sein Bauerngut

Im Jahre 1843, Johann Samuel war 42 Jahre alt, kam er zu der Erkenntnis, dass sein Bauerngut nicht mehr zukunftsfähig war. Für ihn kam aufgeben und verkaufen jedoch nicht in Frage. Er plante seinen Ausstieg aus dem Bauernleben sorgfältig in mehreren Schritten. Im Jahre 1843 trat er mit einem Spekulanten-Quartett in Verbindung, welche damals als "Fickerts und Konsorten" bezeichnet wurden. Sie machten ein Kaufangebot von 7900 Thalern für sein Ganzhufengut.

Christian Friedrich Fickert

Bürger und Senator

Grünhayn

Christian August Fickert

Bürger und Schneidermeister

Grünhayn

Christian Gottlieb Fickert

Bürger, Gastwirth und Fleischermeister

Grünhayn

Friedrich August Vogel

Bürger, Herr und Handelsmann

Elterlein

Eine weitere günstige Gelegenheit bot sich 1843 als der Besitzer der Aumühle Friedrich Wilhelm Hofmann verstarb und seine Erben einen Käufer suchten. Nietzold machte ihnen auch ein Kaufangebot und konnte am 28. Juli 1843 einen Kaufvertrag in Höhe von 10.250 Talern abschließen. 2600 Taler zahlte er sofort, 1400 borgte er ich, 500 Taler einen halben Monat später, 5750 Taler wurden als 3. Rate im August fällig. Der Kaufvertrag mit den Fickerts wurde am gleichen Tag abgeschlossen. Nun konnte er seinen Wohnsitz vom Kemtauer Oberdorf auf Eibenberger Flur ins Zwönitztal verlegen. Im weiteren Verlauf sollte Johann Samuel Nietzold zum "Spitzenverdiener" in Kemtau aufsteigen.

Damals hatten die großen Bauerngüter im Oberdorf noch sogenannte "wüste Güter" im unteren Teil des Ortes, so auch Johann Samuel Nietzold. Seine Flurstücke befanden sich gegenüber der Aumühle am anderen Ufer der Zwönitz, also ideal gelegen. Sie wurden von Gutshofverkauf ausgeschlossen. Ebenfalls blieb die sogenannte "Mühlstatt", die sich am Zufluss des Kemtauer Dorfbachs in die Zwönitz befand, sein Eigentum. Darunter verstand man lt. Wörterbuch der Gebrüder Grimm von 1854: "MÜHLSTATT, f. statt wo eine Mühle steht oder stehen darf". Da diese Nietzoldsche Mühlstatt so wichtig war, dass sie in allen Verträgen erwähnt wurde und auch als Landmarke zur Abgrenzung von Flurstücken diente, ist anzunehmen, dass sich dort ein kleines Holzhaus mit einem Wasserrad befand. Eine andere Annahme ist: "Es kann sein, dass hier vor 1500 ein Kemtauer Mühlengut stand" (R. Kunick).

Flurkarte von 1911 (mit Zwönitztalstraße)
Flurkarte von 1911 (mit Zwönitztalstraße)

Flurstück 238 a+b

Wiese

2 Acker 427 Quadratruten

Flurstück 239+a+b

Feld

4 Acker 259 Quadratruten

Flurstück 240+a

Fichten-Hochwald

1 Acker 33 Quadratruten

Flurstück 241

Erlen-Niederwald

1 Acker 89 Quadratruten

Flurstück 242 a

Die Vogelwiese

1 Acker 204 Quadratruten

Flurstück 242 b

Die Mühlstatt

 

Nicht einmal einen Monat später erkannte Fickert und Konsorten, dass mit einem Bauerngut nicht der erhoffte Gewinn zu machen war. Sie fanden im letzten Kemtauer Erb- und Lehnrichter Adolph Ferdinand Wieland einen Käufer und verkauften das Gut zum Preis von 9000 Taler am 25.8.1843. Im Kaufvertrag ist detailliert die Lage des Gutes im Oberdorf beschrieben:

"Es verkaufen nämlich die Herren Fickert und Consorten das mit Nr. 48 in Brandversicherungscataster verzeichnete Guth, exclusive der Vogelwiese, sowohl an Wohn- und Wirthschaftsgeländen als Feldern, Gärten, Wiesen Hölzern und Teichen, wie solches zwischen dem Lehngericht und Karl Friedrich Uhligs Gut innen liegt, ferner dem dazu gehörigen Partinenzstück, welches zwischen dem Erblehngericht, dem Gemeinde-Viehweg und Karl Gottlieb Lohßens Gute innen gelegen ist, und die sogenannte Gemeindewiese, wie solche mit des Lehnrichters Sommerwiese, Carl Christoph Rößlers und Carl Friedrich Uhligs Wiesenparzellen, dem Carl Gottlob Lippoldschen Grundstück und dem Gemeindefahrweg gelegen ist". (8)

