Geschichte der Bahnlinie durch Kemtau

Die Idee einer Bahnlinie durch das Zwönitztal entstand im Jahre 1865, also 30 Jahre nach der ersten Bahnstrecke in Deutschland und 40 Jahre nach der ersten Strecke der Welt in England. Der Grund für diesen späten Einstieg war nicht der fehlende Bedarf, sondern die besonderen Anforderungen und Kosten eine Eisenbahn durch enge Täler und über steile Anstiege zu führen. Federführend bei der Diskussion waren die Fabrikbesitzer, die mit dampfbetriebenen Zügen ihre Waren schneller und billiger transportieren wollten. Bisher geschah das mit Pferden, Wagen und Kutschen, die auch die Rohstoffe, wie Kohlen, Holz über weite Strecken heranschaffen mussten. Der Wunsch nach einer Bahnverbindung von Chemnitz über Aue nach Adorf im Vogtland. 

So berief 1865 der Fabrikbesitzer Böttcher aus Thalheim zu einer Zusammenkunft von Vertretern aus allen Orten, die an der Strecke Chemnitz-Aue-Adorf interessiert waren. Es wurde ein Ausschuss gebildet, dem aus jeder Gemeinde 2 Mitglieder angehörten. 1866 erwähnte dann die sächsische Regierung im Landtag neben anderen Staatsbahnen auch die Linie Chemnitz-Aue-Adorf. Entschieden wurde, dass derjenigen Gesellschaft, die die finanziellen Mittel aufbringt, die Konzession zum Bau erteilt wird. 

Die Projektierung der Strecke

1868 projektierte dann der Ingenieur Oskar Heßler die Eisenbahnlinie des Zwönitztals Chemnitz-Aue-Adorf. Es waren zahlreiche Vorarbeiten notwendig. Das Flussbett musste an vielen Stellen dem Streckenbau angepasst werden. So auch um Kemtau bei der „Alten Zwönitz“ und am „Wehrlich". Es waren auf der gesamten Strecke 22 Zwönitzbrücken zu errichten. Bei allen Vorarbeiten musste auch bedacht werden, dass im Abstand von 40m an der Strecke keine Häuser mit Stroh gedeckten Dächern und hölzernen Giebeln standen. Diese Gebäude mussten umgehend wegen der Brandgefahr verändert werden. Bei den Berechnungen der Kosten für den Bahnbau erfolgte auch eine Gegenrechnung der Einnahmen. So war jede Gemeinde aufgefordert, Angaben über den Bedarf der Güter zu erstellen, die mit der Bahn befördert werden sollen.

So heißt es von Kemtau:

692 Einwohner

C. A. Bayer Baumwollspinnerei, 2000 Spindeln mit 25 Pferde-, Dampf- und Wasserkraft. Bezug von Chemnitz 1200 Ctr. (Zentner) Güter, Lieferung nach Chemnitz 1000 Ctr., Verbrauch an Kohlen 500 Ctr.

Im Orte selbst wird viel Oeconomie betrieben.

 

Im Vergleich dazu Burkhardtsdorf:

2701 Einwohner

Baumwollspinnerei von Ernst Schindler, Baumwollspinnerei und Müllerei von E. Ahner, desgl. von Pöschmann, zusammen 10000 Spindeln mit 50 Pferde-Dampf und 70 Pferde-Wasserkraft.

Bezug von Chemnitz 26000 Ctr. Güter, Lieferung nach Chemnitz 13100 Ctr.; Verbrauch an Kohlen 15000 Ctr. In diesem Orte gibt es noch Müllerei und Bäckerei von Siegert & Sohn, große Bäckerei von Rudolph, Colonialwarenhandlung von Schüppel, Lohgerberei von Arnold, Fleischerei von Gerber; Letzterer bezieht jährlich circa 250 Stück Vieh aus Hof und von den vogtländischen Märkten, Klempnerei von Ficker, Ziegelei von Köller, Holzhandel von Forstmann; Bezug von Hölzern aus dem Vogtlande.

