Die Auenmühle am Mühlenweg 1

Die Auenmühle Oktober 2020
Die Auenmühle Oktober 2020

Geht man in Kemtau den schön gelegenen Mühlenweg entlang, sieht man direkt an der Zwönitz ein Wohnhaus. Heute kann man dort eine Ferienwohnung mieten. Früher war das Gebäude die Auenmühle, die dem Mühlenweg seinen Namen gab. Älteren Kemtauern und Eibenbergern wird der Gebäudekomplex auch unter dem Namen Stiefelmühle in Erinnerung geblieben sein, aber dazu später mehr. Die Mühle liegt nördlich der Zwönitz und gehört somit zum Ortsteil Eibenberg.

 

 

Aus der Frühzeit der Auenmühle

Kurfürst August auf einem Gemälde von Lucas Cranach Quelle: Wikipedia
Kurfürst August auf einem Gemälde von Lucas Cranach Quelle: Wikipedia

In der Frühzeit hießen alle Mühlen in der Zwönitzaue Aumühle und die Betreiber waren die Aumüller. Wann die Mühle im Zwönitztal einst gebaut wurde, ist heute nicht mehr zu ermitteln. Dass es im 16. Jahrhundert oder früher geschah, ist aus einem Schreiben des Richters von Ehrenfriedersdorf an den Kurfürsten August von Sachsen (1526-1586) ersichtlich, welches auf den 22. August 1576 datiert ist. Dieser Kurfürst August war zwar nicht "der Starke" aber für das Erzgebirge eine wichtige Persönlichkeit, denn er hatte erst vier Jahre zuvor sein Jagdschloss Augustusburg fertiggestellt. Dementsprechend war auch die Anrede im Schreiben sehr unterwürfig, was sich in unserer Sprache etwa so darstellte: Durchlauchtigster Hochgeborener, gnädigster Churfürst und Herr, Euer churfürstlichen Gnaden haben wir ganz untertänigst zu ersuchen nicht umgehen können …. Nun folgte das Problem in den zwei Dorfschaften Berbisdorf und Eybenbergk, welche von alters her (seit 1381) zu Ehrenfriedersdorf gehörten. In dem einen Dorf Eybenberck eine Mahlmühle erbaut worden, welche über Menschengedenken gestanden… . Danach ging es darum, dass der Müller für die Mühle und die Pacht des Fischwassers einen hohen Zins in den Gotteskasten (Opferstock) zahlen musste, worüber er sich beschwert hatte, da die Mahlmühle nicht so viel einbrachte. Der Müller fand auch eine Lösung des Problems: hat er samt der ganzen Gemeinde dieses Ortes ersucht an die Mahlmühle (für Mehl) eine Brettmühle (Sägemühle) zu bauen, so das Wasser von einem Mühlrad auf das andere fällt… . Dieser Anbau scheint allerdings mehr gekostet zu haben als der Müller geplant hatte. Nun konnte er den festgelegten Gulden Zins an die Kirche nicht zahlen. Worauf ihm: von dem Forstmeister von Neukirchen Paul Göbeln ernstlich auferlegt wird, die Brettmühle einzureißen und das Schneiden ganz einzustellen.

Daraufhin sollte der Kurfürst August entscheiden, ob er dem zustimmt. Ob er sich um diese Nichtigkeit gekümmert hat, ist nicht bekannt.

Im 17. Jahrhundert

Wie dieser Aumüller hieß, steht leider nicht fest. Der Name eines Aumüllers wird im Jahre 1605 im ersten Kirchenbuch von Burkhardtsdorf genannt. In diesem Buch wurden nicht nur Burkhardtsdorfer Ereignisse festgehalten, sondern alles was sich zwischen Thalheim und Einsiedel abspielte. Dieses Kirchenbuch umfasste den Zeitraum von 1605-1664, existiert aber nur noch auszugsweise als Abschrift, ausgeführt von Helmuth Hofmann, dem ersten Burkhardtsdorfer  Ortschronisten. Das Original ist verschollen. In diesen Aufzeichnungen wird für den 10. Oktober 1605 die Geburt einer Tochter Christina vermerkt, der Vater ist der Aumüller Mathäus Fochtmann. Ein weiterer Eintrag lautet für den 21. Februar 1613 unter Geburten Georgius Fochtmann, Mathtäi Fochtmann Aumüllers + Sohn. Unklar ist, wer Vater und Sohn ist. Ganz undurchsichtig wird es als im April 1618 unter Taufen ein weiterer Eintrag erfolgt: Georg Vogtman, des Aumüllers Stiefsohn. Nun nahm man es damals mit der Schreibweise der Namen nicht so genau, Vogtman und Fochtmann kann eine Person gewesen sein oder er war wirklich ein Stiefsohn.