Das Ende

Wieland hatte jedoch weniger Glück, sein gesamter Besitz wurde wegen Zahlungsunfähigkeit 1848 zwangsversteigert. Wem der Gutshof nun gehörte ist nicht bekannt. Fest steht, dass im Dezember 1850 ein Brand den Hof vernichtete - nur die sogenannte Nietzoldscheune blieb stehen. Laut Zwönitztalkurier (2) war ein Ofenbrand die Ursache. Zweifel, ob das alles mit rechten Dingen zuging, kommen schon auf. Auch die Frage, ob die Feuerversicherung zahlte und wenn ja, an wen, bleibt offen.

Und heute?

Das Ende der Scheune
Das Ende der Scheune

Im Mai 2022 ist die Scheune nur noch ein Trümmerhaufen. Die letzten Überreste vom Gut Nr. 2 werden bald verschwunden sein.

Das Uhliggut

Das heutige Uhliggut wurde ebenfalls erstmals 1501 erwähnt und sein Besitzer war Hans Cuntze, 1529 folgte zunächst Caspar Cuntze, später dann Michael Uhlich, der berühmte Kemtauer Fuhrmann. 

Nach der damaligen Hausnummerierung war es das Haus Nr. 3. Im Nachbargut Nr. 2 wohnte bekanntlich seit 1655 Maria Uhlich mit ihrem Ehemann Georg aus Altenhein. Und, wie auch schon erwähnt, hatte sie einen jüngeren Bruder Michael, der wie sie aus Weißbach stammte. 

Die 3 Michael's auf dem Uhliggut

Dieser Michael Uhlich (*1638-†1713), ist verheiratet mit Justina Meiner. Im Jahre 1668 zieht Michael mit seiner Frau auch nach Kemtau. Er kauft das Bauerngut Nr. 3, später „Uhliggut“ genannt. Ob der Nachnahme Uhlich oder Uhlig geschrieben wird, hängt vom Jahr der Nennung ab. Seit 1815 wird Uhlig mit "g" verwendet. Lt. Kirchenbuch war Michael Bauer und Gerichtsschöppe. Die Geschwister Michael und Maria sind nun wieder Nachbarn. Michael und seine Frau Justina hatten insgesamt neun Kinder, wobei nur drei das Erwachsenenalter erreichten und selbst eine Familie gründeten. Einer davon hieß natürlich wieder Michael, obwohl er der Jüngste der drei Kinder war. Sein Vater wurde fortan Michael Uhlich Senior genannt um ihn zu unterscheiden. Sein Sohn Michael Uhlich Junior (*1683-†1749) kommt später als Bauer in Kemtau vor, er hat also das väterliche Gut erhalten. Später wurde er als Salzfuhrman oder Landfuhrmann bezeichnet und in Kemtau so berühmt, dass ihm ein Denkmal auf dem Burkhardtsdorfer Friedhof gesetzt wurde (1).

Zufahrt von den Feldern zum Uhliggut 2017
Zufahrt von den Feldern zum Uhliggut 2017

Aber was bewegte eigentlich einen Bauerngutsbesitzer in der damaligen Zeit nebenbei ein Fuhrgeschäft zu betreiben, bei dem er auf Fernhandelsrouten Tage oder Wochen unterwegs war? Wahrscheinlich war es seine Frau Sophia geb. Schubert, selbst Tochter eines Bauers und Fuhrmannes aus Burkhardtsdorf, die ihn darauf brachte. Es scheint damals nichts Ungewöhnliches gewesen zu sein, denn auch einige seiner Nachkommen wurden Fuhrmänner obwohl sie Besitzer des Uhliggutes waren. Entbehrlich war Michael Uhlich offenbar, hatte er doch zahlreiche Kinder, die zusammen mit Knechten und Mägden den Hof bewirtschafteten konnten. Von seinen 17 Kindern, starben jedoch 13  nach der Geburt oder im Kindesalter. 3 Töchter und einen Sohn erreichten das Erwachsenenalter. Als es um die Weitergabe des Bauerngutes ging, stand nur ein Erbanwärter bereit. Das Gut erbte Michael, der einzige Sohn.