 

Damit stand fest: Kemtau erhält keine Haltestelle. Überall gab es deutlich mehr Betriebe. 1870 ersuchten die Gemeinderäte von Eibenberg und Kemtau nochmals gemeinschaftlich die „Erlangung eines Anhaltepunkts". Doch im Mai zerschlug sich dieses Vorhaben. Auch ein weiterer Versuch 1872 scheiterte.


Schließlich genehmigte am 21.4.1868 die Zweite Kammer des Sächsischen Landtages die Chemnitz-Aue-Adorf Linie. Aber es fehlten die Finanzen. Die Banken nahmen Abstand, weil dieses Projekt zu aufwendig und kostspielig sei. Der Kostenvoranschlag belief sich auf 8.180.480.- M. 

1869 trat ein Komitee mit dem „Eisenbahnkönig und Unternehmer“ Dr. Bethel Henry Strousberg an die sächsische Regierung heran. Sie erhielten die Konzession zur Ausführung des Bahnbaues. Da die Banken dieses Projekt wiederum nicht finanzierten, traten der Staat und Strousberg von diesem Projekt zurück.

Erst 1872 übernahm die Chemnitz-Aue-Adorf Eisenbahngesellschaft, die im gleichen Jahr gegründet worden war, die Finanzierung. Aktien waren das Anlagekapital, Stückwert 100 M.

Der Eisenbahnkönig und sein "Hofstaat" 1870 Quelle: Wikipedia
Der Eisenbahnkönig und sein "Hofstaat" 1870 Quelle: Wikipedia

Der Bau der Eisenbahnline

Der Zug fuhr um 1900 noch unter der Straße entlang?
Der Zug fuhr um 1900 noch unter der Straße entlang?

Im Sommer 1873 begann nach einem halben Jahr Vorbereitungsarbeiten dann endlich der eigentliche Baubetrieb. Es wurden viele Arbeiter aus den Nachbarländern, wie Polen, Böhmen, Bayern und Kroatien eingestellt. Der milde Winter 1873/74 begünstigte den Fortgang der Arbeiten. Nach der Prüfung der Gesamtstrecke durch das Königliche Finanzministerium wurde nach nur 28 Monaten die Fertigstellung gefeiert. Das war eine bewundernswerte Leistung. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 32.073.877.- M, das Vierfache des Kostenvoranschlages. Am 15.11.1875 erfolgte dann die Bahneröffnung für Personen-, Gepäck- und Güterverkehr. So fuhren auch die ersten Züge durch Kemtau, hielten aber nicht an. Ein knappes Jahr später bot die Chemnitz-Aue-Adorf Eisenbahngesellschaft aus finanziellen Gründen die Bahn dem sächsischen Staat zum Kauf an, und so gelangte sie am 15.7.1876 in die Hände der Königlich Sächsischen Staatseisenbahn.

Der Bahnhof Burkhardtsdorf 1916
Der Bahnhof Burkhardtsdorf 1916

Nach der Anbindung des Chemnitzer HBF am 15. Oktober 1876 gab es Stationen in Altchemnitz, Einsiedel, Dittersdorf, Burkhardtsdorf, Thalheim, Dorfchemnitz, Zwönitz, Lößnitz,  Aue, Bockau, Blauenthal, Wolfsgrün, Eibenstock,  Schönheide, Wilzschkau,  Jägersgrün, Hammerbrücke, Schöneck, Zwota, Markneukirchen und die Endstelle Adorf. Im Volksmund nannte man sie „Preiselbeerbahn", wahrscheinlich deshalb, weil man während der Fahrt nebenher Beeren pflücken konnte.