Ur-Öder Karte von 1600 mit der Hellmühle Quelle: Deutsche Fotothek
Ur-Öder Karte von 1600 mit der Hellmühle Quelle: Deutsche Fotothek

Es gibt noch eine weitere Quelle mit Informationen aus dem frühen 17. Jahrhundert - alte Kartenansichten. Zwischen 1586 und 1639 fand die 1. Kursächsischen Landesaufnahme durch die Kartographen Mattias Öder und Balthasar Zimmermann statt. Die erste dieser Karten auf dem die Aumühle zu sehen ist, stammt von 1600 und wird als Ur-Öder bezeichnet. Die Aumühle ist mir B gekennzeichnet und dazu findet sich die Anmerkung: B - die hellmüll ist…(hier leider abgeschnitten) .zu Ehrenfriedersdorf und auch ein brettm.“ Damit bestätigt sich das Schreiben an den Kurfürsten August, der offenbar die Brettmühle nicht abreißen ließ. Zu beachten ist, dass bei der Karte Nord - Süd und auch Ost- West vertauscht sind. Zur Orientierung kann der Ramberg dienen, der heutige Dachsberg. Damals wurde die Mühle Hellmühle genannt, weil der heutige Kemtauer Bach damals durch die "Hölle" floss.

Karte von Balthasar Zimmermann 1613 aus: Deutsche Fotothek
Karte von Balthasar Zimmermann 1613 aus: Deutsche Fotothek

Ein zweite Karte aus dem Jahre 1613 ist genauer dargestellt und wurde schon von Zimmermann gezeichnet, Öder starb 1614. Gut zu sehen ist der Mühlgraben zur "Hellmül" und auch der Kemtauer Bach ist eingezeichnet. Auch auf dieser Karte ist wieder alles seitenverkehrt. 

Eine dritte Karte zeichnete Zimmermann 1620, die leider nicht in digitalisierter Form veröffentlicht wurde. Auf dieser Karte ist vermerkt: "Mühl Eg Bretmühl ist Georg Voigtman", wodurch der Kirchenbuch von 1618 bestätigt wird. Es folgen noch weitere Einträge zur Familie des Aumüllers im Kirchenbuch:

1621  20.11.   Georg Voigtman, Müller in der Aue Taufe

1627  11.7.     die Aumüllerin Georg Fochtmanns Weib

1629   4.8.      Georg Fogtman, Aumüller Pate

1631                Maria, Georg Fochtmanns Aumüllers Weib

1648 11.4.      Christina, Georg Fochtmanns d Aumüllers + Tochter

Somit gehörte die Aumühle über die gesamte Zeit des 30-Jährigen Krieges den Fochtmann's. Das war der letzte Eintrag zu dieser Familie. 1668 wird als Besitzer der „Aumüller” Johann Christoph Meyer und 1774 George Meyer erwähnt. (1)

Mündliche Überlieferung eines Ereignisses von 1686

Foto: Thomas Beckert 2021
Foto: Thomas Beckert 2021

Zum Ende des Jahrhunderts ereignete sich die folgende dramatische Geschichte, die vom Kemtauer Ortschronist Rudolf Baumgärtel aufgezeichnet wurde:

Auf eine schreckliche Untat besonderer Art soll ein Stein neben der Haustür der Stiefelmühle eingelassen mit der eingehauenen Jahreszahl 1686 hinweisen, wie von Herrn Carl Stiefel, dem damaligen Besitzer der ehemaligen Sägemühle mündlich berichtet wurde. Damals wurde in einem der Kemtauer Güter, vielleicht im Lehngericht, eine große Hochzeit gefeiert. Fast das ganze Dorf war beteiligt. In der Stiefelmühle blieben nur eine Frau und ein 12-jähriger Junge zurück. Diese Gelegenheit benützten Räuber, um in die Mühle einzubrechen. Da sich die zwei Anwesenden wehrten, wurde der Junge zu Tode geschlagen. Die resolute Frau aber drängte den Räuber an eine offenstehende Truhe zwängte ihn darüber und schlug ihm mit dem schweren Deckel den Kopf ab. Die auf die Hilferufe herbeigeeilten Hochzeitsgäste werfen dann den Räuber in den Mühlgraben und ließen ihn übers Mühlrad hinweg im Graben fortspülen.