- Michael Uhlich (*1723,†1793) erbte den Hof 1751 und auch er wurde Landfuhrmann. Seine erste Frau Christina Martin aus Dorfchemnitz starb schon mit 39 Jahren. Michael heiratete 1772 zum zweiten Mal die 28 Jahre jüngere Johanne Christiane Uhlig aus Altchemnitz. Mit beiden Frauen hatte er Söhne, aus 1. Ehe stammte auch ein Michael. Er erbte jedoch nicht den Hof und zog später nach Gelenau.

Stammtafel des letzten Michael Uhlich mit seinen 18 Kinder von 2 Frauen
Stammtafel des letzten Michael Uhlich mit seinen 18 Kinder von 2 Frauen

Die Ära der Carl Friedrich's

Sein Sohn aus 2. Ehe Carl Friedrich wurde der Erbe des Uhliggutes. Er war gerade 17 Jahre alt und brauchte den gerichtlich bestätigten Vormund Vormund Gottfried Kuntzen, Bauer zu Kemtau, um am  19. Dezember 1792 den Kaufcontrakt über das Gut und das Beigut, sowie auch die Schmiede des Michael Uhlich zu unterzeichnen. Der Kaufpreis lag bei 1.500 Gulden meißnischer Währung.

Der Grund für die Eile war wohl der Gesundheitszustand seines Vaters, der gerade noch 5 Monate zu leben hatte. Am 23. Mai 1793 Nachmittag 4 Uhr ist Michael Uhlich, Bauer und Landfuhrmann in Kemtau, "ein dienstfertiger und wohltätiger Mann" wie dabei im Kirchenbuch steht, in einem Alter von 70 Jahren 5 Tagen zu Kemtau verstorben und am 26. Mai 1793 mit Leichenpredigt und Abdankung auf dem Friedhof zu Burkhardtsdorf beerdigt worden.(11) Seine Ehefrau Johanna Christiana überlebte ihn noch knapp 21 Jahre und starb in Kemtau an Nervenfieber. Michael hatte jedoch für sich und seine Frau im Kaufvertrag vorgesorgt: "der Käufer musste ihnen zeitlebenslang Raum und Herberge im verkauften Guthe gestatten, und denen selben die große Kammer über der Stube zu ihrem Gebrauche einzuräumen, des gleichen auch

eine Kuh und Ziege in einen Sommer und Winter Fütterung zuhalten und zur noch besseren Fütterung derselben einen Garten unter Christoph Kreißigs Seite einzuräumen". (12)

- Carl Friedrich Uhlich (*1775,†1849) Bauer und Landfuhrmann führte die Geschäfte also ab 1793 und fortan hießen die Söhne erst einmal alle Carl Friedrich. Zur Unterscheidung wurden sie mit römischen Ziffern nummeriert.

- Carl Friedrich Uhlich I (*1799,†1871) Bauer und Landfuhrmann erbte 1828 den Hof. Ab 1839 wurde er Mitglied des 1. Kemtauer Gemeinderats. 

- Carl Friedrich Uhlig II (*1818,†1889) er war Erbbegüterter, Hoferbe des Uhliggutes, Landfuhrmann. Verheiratet war er mit Emilie Ernestine Wieland, diese ist verstorben am 12.7.1879. Anlässlich ihres Todes stiftete dieser Carl Friedrich Uhlich seinem berühmten Ururenkel Michael Uhlich, dem Salzfuhrmann, einen Grabstein auf dem Burkhardtsdorfer Friedhof. 

Das Uhliggut Winter 2018
Das Uhliggut Winter 2018

Die Bauerngutsbesitzer kauften und bewirtschafteten üblicherweise auch noch weitere Grundstücke im Ort. So gehörte Carl Friedrich II auch ein Grundstück in der Burkhardtsdorfer Straße. Als die Gemeinde ein Grundstück für den Neubau einer Schule brauchte, erklärte er sich bereit, einen Teil seines Grundes an der heutige Burkhardtsdorfer Straße 5 zu verkaufen. Darauf wurde im Jahre 1885 das neue Schulgebäude durch die Gebrüder Uhlig, Baumeister aus Burkhardtsdorf, errichtet. Bei diesen weiteren Uhlig's stellt sich die Frage, gab es Verwandtschaftliche Beziehungen zu den Kemtauer Uhligs? Ja, aber das ist eine andere Geschichte, die es noch zu erzählen gilt.