Die ersten Lokomotiven

Lok Nr. 5 Sächsische IIIb T Tenderlokomotive Quelle: Wikipedia
Lok Nr. 5 Sächsische IIIb T Tenderlokomotive Quelle: Wikipedia

Der Chemnitz-Aue-Adorf Eisenbahngesellschaft (CAAE) standen 1875 zur Verfügung:

16 Personenzugtenderloks (H IIIb T)

8 Loks für gemischte Züge (H VII)

Das H in der Gattunsbezeichnung bedeutet Hartmann, denn die Lokomotiven gleicher Bauert gab es auch von anderen Fabriken. Die Loks „Siegfried“ wurden von der Fa. Hartmann speziell  für diese Strecke entwickelt. 

Sächsische VII (Bauart Hartmann) Nr. 735 Siegfried Quelle: Wikipedia
Sächsische VII (Bauart Hartmann) Nr. 735 Siegfried Quelle: Wikipedia

Die Lokomotiven wurden zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Strecke von der "Sächsischen Maschinenfabrik AG" gebaut. Diese Fabrik baute seit 1848 Lokomotiven und exportierte in die ganze Welt. Richard Hartmann war bis zu seinem Tod 1878 der führende Kopf des Unternehmens. Im gleiche Jahr verließ die 1000. Lokomitive das Werk. Im Jahr 1898 erfolgte dann die Umbenennung des Unternehmens in „Sächsische Maschinenfabrik vormals Richard Hartmann Aktiengesellschaft“.

In den 1920er Jahren ging es dann bergab mit der Fabrik, die 1930 in die Liquidation ging.

Das Werk befand sich im Dreieck zwischen den Stadtteilen Kaßberg, Schloßchemnitz und dem Zentrum von Chemnitz. Auf der Abbildung von 1910 teilt die Hartmannstraße das Fabrikgelände von rechts unten nach links oben in zwei Teile. Die Straße nach rechts ist die Promenadenstraße. An  der Bergstraße/Kaßbergstraße endete das Hauptwerk. Oben rechts im Bild ist der Schlossteich zu sehen, an dessen Ufer standen die Montagehallen für die Lokomotiven. Auf der linken Seite ist hinter den Werkhallen die Villa von Richard Hartmann zu erkennen.

Die ersten Wagen

Auf der Strecke Chemnitz-Aue-Adorf standen als Erstausstattung im Jahre 1875 folgende Waggons zur Verfügung:

13 Personenwagen 1./2. Klasse mit einem Abteil 1. und 2 Abteilen 2. Klasse

4 Personenzugwagen 2. Klasse mit 3 Abteilen 

33 Personenzugwagen 3. Klasse mit 4 Abteilen 

40 Personenzugwagen 4. Klasse mit einem Abteil

11 Packwagen

Nachzulesen in Quelle (1) 

Personenwagen 3. Klasse Bildquelle: (2)
Personenwagen 3. Klasse Bildquelle: (2)

Woher die ersten Wagen stammten und wie sie aussahen war zunächst unklar. Erst durch den zufälligen Fund eines alten Eisenbahnwagens der Klasse III am Haltepunkt Seiffen im Jahre 1992 kam Licht ins Dunkel (3). Dieser Wagen wurde 1874 in der Lauenstein'schen Wagenfabrik in Hamburg-Rothenburgsort gebaut und erhielt nach der Verstaatlichung die Bezeichnung Sachsen 2131. Die Wagen hatten 4 Abteile mit 35 Sitzplätzen und eine Heizung sowie Öl-Beleuchtung. Wie alle sächsischen Eisenbahnwaggons war er braun lackiert.

Der abgebildete Wagen entspricht exakt der Beschreibung des 3. Klasse-Waggons der CAAE von 1875. Er ist im Schwedischen Eisenbahnmuseum zu besichtigen, ist als eine schwedische Variante des sächsischen Personenwagens der Lauenstein'schen Wagenfabrik. Damals gab es viele private und staatliche Wagenbauanstalten. Der Hamburger Wagenbauer war kein kleiner Nischenbetrieb. An mehreren Standorten mit  1.400 Mitarbeitern wurden jährlich 200-300 Personen- sowie 1.000-1.200 Güterwagen gebaut. Damit war Lauenstein damals einer der größten Waggonbauer Deutschlands (4). Exportiert wurde nach Dänemark, Russland und eben auch Schweden. 