Im 19. Jahrhundert

Speziesthaler 1813 Friedrich August I. Sachsen
Speziesthaler 1813 Friedrich August I. Sachsen

Nach den umfangreichen Geschichten aus dem 17. gibt es leider keine Aufzeichnungen vom 18.  Jahrhundert. Deshalb nun diese Geschichte von der Aumühle unter dem Besitzer Christian Gottlieb Viertel aus Eibenberg:

Auch der nächste "Fall" hängt wieder mit der Stiefelmühle zusammen. Ein Stiefbruder des Aumüllers (Stiefelmühle) mit Namen Friedrich Pilz, ein Mühlbursche, arbeitete in Burkhardtsdorf, wahrscheinlich in einer der dortigen Mühlen. Bei einem Besuch in der Aumühle stahl er "goldene Ketten, Uhren und Speciestaler im Werte von 200 Reichsthalern". Er wurde in Burkhardtsdorf gefasst, als Dieb entlarvt und am 9. 3. 1813 nach Neukirchen ins Gefängnis gebracht. Burkhardtsdorf unterstand dem Feudalherrn auf dem Neukirchner Rittergut. (aufgeschrieben von Rudolf Baumgärtel)

Gab es eine Spinnmühle auf Eibenberger Flur?

Leipziger Zeitung 26. Juli 1828
Leipziger Zeitung 26. Juli 1828

Anfang des 19. Jahrhunderts gehörte also die Aumühle dem Eibenberger Christian Gottlieb Viertel. 1828 musste Viertel Konkurs anmelden und die gesamte Immobilie im Wert von 9849 Thalern wurde im September zwangsversteigert. In der dafür in der "Leipziger Zeitung" Anzeige wird dafür die bekannte Mahl-, Oel- und Schneidmühle aufgeführt, dazu eine Fischwassernutzung sowie erstmals auch ein Gebäude mit einer Spinnfabrik, welches offenbar Eigentum von Herrn Viertel war.

Am festgesetzten Tag ersteigerte Friedrich Wilhelm Hofmann für 6.050 Thaler die Mühle, allerdings ohne die Spinnfabrik. Im Kaufvertrag vom 21. Februar 1829 (2) wird nur die Mahl-, Oel- und Schneidemühle erwähnt, dazu die Befugnis in der Zwönitz auf Eibenberger Flur zu fischen. Was wurde aber aus der Spinnfabrik?

Johann Samuel Schwalbe in Burkhardtsdorf

Im Zusammenhang mit der Aumühle taucht immer wieder der Name Johann Samuel Schwalbe, dem Begründer der Chemnitzer Maschinenfabrik "Germania". So zum Beispiel in einem Buch von 1839 unter Eibenberg: "die an der Zwönitz unter Kemptau reizend gelegene Aumühle mit der Schwalbe'schen Baumwollspinnerei". (3)

Dieser Eintrag bezieht sich zweifellos auf die hier beschriebene Aumühle, sie gehörte aber nie dem Herrn Johann Samuel Schwalbe. Andere Quellen nennen ihn jedoch als Pächter einer Spinnerei der Aumühle. Was möglich wäre, aber ganz sicher nicht 1839.

Es gibt jedoch einen Hinweis in der offiziellen Firmengeschichte der "Germania": In den Jahren 1826 und 1830 konnten weitere Spinnereien in Burkhardtsdorf und Eibenstock in Betrieb genommen werden.(4) Sollte er 1826 ein separates Gebäude der Aumühle gepachtet und eine Spinnfabrik eingerichtet haben? Möglich wäre es.

Die "Schwalbe'schen Baumwollspinnerei" ist das jedoch nicht. Die ließ er ab 1828 am Ende der heutigen Talstraße auf Burkhardtsdorfer Gebiet bauen. Über diese Spinnmühle berichtete die Burkhardtsdorfer Ortschronistin Martina Hünlein in ihrem Buch "Es klappert die Mühle am rauschenden Bach" im Abschnitt "Die Schindlermühle". (5)

Wer war Leopold Michel?

Ein anderer Hinweis zu der Spinnfabrik der Aumühle stammt aus dem Jahr 1830. Da kaufte ein Leopold Michel die Spinnfabrik im Kemtauer Ortsteil Kamerun. Dazu heißt es im Kaufvertrag: "Herr Leopold Michel Kaufmann und Spinnfabrikant in der Aumühle zu Eybenberg" (6). Das heißt jedoch nicht, dass er Eigentümer war. Er könnte auch ein Angestellter von Schwalbes gepachteter Mühle gewesen sein. Andererseits könnte er sie aber nach der Versteigerung 1828 gekauft haben. Über Leopold Michel gibt es keine Informationen über Herkunft und weiteren Werdegang.