Es folgte noch ein weiterer Carl Friedrich Uhlig III (*1862,†1928) auf dem Hof. Der nächste Besitzer war der 1895 geborene Friedrich Paul Uhlig. Sein Sohn Siegfried Uhlig (*1935,†2008) übernahm danach das Gut. Somit sind wir in der Gegenwart angekommen. Der heutige Besitzer des Uhlighofes ist Ralf Uhlig, Siegfrieds Sohn. Der Gutshof ist also seit 350 Jahren ununterbrochen im Besitz der Familie Uhlig.

Das Felsengut

Das ehemalige Felsengut im Herbst 2017
Das ehemalige Felsengut im Herbst 2017

Das Felsengut gehörte mit 3/4 Lehn zu den größten und wichtigsten Bauerngütern von Kemtau. Es war über 300 Jahre im Besitz der Grundbesitzerfamilie Kreyßig. Das Gut gehörte 1501 einem Bartel Kreußingk und wurde dann von Jorgk Kreußingk übernommen, wobei man heute Jorgk mit Georg übersetzen würde. Es folgten 1546 Broßius Kreusing, 1571 Blasius Kreußing, 1603 Jacob Kreußig.

Von 1610 - 1632 war Johannes Kreissig (*1583,†1632) Besitzer des Felsengutes. Er wurde im August 1632 im 30-jährigen Krieg erschossen. Nach seinem Tode mit 49 Jahren muss das Gut bei seiner Witwe verblieben sein, denn sein Sohn Johannes (*1614,†1684) übernahm es erst 1661. Ein Verzeichnis der besitzenden Bevölkerung von 1688 nennt "Wolff Creußig" als Besitzer des Felsengutes. Er übernahm 1684 das Gut. Offenbar hatte Wolfgang Kreissig (*1659,†1726) aber keine Kinder, die das Gut hätten übernehmen können, so dass es 1689, warum auch immer nach nur 5 Jahren, auf seinen älteren Bruder Johannes (Hannß) Kreißig (*1657,†1700) überging.

Dessen Sohn Christoph Kreißig (*1685,†1760) besaß das Felsengut ab 1725. Seine Ehefrau war Rosina Uhlich (*1692,†1753) vom Gut Nr. 2, eine Tochter von Georg Uhlich (*1662,†1720). Ihr Großvater war somit der erste Uhlich der im Kemtauer Oberdorf über Jahrhunderte Gutsbesitzer waren. Aber nicht nur das, Rosina war auch eine Urenkelin von Christoph Wieland (*1606, †1673), dem ersten Lehnrichter und Besitzer des Gutes Nr. 1 in Kemtau. Rosina und Christoph vererbten das Felsengut 1742 an ihren erstgeborenen Sohn Johann Christoph Kreißig (*1722,†1798).

Zum Felsengut gehörten von Anfang an auch die fruchtbaren Ländereien rechts der Zwönitz unten im Tal. Im heutigen Ortsteil Kamerun, baute Hans Christoph, wie er damals genannt wurde, zusammen mit dem damaligen Lehnrichter Johann Christoph Wieland ein wasserbetriebenes Sägewerk, eine sogenannte Schneidmühle. 1788 erhielt sein Sohn Johann Samuel Kreißig (*1762,†1827) das Felsengut. 1800 erbte er auch den Anteil seines Vaters an der Schneidmühle in Kamerun. 1801 kaufte er dann vom Lehnrichter die andere Hälfte der Schneidmühle für 116 Thaler. 1823 verkaufte Kreyssig die Schneidmühle für 300 Thaler (9) an den Spinnereibesitzer Karl Friedrich Schaarschmidt, der das Gebäude zu einer Spinnerei ausbaute.

Das Ende der Ära Kreyssig auf dem Felsengut

Als am 16. Mai 1827 Johann Samuel Kreyssig im Alter von 64 Jahren starb, endete nach mehr als 300 Jahren die Geschichte der Kreyssig's auf dem Felsengut im Kemtauer Oberdorf. Es gab offenbar keinen geeigneten Sohn als Nachfolger. Wie damals üblich, wurden Bauerngüter nach dem Tod des Besitzers verkauft, egal ob an einen Erben oder an einen Außenstehenden. Im Kaufvertrag (10) wurden als Verkäufer die Erbengemeinschaft der Kreißigs aufgeführt. Da gab es an erster Stelle seine Witwe, Hanni Christiane eine geb. Johanna Christiana Puschmann, die 44 Jahre alt war. Es folgte ihre gemeinsame Tochter, Hanne Christiane verehelichte Lohsin, die den Kemtauer Karl Gottlieb Lohs geheiratet hatte und somit Erbin war, aber eben eine Tochter. Sie hatte zwar einen Bruder, Karl Gottob Kreyssig, der aber erst 17 Jahre war und eine Schwester, Karoline Rosine Kreyssigin, im Alter von 15 Jahren. Zur Erbengemeinschaft gehörte noch Friedrich Samuel Kreyssig (13 Jahre) und Christiane Eleonore Kreyssigin (11 Jahre). 