Ob die Wagen der 4. Klasse von der gleichen Firma gebaut wurden, kann man nicht mit Sicherheit sagen, ist aber wahrscheinlich. Von außen dürften sie dem Wagen der 3. Klasse entsprochen haben, aber innen gab es keine Abteile, sondern einen Raum für Stehplätze. In der 4. Klasse fuhren die Arbeiter in die neu entstandenen Fabriken nach Chemnitz.

Personenwagen 2. Klasse mit 3 Abteilen Bildquelle: (3)
Personenwagen 2. Klasse mit 3 Abteilen Bildquelle: (3)

Auch ein Personenwagen der 2. Klasse wurde von dem Lauensteiner Unternehmen in der typischen leichten und kurzen Bauweise für Nebenstrecken um das Jahr 1875 angeboten. Wie im Zwönitztalkurier beschrieben, hatte der Wagen 3 Abteile der zweiten Klasse. Die Anordnung der drei Fenster pro Abteil mit den abgerundeten Seitenscheiben erinnert an Personenwagen der Vorgängermodelle. Zu Beginn des Eisenbahnbaues wurden die Abteile wie die Aufbauten von Postkutschen, die ähnliche Fenster hatten, aneinandergefügt und auf das Fahrgestell montiert. Die Innenausstattung war durch die gepolsterten Sitzbänke viel bequemer als die "Holzklasse".

Der gemischte Wagen 1. und 2. Klasse Bildquelle (3)
Der gemischte Wagen 1. und 2. Klasse Bildquelle (3)

Das Spitzenmodel der Wagen auf der Strecke Chemnitz-Aue-Adorf waren die 13 gemischten Waggons mit 1. und 2. Klasse Abteilen. Die Abbildung zeigt wieder das schwedische Exemplar in grün, welches zwischen 1869 und 1876 gebaut wurde. Die sächsische Variante war natürlich in braun lackiert. Die zwei Abteile der 2. Klasse waren mit jeweils einem Fenster an den Stirnseiten angeordnet. In der Mitte scheinen zwei Abteile der 1. Klasse zu liegen, aber es handelte sich um einen zusammenhängenden Salon. Somit stimmt auch dieser Wagen mit der Beschreibung der CAAE-Personenwagen überein. Die Innenausstattung war beeindruckend. Wer es sich leisten konnte, saß wie in seinem Wohnzimmer. Die folgende Galerie zeigt die Wagen von innen Quelle (3). 

Das Interieur der ersten Personenwagen

Quellen

(1) Zwönitztalkurier August 2012, So kam die Eisenbahn nach Kemtau

(2) VVM - Verein Verkehrsamateure und Museumsbahn e. V.  Link: https://www.vvm-museumsbahn.de/?id=vv-C201 

(3) Schwedische Eisenbahnmuseum © Sveriges Järnvägsmuseum (CC BY-SA 4.0) 

(4) Handbuch für spezielle Eisenbahntechnik Bd.6, 1870

(5) 550 Jahre dörfliches Leben Kemtau / Eibenberg


Nach 1900

Sächsische IV T Quelle: Wikipedia
Sächsische IV T Quelle: Wikipedia

Ab dem Jahre 1900 wurden neue Lokomotiven der Gattung IV T der Sächsischen Maschinenfabrik auf den Bergstrecken eingesetzt. Die Lokomotive neigte bei hohen Geschwindigkeiten zu Entgleisungen, was auf der Strecke Chemnitz-Aue-Adorf mit seinen vielen Stationen und Kurven keine Rolle spielte. Hier war eher ein gutes Beschleunigungsvermögen gefragt.