Was in der Zeit zwischen 1826 und 1830 im Zwönitztal von Burkhardtsdorf und Eibenberg ablief ist sehr rätselhaft. Klarer ist die Entwicklung der Spinnfabriken in Kamerun. Dazu gibt es einen eigenen Beitrag zur Kameruner Spinnfabrik.

Damaliges Wegenetz um die Mühlen im Zwönitztal

Messtischblatt datiert auf 1826
Messtischblatt datiert auf 1826

Interessant sind auch die Wege im Zwönitztal mit zwei Brücken über den "Chemnitz Bach". Es gab 1826 zwei Wege von Kemtau an den beiden Mühlen vorbei nach Eibenberg. Dort mündeten die Wege in die Straße von Einsiedel über Eibenberg nach Klaffenbach, wobei sie die Poststraße nach Chemnitz kreuzte. Auf diesem Wege könnte das Rohmaterial, die Baumwolle, von einem Nordseehafen über Chemnitz angeliefert worden sein. Die heutige Talstraße mit der späteren Schindlermühle gab es damals noch nicht. Der Weg von Burkhardtsdorf ist die heutige Burkhardtsdorfer Straße.

Die Aumühle ist wieder ein Sägewerk

Die 1836 einsetzende Waldrodung und Bebauung des Eibenberger „Anbaus“ führte zu einer außergewöhnlichen Auslastung der Schneidmühle (durch Wasserkraft betriebenes Sägewerk) und der zur Mahlmühle (Getreidemühle) gehörenden Bäckerei. Die dementsprechend hohen Einnahmen des Müllers ermöglichten ihm, 1838 seine bis dahin relativ kleine Landwirtschaft um mehrere Feld-, Wiesen- und Waldbodengrundstücke zu vergrößern.

1843 ging die Mühle für 10.250 Thaler an Johann Samuel Nietzold über (7). Im Vertrag ist wieder keine Rede von einer Spinnfabrik. In seiner Biographie steht (1): 

"Er war das achte Kind und stammte aus einem Bauerngut in Burkhardtsdorf. Er hatte 2 Söhne und 1 Tochter. Kaufte mit 18 Jahren für 4000 Reichsthaler am 18.02.1820 von seinem Schwiegervater das Ganzhufengut (neben Lehngericht) und verkaufte es 1843 an ein Spekulanten-Quartett für 7900 Thaler. 1850 brannte das Gut ab, nur die "Nietzoldscheune" steht noch. Ab 1843 Besitzer der Auenmühle, Mühlenweg 1. Er war 1860 nach Einschätzung des Gemeinderates der "Spitzenverdiener" von Eibenberg." 

Aus der Aumühle wird die Stiefelmühle

Seit 1861 gehörte die Auenmühle der Müllerfamilie Stiefel. Zunächst von Heinrich Stiefel betrieben, wurde die Mühle seit 1885 von den Gebrüdern Stiefel weitergeführt und wurde Stiefelmühle genannt.

Die "Stiefelmühle" ca. 1899
Die "Stiefelmühle" ca. 1899

Im 20. Jahrhundert

Die Stiefelmühle auf einer Zeichnung von 1925
Die Stiefelmühle auf einer Zeichnung von 1925

1918 übernahm dann Paul Stiefel die Mühle. Dessen Sohn Karl Stiefel Senior hat das Sägewerk 1972 aus Altersgründen eingestellt.

Quellen

(1) 550 Jahre dörfliches Leben Kemtau / Eibenberg

(2) Gerichtshandelsbuch von Eibenberg, Sächsisches Staatarchiv, Signatur GB AG Chemnitz Nr. 159, 1828 - 1842

(3) Handbuch der Geographie, Statistik und Topographie des Königreiches Sachsen, Albert Schiffner, Leipzig 1839

(4) Archiv Sachsen, Maschinenfabrik Germania vorm. J. S. Schwalbe & Sohn Chemnitz, Entwicklung des Unternehmens

(5) Es klappert die Mühle am rauschenden Bach, Band 2, Martina Hünlein, 2020

(6) Gerichtshandelsbuch von Kemtau, Sächsisches Staatsarchiv, Signatur GB AG Chemnitz Nr. 186, 1825-1840

(7) Gerichtshandelsbuch von Eibenberg, Sächsisches Staatarchiv, Signatur GB AG Chemnitz Nr. 160, 1843 - 185