Laut Kaufvertrag blieb das Felsengut in Familienbesitz und ging für 4025 Thaler an den Schwiegersohn Karl Gottlieb Lohs, womit der Name Kreyssig als Gutsbesitzer verschwand.

Eine merkwürdige Parallele

Der Eibenberger Erblehnrichter Johann Traugott Lohse musste 1828 sein Lehngut zur Zwangsverteigerung anmelden. Im Oktober wurde es an Johann Samuel Arnold verkauft. Lohse hatte das Lehngut im Dezember 1807 gekauft. Er wurde auch Lehnrichter und später Wirt vom Gasthaus Eibenberg. Im Kaufvertrag von 1828 (11) wurden auch seine Schulden aufgeführt. Er musste unter anderem auch die Schulden seines Schwiegervaters Karl Friedrich Kreissig übernehmen. Dieser Kreissig war also Lehnrichter von Eibenberg bis zu seinem Tode 1807. Seine Tochter Johanna Christiana heiratete Johann Traugott Lohse. Ob es ein verwandtschaftliches Verhältnis zu den Kreissig's auf dem Felsengut gab, ist nicht bekannt.

Es gab also zwei Kreissig's. Beide hatten keinen männlichen Erben, beide haben eine Tochter Johanna Christiana die beide einen Lohse heirateten. Und beide vererben ihren Besitz an den Schwiegersohn. Das Ganze innerhalb von 21 Jahren in zwei benachbarten Orten, die in Luftlinie gerade einmal 2,1 km entfernt sind - kaum zu glauben.

Wie es weiter ging

Karl Gottlieb Lohses Sohn Carl Friedrich folgte als Eigentümer. 1896 endete dann der Familienbesitz durch den Verkauf an Hermann Bach. Er kaufte das Felsengut für 24.000 Taler. Ernst Arthur Bach wird 1913 in einem Adressbuch als Eigentümer genannt. Er war Eigentümer bis zu seinem Tod 1928, ob seine Witwe das Gut weiter betrieb oder verkaufte entzieht sich meiner Kenntnis. 

In den 1920er Jahren wurde in Kemtau der Ski-Klub gegründet. Der Vorsitzende war Ernst Schlegel. Der Stammsitz des Klubs war das Felsengut. Auch der Gesangsverein "Morgenroth" traf sich ab 1929 im Felsengut, wobei Ernst Schlegel auch hier den Ton an gab. Der Gesangsverein wurde 1933 zwangsweise aufgelöst und sein Vermögen beschlagnahmt.

Ein Jahr vor Kriegsende traf das Felsengut ein Unglück. Am 11. März 1944 gegen 22.20 Uhr brach ein Brand in der Scheune aus. 41 Kameraden der Feuerwehr waren 16 Stunden lang im Einsatz.

DDR-Zeit

Das Felsengut 1950 Quelle: Bildarchiv der Gemeinde Burkhardtsdorf
Das Felsengut 1950 Quelle: Bildarchiv der Gemeinde Burkhardtsdorf

Zur DDR-Zeit entstanden die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Bis zum Jahr 1952 gab es in Kemtau ausschließlich privatwirtschaftende Bauern. Eine Ausnahme war das Felsengut. Nachdem die Eigentümer im November 1952 die DDR verlassen hatten, wurde ihr Vermögen beschlagnahmt und in Volkseigentum überführt. In den nächsten zwei Jahren wurden weitere Bauerngüter verstaatlicht und zusammengelegt. 

Das Felsengut nach 1954
Das Felsengut nach 1954

Am 8. Mai 1954 wurde dann in Kemtau die LPG Typ III gegründet. Typ III hieß, dass Vieh- und Feldwirtschaft zusammen betrieben wurde. Die LPG erhielt den Namen "8. Mai". Die Verwaltung befand sich im zentral gelegenem "Felsengut". Die Leitung wurde Herrn Peschel aus Eibenberg übertragen. Gründungsmitglieder der LPG waren Hermann Kunze sowie Paul und Martha Roscher.