Zug von Dittersdorf nach Kemtau 1965 © FHWE
Zug von Dittersdorf nach Kemtau 1965 © FHWE

Auch bei den Personenwagen ging die Entwicklung weiter und bald kam eine neue Generation zum Einsatz.

Zum Foto: So sah es früher einmal aus, als die Wagengattung Di Sa 13 noch alltäglich auf den Gleisen sächsischer Eisenbahnstrecken anzutreffen war: Am 23. Juni 1965 verlässt ein Personenzug auf der CA-Linie Chemnitz - Aue - Adorf den Bahnhof Dittersdorf in Richtung Aue. Am Zugschluss hängen zwei Di Sa 13. Dieser Wagentyp war ein 4. Klasse Personenwagen für den Arbeiter- und Berufsverkehr, der ab 1913 in Sachsen gebaut und bis in die 1960er Jahre eingesetzt wurde. Die Wagentyp setzt sich zusammen aus "D" für 4. Klasse, das "i" für das Vorhandensein von Übergängen von einem Wagen zum anderen, das "Sa" bedeutete "Sachsen" und die Zahl 13 stand für "erstes Baujahr 1913". Das Foto und die Info stammt vom Fördervereins Historische Westsächsische Eisenbahnen e.V.

 Die Fahrgeschwindigkeit war zwischen den Streckenabschnitten unterschiedlich. Sie betrug, abhängig vom Gelände,  zwischen 50 - 60 km/h. Es verkehrten täglich 2 Personenzüge mit Wagen der I., II., III. Klasse und 4 gemischte Züge. Sie hatten 1890 schon Gasbeleuchtung und Dampfheizung. Die Fahrzeit von Burkhardtsdorf betrug nach Chemnitz 45 min, nach Zwönitz 30 min, nach Aue ca. 1 Stunde und nach Adorf ca. 4 1/2 Stunden.

Im Jahr 1900 kostete eine Rückfahrkarte 3. Klasse von Burkhardtsdorf nach Chemnitz 1 Mark und 5 Pfennige. Das entsprach einem Abendessen in einer Gaststätte einschließlich 4 Glas Bier.


Der Haltepunkt Eibenberg-Kemtau geht in Betrieb

Frühes Foto vom Haltepunkt Eibenberg-Kemtau Quelle: Bildarchiv der Gemeinde Burkhardtsdorf
Frühes Foto vom Haltepunkt Eibenberg-Kemtau Quelle: Bildarchiv der Gemeinde Burkhardtsdorf

Am 1.5.1908 war es dann soweit:

Der Haltepunkt Eibenberg-Kemtau wurde eingerichtet und in Betrieb genommen.

Im Haltepunktgebäude befanden sich ein Dienst- und Warteraum und eine „Stellbude“ für Signale. Auf dem Bahnsteig folgten dann Freiabort und ein Wagenkasten.

Ob die Aufnahme vom Eröffnungstag des Haltepunktes im Jahre 1908 stammt, ist nicht belegt, aber nach der Kleidung der abgebildeten Personen zu urteilen, könnte es sein.

Am darauffolgenden Tag berichtete die "Burkhardtsdorfer Zeitung" vom Ereignis:

Zur Weihe des heute in Betrieb genommenen Haltepunktes Eibenberg-Kemtau hatte sich bereits zum ersten Zuge nach Chemnitz früh 4 Uhr 54 Min. ein sehr zahlreiches Publikum aus den beteiligten Gemeinden eingefunden. Der Gemeinderat von Eibenberg war dem ersten Zug bis Station Burkhardtsdorf entgegen gegangen, um nach der neuen Station mitzufahren. Die Haltestelle selbst war festlich geschmückt, ebenso wurde die Lokomotive des ersten Zuges bekränzt, sowie das Dienstpersonal bewirtet. Die Hauskapelle vom Lohseschen Gasthaus und der Männergesangsverein Kemtau verschönte die Feier durch entsprechende Gesänge und Musikstücke. Herr Lehrer Vogelgesang aus Kemtau gedachte in schwungvoller Rede der Bedeutung des heutigen Tages für die beteiligten Gemeinden. Die Orte zeigten durch reichen Flaggenschmuck, daß man die Eröffnung der Haltestelle freudig begrüßte.

Im Sommerfahrplan von 1908 erscheint die Station Eibenberg-Kemtau zum ersten Mal
Im Sommerfahrplan von 1908 erscheint die Station Eibenberg-Kemtau zum ersten Mal

Die einfache Fahrkarte für die 18 km von Chemnitz nach Kemtau kosten für die II. Klasse 95 Pf., für die III. Klasse 55 Pf. und für die IV. Klasse 40 Pf. Wer seinen Hund mitnehmen wollte, musste eine Hundekarte für 30 Pf. kaufen. Dafür waren Kinder bis 4 Jahre, auf dem Schosse gehalten, frei. Schon damals konnte man sein Fahrrad mitnehmen. Auf einer Strecke bis 100 km kostete das 20 Pf.

Aus: Kursbuch für Sachsen, das übrige Mitteldeutschland, Bömen und Schlesien, Sommer 1908

Personenzug mit einer Sächsischen IV T am Haltepunkt Eibenberg-Kemtau 1910 Quelle: Buchdruckerei-Museum Burkhardtsdorf
Personenzug mit einer Sächsischen IV T am Haltepunkt Eibenberg-Kemtau 1910 Quelle: Buchdruckerei-Museum Burkhardtsdorf
Güterzug vor Eibenberg 1914 Quelle: Deutsche Fotothek
Güterzug vor Eibenberg 1914 Quelle: Deutsche Fotothek

Dieser Haltepunkt brachte für den Ort einen wirtschaftlichen Aufschwung, weil damit viele Arbeitskräfte aus der Umgebung und auch aus Chemnitz kamen. Vom Erfolg der Bahnline zeugt auch der zweigleisige Ausbau der Strecke Chemnitz - Einsiedel, der 1907 begann und am 18. Oktober 1909 fertiggestellt wurde..

Die Abbildung zeigt einen Güterzug mit einer Schlepptenderlokomotive. Ein Tender enthält die zur Fahrt benötigten Kohlevorräte. Ist das ein eigener Wagen, den die Lok hinterherzieht, ist es eine Schlepptenderlok. Befindet sich die Kohle seitlich an der Lokomotive, ist es eine Tenderlokomotive. Die Lok auf dem Bild gehört höchstwahrscheinlich zur Gattung V V, die speziell für Güterzüge gebaut wurde.

Nach der Eingemeindung von Eibenberg-Kemtau am 1.10.1935 erhielt der Bahnhof die amtliche Bezeichnung Kemtau.


Neustart nach 1945

Der zweite Weltkrieg hinterließ auch an den Chemnitzer Bahnlinien und Anlagen schwere Schäden. Bei dem Bombenangriff am 5. März 1945 wurde auch der Bahnhof Einsiedel und das Stellwerk mit den Gleisanlagen völlig zerstört. Der Bahnhof konnte erst Jahre später wieder aufgebaut werden, die Gleise wurden jedoch zügig repariert, sodass der Verkehr von Chemnitz bis Kemtau schon im April wieder aufgenommen wurde. Nach Kriegsende am 8. Mai kamen die Reparationszahlungen an die damalige Sowjetunion hinzu. Die zweite Spur zwischen Chemnitz und Einsiedel wurde dafür geopfert.  Die schwierige Situation wurde durch die vorrangige Behandlung des Wismut-Verkehrs, der von 1946 bis 1955 über die gesamte Strecke verlief, zusätzlich erschwert. Aue wurde 1947 schließlich das Hauptquartier des sowjetischen Uranerzbergbaus in der sowjetischen Besatzungszone. Die Zahl der Arbeitskräfte stieg auf 43.590, wovon 3/4 aus Sachsen kamen. Es mussten die Bergarbeiter und das Uranerz unter strengster sowjetischer Bewachung mit der Bahn befördert werden. Um die Leute an ihren Arbeitsplatz zu bringen, wurde sogar eine direkte Schnellzugverbindung von Dresden über Chemnitz nach Aue etabliert. Im Sommerfahrplan von 1949 ist diese tägliche Verbindung aufgeführt.