Nach der Wende

Foto: M. Hünlein
Foto: M. Hünlein

Nach dem Zusammenbruch der DDR verfiel das ungenutzte Felsengut immer mehr.

Die Scheune des Felsengutes 2014
Die Scheune des Felsengutes 2014

In den letzten Jahren, übernahm die Wildnis das Gut.

Januar 2018
Januar 2018

Am ehemaligen Felsengut wird heute gebaut. Es ensteht ein Mehrfamilienhaus mit Mietwohnungen. Bauherr ist die Familie Nagy, wie auf der Bautafel zu lesen ist.

Das ehemalige Felsengut erstrahlt im neuen Glanz
Das ehemalige Felsengut erstrahlt im neuen Glanz

Oktober 2018 das Wohnhaus ist fast fertig.

Das Röslergut/Gemeindegut

Die Ruine des ehemaligen Gemeindegutes Frühjahr 2018
Die Ruine des ehemaligen Gemeindegutes Frühjahr 2018

Das Bauerngut Nr. 5 wurde vor 1529 von einem Stephan Grebner bewirtschaftet. Ab ca. 1688 bis ins 18. Jahrhundert gehörte das Gut Paul Röder. Anfang des 19. Jahrhunderts war es das Röslergut. 1817 wurde es von Karl Gottlob Rösler an Karl Christoph Rösler vererbt. Er gehörte ab 1839 dem Kemtauer Gemeinderat an, der nach Inkrafttreten der sächsischen Landgemeindeordnung auch in Kemtau gegründet wurde. Das Gut wurde 1912 vom Kemtauer Gemeinderat erworben und seit dem Gemeindegut genannt. Bis 1935 waren in diesem Gebäude das Gemeindeamt, die Spar-und Girokasse und das Standesamt untergebracht. Außerdem hatte der Konsumverein Zwönitztal eine Verkaufsstelle im Haus. Auch eine Samariterstation gab es im Gemeindegut. Heute steht nur noch ein Rest vom Hauptgebäude. Die anderen dazugehörigen Häuser sind abgerissen.

Die Bauerngüter Nr. 6 bis 9

Vom Roschergut Nr. 6 (Altbesitzer Hans Cuntze), Listnergut Nr. 7 (Altbesitzer Michael Seyffarth) und den Lohsegut Nr. 8 (Altbesitzer Kilian Kreusingk) habe ich momentan keine weiteren Informationen. Die Nr. 9, das Kunzgut hat nun einen eigenen Beitrag. Die Angaben zu den Altbesitzern stammen aus einer Steuerliste von 1529 (7), die mir von Herrn Marc Zschäckel zur Verfügung gestellt wurden - vielen Dank.


Quellen

(1) Aus der Geschichte unserer Heimat / Die Erstbesiedelung Kemtaus, Zwönitztalkurier 09.2014, S. 6

(2) Damals in Kemptau / Kemtau, Zwönitztalkurier 03+04.2012

(3) Zeitschrift für Mitteldeutsche Familiengeschichte / Die Lehnrichterfamilie Wieland in Kemtau (Erzgebirge), Roland Kunick, 2/2012 

(4) 550 Jahre dörfliches Leben Kemtau / Eibenberg

(5) Adreßbuch der Handelsfirmen und Gewerbetreibenden sowie der Gutsbesitzer der Umgebung von Chemnitz, 1913

(6) Adreßbuch der Stadt Chemnitz, 1929

(7) HStA Dresden Landsteuer Nr.298 S.128

(8) Gerichtshandelsbuch von Kemtau, Sächsisches Staatsarchiv, Nr. GB AG Chemnitz Nr. 187

(9) Gerichtshandelsbuch von Kemtau, Sächsisches Staatsarchiv, Nr. GB AG Chemnitz Nr. 185

(10) Gerichtshandelsbuch von Kemtau, Sächsisches Staatsarchiv, Nr. GB AG Chemnitz Nr. 186

(11) Geschlechtsregister, der seit dem Jahre 1669 erbangesessenen Familie Uhlig in Kemtau, Pfarrer Friedrich Otto Ende, Burkhardtsdorf 1882

(12) Gerichtshandelsbuch Weißbach bei Zschopau, Sächsisches Staatsarchiv, Nr. GB AG Chemnitz Nr. 369