Sommerfahrplan 1949
Sommerfahrplan 1949

Die DDR-Zeit

Lok der Baureihe 86 im Bahnhof Kemtau 1956
Lok der Baureihe 86 im Bahnhof Kemtau 1956

Bis Mitte der 1950er Jahre bestimmte die Wismut über das Geschehen auf der Bahnstrecke. Die Einreise in bestimmte Orte war nur mit Passierschein möglich. 1950 gab es auf dieser Strecke auch gesperrte Bahnhöfe.

Als Lokomotiven dienten die Dampfloks aus der Vorkriegszeit, wie zum Beispiel die Baureihe 86, die gern im Gebirge eingesetzt wurde. Auch auf der Strecke Karl-Marx-Stadt (wie Chemnitz ab 1953 hieß) nach Aue fuhr diese Lok. Die Ära der Dampflokomotiven endete endgültig im November 1976.

Güterzug mit Diesellok der Baureihe 110 vor Eibenberg © Archiv tzc
Güterzug mit Diesellok der Baureihe 110 vor Eibenberg © Archiv tzc

Ab 1967 tauchten die ersten Diesellokomotiven auf der Strecke auf. Sie gehörten unter Anderen zur Baureihe 110, wie auf dem Foto vom Verein Sächsischer Eisenbahnfreunde zu sehen ist. In den 1960er Jahren lief es zwar noch gut mit dem Personen- und Güterverkehr auf der Strecke, dennoch wurde am 1. März 1967 die Linie zur Nebenstrecke herabgestuft. Ursache war die Verlagerung des Durchgangsgüterverkehr auf die Linie Karl-Marx-Stadt - Zwickau, die elektrifiziert war. Damit begann der Niedergang der alten CA-Linie.

Lok der Baureihe 204 von Kemtau nach Burkhardtsdorf 1995 © tcz
Lok der Baureihe 204 von Kemtau nach Burkhardtsdorf 1995 © tcz

Am 21./22. September 1975 wurde ein großes Fest zum 100. Jahrestag der Streckeneröffnung der Linie zwischen Karl-Marx-Stadt und Aue gefeiert. Es fuhren zahlreiche dampfbetriebene Sonderzüge und auf dem Bahnhof Zwönitz gab es eine Fahrzeugausstellung. Was verschwiegen wurde war, dass der Abschnitt Aue – Adorf ebenfalls 100 Jahre alt wurde. Zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass dieser Abschnitt wegen dem Bau einer Trinkwassertalsperre nördlich von Eibenstock eingestellt wird. Schritt für Schritt wurden die Streckenabschnitte im zukünftigen Baubereich zurückgebaut. Am 27. September 1975 verkehrten letztmals durchgehende Reisezüge zwischen Karl-Marx-Stadt und Adorf auf dem heute gefluteten Streckenabschnitt. Im gleichen Jahr wurde auch die Thumer Schmalspurbahn eingestellt, auf die man in Meinersdorf umsteigen konnte.

Auch im Kemtau gab es Veränderungen. 1977 ging die handbediente Vollschrankenanlage in Kemtau außer Betrieb. Sie wurde durch eine zugbediente Halbschrankenanlage ersetzt. Der Haltepunkt war noch bis 1986 besetzt und man konnte noch Fahrkarten am Schalter kaufen.

Auch die Wiedervereinigung brachte zunächst keinen Aufschwung für die Eisenbahnlinie Chemnitz-Aue. Der Güterverkehr ging seit 1990 stark zurück und wurde 1996 eingestellt. Auf der Strecke, die zur DB Regio gehörte, gab es zahlreiche Baustellen bzw. Langsamfahrstellen. Die Fahrzeit auf der 51 km langen Strecke stieg auf 110 min. Daran änderte sich bis zum Jahr 2000 nicht viel.

Die Erzgebirgsbahn

Die Bahn aus Aue rollt in Kemtau ein
Die Bahn aus Aue rollt in Kemtau ein

Am 1. Januar 2002 gründete die Deutsche Bahn für das Gebiet des Erzgebirges die “DB Regio Netz Verkehrs GmbH Erzgebirgsbahn”. Die Erzgebirgsbahn war geboren und darin war auch die Strecke Chemnitz-Aue enthalten. 2003 wurde die Strecke für umfangreiche Sanierungsmaßnahmen stillgelegt. Ziel war die Streckengeschwindigkeit auf 80 km/h anzuheben und eine grundhaften Erneuerung der Bahnanlagen nach den gültigen Bestimmungen. Am 15. Januar 2005 erfolgte die Aufnahme des durchgehenden Zugbetriebs von Chemnitz bis Aue. 23 Millionen Euro wurden investiert.

Von da an ging es wieder aufwärts. Die modernen Dieseltriebwagen der Baureihe VT 642

fahren pünktlich und die Fahrzeit der gesamten Strecke beträgt nur 72 Minuten. Die Zwönitztalbahn, wie die Strecke heute werbewirksam genannt wird, ist gut ausgelastet. Planmäßigen Güterverkehr gibt es auf dieser Strecke allerdings nicht mehr.

Und heute?

Dunkle Wolken ballen sich über der Zwönitztalbahn zusammen, denn dem Eisenbahnverkehr im Erzgebirge drohen Einschnitte. Zwischen Thalheim und Aue wird ab September 2018 Stillstand herrschen.

Nun haben wir 2020 und die Bauarbeiten an der Stecke sind immer noch im Gange. Ende 2020 sollte der Umbau fertig sein und ab 2021 sollten wieder Züge von Chemnitz nach Aue fahren.

Doch 2020 kam Corona dazwischen und auch andere Gründe sorgten für Verzögerungen. Jetzt sollen im II. Quartal 2021 die ersten Testfahrten stattfinden. Wann wieder Passagiere mitfahren können steht in den Sternen... 

August 2020 - Der Kemtauer Bahnsteig ruht still
August 2020 - Der Kemtauer Bahnsteig ruht still

Neustart der Bahnlinie Januar 2022

Endlich hat das Warten ein Ende. Anfang September 2021 wird die Bahnstrecke Chemnitz-Aue im Rahmen des "Chemnitzer Modells" in das Chemnitzer Tram-Netz eingebunden. Bis Mitte November sollen alle Restarbeiten abgeschlossen sein.

Am 29.1.2022 ging dann die Bahnlinie wieder in Betrieb. Stündlich rollen nun die Bahnen vom Chemnitzer Stadtzentrum nach Aue. Die Fahrzeit beträgt umsteigefrei 75 Minuten. Damit werden auch die Bahnhöfe von Kemtau und Burkhardtsdorf wieder zum Leben erweckt.

Die Linie Chemnitz-Aue ist wieder eröffnet
Die Linie Chemnitz-Aue ist wieder eröffnet

Auch in Kemtau hat sich einiges verändert. Der Bahnübergang wurde neu gestaltet und die Unterführung am Mühlweg komplett erneuert.

Nachdenklich stimmt, dass der Umbau der Strecke heute 75 Mio € gekostet und 3 Jahre 5 Monate gedauert hat. Vor 146 Jahren wurde die Bahnlinie neu gebaut. Damals kostete das Vorhaben 30 Mio Mark und dauerte nur 2 Jahre und 4 Monate, obwohl die Strecke von Chemnitz über Aue bis Adorf führte...

 

Fortsetzung folgt